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Joschka Langenbrinck
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Frage von Linus D. •

Frage an Joschka Langenbrinck von Linus D. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Langenbrinck,

ich bin Schüler einer Berliner Oberschule und für meinen Politikwissenschaftskurs würde ich Ihnen gerne 5 Fragen verschiedener Kategorien zum aktuellen Parteiprogramm stellen.

1. Wie will die SPD das kostenlose Sportangebot in Berlin genau finanzieren?
2. Warum hat die SPD Sozialwohnungen verkauft, wenn Sie nun niedrige Mieten anstrebt?
3. Wie definiert die SPD "gute Arbeitsplätze", die Sie für die Bevölkerung schaffen möchte?
4. Wie planen Sie die Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu verringern?
5. Wieso möchte die SPD als Brückentechnologie zu den erneuerbaren Energien hin auf Kohlekraftwerke zurückgreifen?

Mit freundlichen Grüßen,

Linus Diedrich

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Diedrich,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Zu Frage 1)

Regelmäßiger Sport und Bewegung sind Voraussetzung für eine gesunde körperliche und geistige Entwicklung. Gemeinsamer Sport im Verein ist gut für das soziale Miteinander, stärkt den Teamgeist und hält Kinder und Jugendliche zu Gemeinsinn, Befolgung von Regeln und Fairness an. Hier wird Integration gelebt. Sport im Verein darf nicht von sozialer oder kultureller Herkunft abhängen.

Deshalb wird die SPD das Schul-, Sportanlagen- und Bädersanierungsprogramm uneingeschränkt fortführen. Auch werden wir die entgeltfreie Nutzung der Sportflächen des Landes Berlin als wichtiges Element der Sportförderung erhalten.

Sporteinrichtungen erhalten finanzielle Planungssicherheit durch den Erhalt des staatlichen Glücksspielmonopols und die Festschreibung der Lottomittel. Durch einen Sportpakt sichern wir den Berliner Sport dauerhaft ab.

Und das ausreichend finanzierte Vereinsinvestitionsprogramm unterstützt nicht nur Vereine bei Kauf,´Errichtung und Unterhalt von Sportanlagen, sondern hilft auch dauerhaft die Folgekosten des Landes zu senken.

Zu Frage 2)

Der Senat hat einen Teil der Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbauunternehmen zu einem Zeitpunkt verkauft, als nachweisbar weder Wohnungsknappheit bestand noch die Mieter von überproportionalen Mieterhöhungen betroffen waren. Diese Wohnungen wurden aufgrund der massiven Verschuldung Berlins verkauft. Die Grünen wollten übrigens weitere 100.000 Wohnungen privatisieren, was sie heute am liebsten verschweigen.

Zu Mieterhöhungen:

Die SPD setzt sich für bezahlbare Mieten ein. Wir haben bereits Maßnahmen zum Schutz der Mieter und gegen steigende Mieten in einigen Kiezen Berlins ergriffen. So wurde beispielsweise der Kündigungsschutz für Mieter ausgeweitet und verlängert, deren Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden und die Zweckentfremdung von Wohnungen (z.B. als Ferienwohnung) verboten.

Aber Mietrecht ist gemeinhin Sache des Bundes, Einflussmöglichkeiten der Länder hierauf sind nur über den Bundesrat möglich. Deshalb hat die SPD Bundesratsinitiativen gestartet, um Mietsteigerungen und die Umlage von Modernisierungskosten auf die Mieter zu begrenzen. Leider wurden diese wichtigen Initiativen bisher von grünen Ministern anderer Bundesländer kaum unterstützt.

Die SPD hat auch die nächsten Schritte im Bereich der Mietenpolitik formuliert. So werden wir die Zahl der landeseigenen Wohnungen um 30.000 erhöhen. Wir werden den Wohnungsbaugesellschaften Grundstücke des Landes kostengünstig oder kostenlos überlassen, damit diese dort preiswerte Wohnungen bauen können. Und wir werden beispielsweise in einem Modellprojekt auch die Genossenschaften beim Bau kleiner, preisgünstiger Wohnungen unterstützen. Unser Ziel ist es, damit den Markt zu entspannen und bezahlbare Mieten zu sichern.

