Frage an Jürgen Koppelin von Michael H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Koppelin,
leider scheint das aktuelle Urteil des BVerfG sich nur kurz im medialen Licht aufzuhalten - eine Tatsache die sich mit der Arbeitsweise der parlamentarischen Auseinandersetzung zur Ratifizierung zu decken scheint.
Schnell, unkommentiert und ohne öffentliche Beteiligung.
Als Student der Rechtswissenschaft ist es mir völlig unverständlich wie es überhaupt dazu kommen kann, dass das Deutsche Parlament erst durch ein Gericht - wenn auch nur unzureichend - darüber Aufklärung erlangt, welche Konsequenzen diese Ratifizierung mit sich bringt.
Diese Tatsache lässt beschämder Weise nur den Schluss zu, dass es sich um höchst unprofessionelle Arbeit seitens des gesamten Parlaments handeln muss.
Wie sonst lässt sich erklären, dass sich die bestehende Bundesregierung wiederstandslos damit abfindet zukünftig nationale Souveränität an eine demokratisch nicht legitimierte Institution abzutreten?
Wie ist so etwas parteiunabhängig als MdB öffentlich zu vertreten?
MfG
M. Harms
Sehr geehrter Herr Harms,
das Bundesverfassungsgericht hat Parlament und Demokratie den Rücken gestärkt. Karlsruhe hat festgestellt, dass der Vertrag von Lissabon grundgesetzkonform ist, solange der Deutsche Bundestag als gewählte Vertretung des Deutschen Volkes bei allen Fragen der Europäischen Integration aktiv beteiligt ist. Die Kläger sind mit ihrem Anliegen gescheitert.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat während des gesamten Ratifizierungsverfahrens betont, dass der Bundestag in der Europapolitik eine aktivere Rolle spielen muss. Die FDP begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht insbesondere in den Bereichen der Vertragsänderung, des Strafrechts, des Steuer- und Sozialrechts Bundestag und Bundesrat als den zentralen Ort der Entscheidung über weitere Integrationsschritte ansieht. Die FDP wird sich intensiv an der Erarbeitung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten neuen Begleitgesetzes beteiligen. Unser Ziel bleibt ein baldiges Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon. Eine endgültige Bewertung des Urteils kann jedoch erst nach vollständiger Bewertung der Begründung abgegeben werden. Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum europäischen Haftbefehl hatte das Gericht deutliche Versäumnisse des Bundestages mit den Umgang von europäischen Vorgängen bemängelt. Seit der Zeit wurden sehr tief greifende Veränderung im Parlament vorgenommen, so dass man heute sagen kann, dass der Bundestag europatauglich ist. Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die europäischen Entscheidungsprozesse werden ausgeschöpft und angewendet. Ich persönlich war dafür, dass die Bevölkerung über den Lisabonn-Vertrag direkt hätte abstimmen sollen. Das hätte die jetzige Situation vielleicht entstehen lassen. Ich stimme daher Ihrer Auffassung eher nicht zu.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Koppelin