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Joschka Langenbrinck
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Frage von Wendy M. •

Frage an Joschka Langenbrinck von Wendy M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Langenbrinck,

es wird viel über "Integrationspolitik" geredet, auf irgendwelche Programme verwiesen in die mehr Geld und Aufmerksamkeit investiert werden soll, nur wie soll mehr denn mehr bringen wenn es bisher nicht gefruchtet hat?

Nehmen wir zum Beispiel die Problematik der nichtsesshaften Roma - während die Franzosen den etwas drastischeren Weg der Ausweisung wählen: "Offiziell rechtfertigt Frankreich die Abschiebungen damit, dass die Roma weder ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, noch in der Lage seien, ihre Krankenkassenbeiträge zu zahlen - was laut einer EU-Richtline den Rücktransport erlauben würde - Stern.de", hat die Tschechische Republik ein anderes Modell gewählt - um den Kreislauf der Arbeitslosigkeit und sozialen Abhängigkeit zu unterbrechen wurden die sozialen Zuwendungen allgemein so umstrukturiert dass Familien die Sozialhilfe gekürzt wird, wenn kein regelmässiger Nachweis erfolgt dass deren Kinder den Kindergarten und/oder eine Schule besuchen.

Wie stehen Sie zu diesen 2 Ansatzlösungen ?

Mit freundlichen Grüssen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Masek,

vielen Dank für Ihre Frage, mit der Sie zwei von Missverständnissen geprägten Themen ansprechen. Ich bitte Sie deshalb herzlich, sich die Zeit zu nehmen, meine ausführliche Antwort zu lesen.

Laut Ihrer Ortsangabe wohnen Sie in Rüsselsheim. Aufgrund dessen möchte ich Ihnen einen Ausschnitt der Beispiele nennen, wie wir als Neuköllner SPD mit unserem Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky die Integrationspolitik in unserem Bezirk angehen. Damit möchte ich Sie nicht mit Politikergeschwätz totsabbeln, sondern Ihnen verdeutlichen, dass es Projekte gibt, die greifen und die es wert sind, unterstützt zu werden. Weil sie dort zupacken, wo es Sinn macht und vorhandene Probleme gemeinsam mit den Betroffenen angegangen werden.

Das es - zum Teil erhebliche - Integrationsdefizite gibt, liegt vor allem daran, dass in den letzten Jahrzehnten massiv versäumt worden ist, zu handeln. Die Gastarbeiter der 50er und 60er Jahre wurden nicht in Sprachkurse gesteckt (da sie selber gar nicht in Deutschland sesshaft werden wollten und die Politik damals der Annahme war, dass sie nach wenigen Jahren in ihre alte Heimat zurückkehren würden), sondern in Stadtteile weitab vom Schuss. Dort waren sie unter sich. Deutsch sprechen brauchte man also nicht. Dementsprechend sah die Politik auch nicht die Notwendigkeit, mit irgendwelchen Maßnahmen gegenzusteuern.

Das Problem heute ist ja nicht die Migrantengeneration von damals. Sondern ihre Kinder und Enkel, die - nicht selten - weder Deutsch richtig gut sprechen noch ihre Muttersprache. Integration gelingt deshalb nur durch Bildung und Arbeit. Das garantiert sozialen Aufstieg und Unabhängigkeit von Hartz IV. Und hier muss die Politik mit Maßnahmen ansetzen.

Wir haben in Nord-Neukölln (also in dem Teil Neuköllns, über den die Medien gern berichten) berlinweit das erste Ganztagsgymnasium gegründet. Gemeinsam mit dem Türkisch-Deutschen Zentrum gestalten wir dort die Nachmittagsbetreuung. Die SPD setzt sich schon seit Jahren für einen kontinuierlichen Ausbau des Ganztagsschulangebots ein (auch in den weiterführenden Schulen). Meiner Meinung nach muss der Besuch des Ganztagsangebots verpflichtend sein. Hier liegt der Schlüssel für Integration: Bildung, Bildung, Bildung.

Darüber hinaus ist die Neuköllner SPD und bin auch ich für eine Kita-Pflicht für alle Kinder. So früh wie möglich. Die nackten Zahlen der Hilfen für Erziehung belegen, dass die Anzahl der Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder - aus welchen Gründen auch immer - überfordert sind, stetig zunimmt. Und etliche Studien haben belegt, dass Kinder, die eine Kita besucht haben, eine mehrfach größere Chance haben, einen guten Schulabschluss zu machen. Und ein Schulabschluss (jeder 4. Schüler verlässt heute die Schule ohne Abschluss!) ist die Voraussetzung für eine Ausbildung oder ein Studium - und das wiederum Voraussetzung für Integration durch Arbeit.

Stichwort Ausbildung: Der Bezirk Neukölln nimmt seine Verantwortung für junge Menschen ernst - wir haben die Zahl der Ausbildungsplätze um 70 % erhöht. Das Bezirksamt gehört nun zu den landesweit größten Ausbildungsstätten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

Wir haben in Neukölln die Stadtteilmütter ins Leben gerufen. Inzwischen gibt es 200 von ihnen. Sie haben bisher 12.000 Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen erreicht und ihre Familien in Fragen der Erziehung, Schule und Gesundheit geholfen. Die Stadtteilmütter sind Türöffner für bildungsferne Einwandererfamilien.