Von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften erwarten wir, dass sie die rechtlichen Möglichkeiten für Mietsteigerungen nicht ausschöpfen. Sie haben sensibel und mit Rücksicht auf die sozialen Belange im Kiez vorzugehen. Mieterhöhungen dürfen nur in enger Abstimmung zwischen Geschäftsführung und Senatsverwaltungen erfolgen und müssen sich immer daran orientieren, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften eine mietpreisdämpfende Aufgabe haben.

Zur Verschuldung Berlins:

Gegenwärtig hat das Land 63 Milliarden Euro Schulden. Dem SPD-geführten Senat ist es als erstem Senat nach Jahrzehnten 2006 und 2007 gelungen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. 2007 wurden sogar Schulden abgebaut. Dann kam leider die von der Landespolitik unverschuldete internationale Finanzkrise, die sich zu einer Weltwirtschaftskrise entwickelte - mit der Folge, dass Arbeitsplätze abgebaut wurden, Steuereinnahmen wegbrachen und die Neuverschuldung wieder stieg. Die CDU wirft Klaus Wowereit vor, dass der Schuldenberg Berlins noch nie so hoch war. Das ist richtig. Der letzte CDU-Bürgermeister Diepgen plante für heute allerdings Schulden von über 90 Milliarden Euro ein.

Zum konsequenten Sparen unter Klaus Wowereit kommt hinzu, dass die Solidarpakt-Mittel bis 2019 auslaufen und durch Einsparungen ausgeglichen werden müssen. Zudem greift ab 2020 die Schuldenbremse für die Bundesländer. Wir müssen auch zukünftig den Rotstift ansetzen, um den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse gerecht zu werden. Klar ist: Sparen werden wir - wie in den letzten zehn Jahren - überall, aber nicht bei der Bildung.

Zu Frage 3)

Die Politik schafft keine Arbeitsplätze. Sie kann lediglich die Rahmenbedingungen verbessern, dass Unternehmen mehr zur Verfügung stellt.

Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Es ist ein Unding, dass manch einer - trotz Fulltime-Job - Hartz IV-Aufstockung beantragen muss. Das ist nicht der Sinn von Arbeit, sondern billige Ausbeutung. Deshalb setzt sich die SPD für einen Mindestlohn ein. Ich persönlich favorisiere einen branchenbezogenen Mindestlohn. Mindestlohn ist allerdings Bundesrecht. Darüber hinaus setzt sich die SPD dafür ein, dass Frauen und Männer den gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen.

Der SPD-geführte Senat hat - da sein eigener Einflussbereich - geregelt, dass öffentliche Aufträge in Berlin nur noch an Unternehmen vergeben werden, die einen einen Mindestlohn von 7,50 €/Std. an ihre Mitarbeiter zahlt.

Die SPD will gemeinsam mit den Gewerkschaften die Arbeitnehmerrechte stärken. Wir wenden uns gegen ausufernde Leiharbeit, immer mehr befristete Beschäftigungsverhältnisse, Scheinselbständigkeit und schlecht bezahlte Praktika.

Zu Frage 4)

Jeder 4. Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss. Das ist - insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels - nicht hinnehmbar. Die Schulabgängerquote verringern Sie aber nicht mit einem Fingerschnippen, sondern nur durch ein Bündel mehrerer Maßnahmen. Einige möchte ich Ihnen nennen:

Die SPD hat die Hauptschulen als Resterampe abgeschafft. Die Gymnasien bleiben bestehen, die anderen Schulformen wurden zur Integrierten Sekundarschule zusammen geführt. Jeder Schüler hat die Möglichkeit, das Abitur zu absolvieren (in 12 bzw. 13 Jahren).

Kita-Pflicht für alle Kinder (es ist durch etliche Studien belegt, dass Kinder, die eine Kita besucht haben, eine 6-fach größere Chance haben, einen Abschluss zu machen), Ausbau des Angebots an Ganztags-Kitas und -Schulen (Grundschulen und Weiterführende), mehr und besser ausgebildete Erzieher, mehr Sozialpädagogen, kleinere Gruppen, mehr Lehrer (1200 neue wurden zum neuen Schuljahr bereits eingestellt), kleinere Klassen.

