Frage an Johannes Saalfeld von Norbert M. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Saalfeld
Ich habe mit einem Bekannten über die Erweiterung der erneuerbaren Energien geredet und es kam zur Sprache, dass Windkraftanlagen, wie sie jetzt in Verwendung sind, ein erhebliches Maß an Kosten bei ihrer Wiederverwertung benötigen, und zwar mehr als der Gewinn, welchen diese Anlagen in ihrer gesammten Einsatzsdauer erzeugt hatten. Kann das Recyceln einer Windkraftanlage mehr Kosten, als sie jemals erwirtschaftet hat?
Zudem hab ich erfahren, dass der vermehrte Einsatz von Windkraftanlagen bedeutet, dass man viel stärker auf die Verteilung vom Strom über die Umspannwerke eingreifen muss und das dies zur Folge hat, dass man bei hoher Windleistung "traditionelle" Kraftwerke drosseln muss, aber ein starkes Herunterfahren von Kraftwerken führt zu einer hohen Hochfahrzeit. Sind solche Fluktuationen bedenklich für eine kontinuierliche Energieversorgung? Was bedeutet das für das Stromnetz?
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Madauß
Sehr geehrter Herr Madauß,
vielen Dank für Ihre interessanten Fragen! Die sogenannte Energierücklaufzeit beträgt bei modernen Windkraftanlagen etwa zwei bis sechs Monate. Die Energierücklaufzeit ist die Zeitspanne, in der ein Kraftwerk genauso viel Energie erzeugt, wie zu seiner Produktion, Transport, Errichtung, Betrieb, Abbau usw. benötigt wird. Eine moderne Windkraftanlage wird in der Regel für 20 bis 25 Jahre betrieben, sodass also die energetische Amortisation in einem Bruchteil der Lebensdauer erreicht wird. Ganz im Gegenteil zu Kohle- und Atomstrom. Der ist zwar heute billig, entfaltet aber in der Zukunft enorme Kosten. Der Kohlestrom trägt zum Klimawandel bei, den wir noch zu unseren Lebzeiten teuer bezahlen müssen. Extremwetterereignisse werden immer häufiger zu Schäden führen. Zum Beispiel gab es in diesem Jahr in M-V schon Schäden infolge von Unwettern in hoher dreistelliger Millionenhöhe. Schneemassen im Frühjahr, Trockenheit und Staubstürme im Frühjahr, Überschwemmungen im Sommer haben zu hohen Sachschäden insbesondere in der Landwirtschaft aber auch bei Privatpersonen und an den Straßen geführt. Den billigen Atomstrom von heute müssen die kommenden Generationen ebenfalls teuer bezahlen, weil sie den Atommüll teuer überwachen und immer wieder umverpacken müssen, ohne jemals einen Nutzen von dem vor langer Zeit gewonnenen Strom zu haben.
Richtig ist im Übrigen, dass wir in Zukunft intelligente Stromnetze brauchen. Deutschland hat sich mit dem Atomausstieg auf den Weg gemacht, diese sogenannten "smart grids" ("schlaue Netze") aufzubauen, die in Zukunft die Energie dorthin lenken, wo sie gebraucht wird. Dies wird in Zukunft auch ein Wettbewerbsvorsprung sein, wenn andere Länder nachziehen werden. Die Grundlastkraftwerke (Kohle, Gas, Atom) sind zwar wichtig, gleichzeitig aber auch immer ein Problem gewesen. Denn am Tag war der Stromverbrauch immer schon höher als in der Nacht. Mit hohen Verbrauchsschwankungen musste unser Stromnetz also schon länger auskommen. Deswegen wird unter anderem auch die Solarenergie gefördert, weil sie sehr gut zu den natürlichen Verbraucherschwankungen passt: Am Tag wird viel Strom produziert, wenn er auch gebraucht wird. Nachts produzieren Solarzellen dagegen bekanntlich keine Energie. Atom- und Kohlekraftwerke haben lange Anfahrzeiten und können kaum an Schwankungen angepasst werden. Deswegen gleicht man heute Schwankungen mit Gaskraftwerken aus, die man schnell zu- und abschalten kann. Auch in Zukunft brauchen wir diese schnellen Zu- und Abschalt-Kapazitäten und setzen hier auf den Einsatz von Biomasse- und Biogasanlagen. Wichtig wird in Zukunft das Thema Energiespeicherung sein, hier haben wir in den kommenden Jahren noch Forschungs- und Ausbaubedarf. Dabei gibt es große Speicherlösungen, wie zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerke, Talsperren, Wasserstoffgewinnung (Rückgewinnung der Energie über Brennstoffzellen) etc. als auch kleine Lösungen mit Speicherzellen für das Einfamilienhaus mit angeschlossener Solaranlage auf dem Dach. Es gibt viel zu tun, aber es gibt auch viel zu gewinnen - zum Beispiel eine Zukunft ohne dreckige Energie und ohne weitere ökologische Belastung der kommenden Generationen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Saalfeld