Wir haben 15 Schulstationen gegründet, die Schulen im Umgang mit schwierigen Kindern unterstützen und die Eltern - ganz wichtig! - in ihre sozialpädagogische Arbeit niedrigschwellig einbinden.

Vor Jahren war die Rütli-Schule bundesweit in den Schlagzeilen. Das haben wir zum Anlass genommen, den Campus Rütli zu gestalten. Eine moderne Bildungsstätte mit Vorzeigecharakter, in dem die Kinder vom jüngsten Alter an bis zum Eintritt in die Ausbildung begleitet werden. Das mindert die Zahl der Schulabbrecher, die ihr Leben meist perspektivlos und ohne Eigenverantwortung in Abhängigkeit von Hartz IV meistern müssen.

Das Beherrschen der deutschen Sprache ist auch unabdingbar für die ältere Einwanderergeneration bzw. für jene Einwanderer, die kürzlich neu ins Land gekommen sind. Die Neuköllner Volkshochschule gehört deutschlandweit zu den größten Anbietern von Sprach- und Integrationskursen. Rund 18.000 Menschen nichtdeutscher Herkunft konnten in den letzten fünf Jahren vom VHS-Angebot Gebrauch machen.

Wir haben den Etat unserer Bezirks-Musikschule um 2 Mio. Euro erhöht und damit Musik für viele Kinder erlebbar gemacht. Das mag für Sie und mich eine Selbstverständlichkeit sein. Doch nicht wenige Kinder wachsen in Familien auf, in denen ihre Freizeitgestaltung aus einem Flatscreen-Bildschirm und einer PlayStation besteht.

Mit diesen wenigen Beispielen möchte ich Ihnen zeigen, dass auch im Kleinen Integration gestaltet werden kann. Das kostet Geld. Aber die genannten Beispiele sind erfolgreich. Deshalb ist die Unterstützung dieser Projekte und Maßnahmen sinnvoll.

Das Geld ist da. Wir Deutschen haben aber die (schlechte) Angewohnheit, individuell statt institutionell zu fördern. Was meine ich damit? Wir zahlen lieber Kindergeld aufs Konto, anstatt das Geld den Kindern anders zukommen zu lassen - nämlich über staatliche Einrichtungen.

Die Neuköllner SPD fordert deshalb die Kürzung des Kindergelds und zweckgebundene Investition dieser vielen Milliarden (!) in den Ausbau der Ganztagskitas und -schulen, u.a. mit freier Heilfürsorge, Lernmittelbefreiung, mehr Sozialpädagogen, Erziehern, Lehrern, besserer Ausstattung, u.v.m. Davon haben die meisten Kinder mehr, als wenn das Kindergeld nicht zu ihrem Wohle verwendet wird.

Zum Thema Roma:

Die bulgarischen und rumänischen Roma haben ihre Heimat auf der Suche nach mehr Wohlstand und besseren Lebensstandards verlassen. Das ist eine Armutswanderung innerhalb Europas. Seit 2007 sind beide Länder Vollmitglied der EU und ihre Bürger können sich überall in Europa niederlassen.

In Deutschland ist der Aufenthalt bis Ende 2013 auf drei Monate begrenzt. Das gilt aber nicht für selbstständig Gewerbetreibende. In anderen EU-Ländern gilt ohne Sperrklausel schon heute die völlige Freizügigkeit. Ihr Aufenthalt ist völlig legal. Es gibt also keine gesetzliche Handhabe für Aktionen à la Sarkozy - der übrigens kleinlaut nach dem Eingreifen der EU-Kommission hat zurückrudern müssen.

Nun sind die Roma da. Und sie werden - voraussichtlich - bleiben. Wie geht man damit um? In Neukölln machen wir eine Sommerschule während der Ferien, bieten Intensivkurse zum Erlernen der deutschen Sprache und machen Ausflüge durch Berlin. Wir versuchen, die Kinder überhaupt schulfähig zu machen. Denn Kinder gehören in die Schule und nicht auf die Straße.

Kinder, die hier ordentlich angemeldet leben, unterliegen der Schulpflicht. Den Anspruch von Sozialleistungen regelt das Bundesrecht. Ein selbstständiger Zettelverteiler (die Roma melden ihr Gewerbe gern als "Public Relation Assistents" an) kann nunmal eine vielköpfige Familie nicht ernähren.

Die Neuköllner SPD und auch ich selber befürworten den von Ihnen genannten Ansatz: kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Geld nicht aufs Konto. Gäbe es eine Kita-Pflicht, würde der Ansatz natürlich auch für den Kita-Besuch gelten. Dieser Ansatz ist aber - zumindest gegenwärtig - nicht mehrheitsfähig. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, dass die Politiker aufhören Realitäten schönzureden und zu handeln beginnen.

Solange das nicht passiert, muss am kleinen Rädchen gedreht werden. So wie die SPD Neukölln das macht.

Sie sehen: ich unterstütze die zupackende Politik meiner Neuköllner SPD und unseres Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky. Deshalb kandidiere ich für das Berliner Abgeordnetenhaus.

Freundliche Grüße

Joschka Langenbrinck