Konsequente Durchsetzung der Schulpflicht, wie wir es in Neukölln praktizieren - notfalls mithilfe der Polizei. Die Neuköllner SPD vertritt zudem die Meinung: Kommt das Kindergeld nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht aufs Konto.

Das Duale Lernen in den Schulen muss gestärkt werden, da es viele Schüler gibt, die mit dem Frontalunterricht nicht zurecht kommen. Ich bin ein großer Fan des Praktischen Lernens und des Projekts Teach First.

Die Ganztagsschulen sollen eng mit Vereinen und Institutionen in den Kiezen zusammenarbeiten, z.B. durch entsprechende Angebote von Hausaufgabenbetreuung, Sport, Freizeitgestaltung, etc. Unser Neuköllner "Campus Rütli" hat hier Vorbild-Charakter.

Darüber hinaus hängt der Bildungserfolg der Kinder so extrem wie in keinem anderen Land vom Geldbeutel der Eltern ab. Also fordere ich über das oben genannte hinaus gehend: kostenloses Mittagessen, Lernmittelbefreiung und soziale Heilfürsorge für alle Kinder.

Die Sprachtests sind in Berlin inzwischen für alle Kinder Pflicht. Wird ein Sprachdefizit festgestellt, muss das Kind Sprachförderung genießen. Gegenwärtig wird ein solcher Test ein Jahr vor der Einschulung eingeführt. M.E. sollte dies frühzeitiger geschehen.

Das waren nur einige Beispiele, die mit dazu beitragen, die Schulabbrecherquote zu reduzieren. Das kostet alles eine Stange Geld. Das Geld ist an sich da. Wir Deutschen haben aber die (schlechte) Angewohnheit, das Geld aufs Konto der Eltern zu überweisen, ohne wissen zu können, ob es auch tatsächlich bei den Kindern ankommt.

Deutschland gibt im OECD-Ländervergleich am meisten Geld für die Familienförderung aus, steht bei der Nachhaltigkeit aber auf dem drittletzten Platz. Jedes Jahr überweisen wir 35 Milliarden Euro Kindergeld an die Eltern. Deshalb fordert die Neuköllner SPD: Kindergeldkürzung um z.B. 50% (= 17,5 Mrd. Euro) und zweckgebundene Investition in den Ausbau der staatlichen Bildungseinrichtungen, um die o.g. Maßnahmen finanzieren zu können.

Zu Frage 5)

Die deutschen Atommeiler werden bis 2021 vom Netz genommen. Bis dahin werden die Erneuerbaren Energien (EE) den Strombedarf aber nicht zu 100% abdecken können (das will die SPD bis 2050 erreichen). Deshalb unterstützt die SPD die Kohlekraftwerke als Brückentechnologie.

Wir benötigen über die genehmigten und im Bau befindlichen Kohlekraftwerke aber keine weiteren Neubauten, diese wären auch unter den Bedingungen des europäischen Emissionshandels gar nicht mehr wirtschaftlich darstellbar. Im Rahmen der Komplett-Abschaltung aller AKW würde sich aus Gründen der Netzstabilität maximal die Neuprojektierung und der Bau von hocheffizienten und flexiblen Gaskraftwerken anbieten, die auch in ein Lastmanagement der Zukunft mit einem wachsenden Anteil EE passen. Eine dauerhaft bezahlbare und sichere Energieversorgung ist Grundlage eines modernen Industriestaates.

Energieeffizienz ist der Schlüssel zur Energiewende. Deshalb ist die Energieproduktivität jährlich um 3 Prozent zu steigern. Wir wollen den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung bis 2020 auf 25 Prozent erhöhen. Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm muss sofort auf mindestens den Stand des Jahres 2009 von 2,25 Milliarden Euro gebracht werden. Wir wollen eine Konzentration der Mittel auf den Gebäudebestand im Bereich auf soziale Gruppen, die besonders von steigenden Energiepreisen betroffen sind. Der Gebäudebestand muss ebenso in die Verpflichtung zur Nutzung von EE aufgenommen werden wie bereits schon Neubauten. Das Marktanreizprogramm muss daher als flankierende Maßnahme auf mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden.

Freundliche Grüße

Joschka Langenbrinck