Frage an Johannes Pflug von Ulla P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Pflug,
wie lässt sich die Umgehung der parlamentarischen Regeln und des Parteitagbeschlußes in Hamburg beim Thema Bahnprivatisierung mit den Prinzipien der Demokratie und Bürgerrechte vereinbaren?
Wie werden Sie sich zur Frage der Teilprivatisierung der Bahn positionieren und warum?
Mit freundlichem Gruß
Ulla Putze
Sehr geehrte Frau Putze,
unser "Strukturmodell" bringt der Bahn lebensnotwendiges Kapital, aber es teilprivatisiert nur die Bereiche Güterverkehr/Logistik und das auch nur zu 24,9% unter dem Dach einer Bahntochter "Verkehrs- und Logistik AG" (kurz: VuL AG). Der Bund hält 75,1% dieser Tochtergesellschaft und so bleibt selbst die Besetzung der Aufsichtsräte in Zukunft Sache des Bundes. Damit öffnen wir die Bahn für das Geld von Investoren, aber nicht für deren Einfluss. Die Deutsche Bahn AG und ihre Schienennetze, ihre Stationen, ihr Service und ihre Energieversorgungen bleiben zu 100% Eigentum des Bundes und die 230.000 Arbeitnehmer haben eine Zukunft.
Wir brauchen diese Teilprivatisierung, weil die Bahn sich seit der Liberalisierung der EU-Märkte für Güterverkehr im vergangen Jahr im internationalen Wettbewerb stärker positionieren muss. Wir können uns vor der Globalisierung nicht verstecken, aber wir können sie politisch gestalten und das tun wir mit unserem "Strukturmodell". Davon profitieren Sie und ich als Kunden, weil die Bahn jetzt investieren muss --- in ihr Schienennetz, Energiesparmaßnahmen oder Bahnhöfe. Doch für diese Investitionen braucht die Bahn Geld.
Es wird erwartet, dass die Teilprivatisierung mehrere Milliarden Euro einbringt und vielleicht sollten wir uns zumindest einmal kurz überlegen, was Investitionen dieser Größenordnung aus Steuermitteln bedeuten würden: weniger Geld für Kindergärten, weniger Geld für Schulen und auch weniger Geld für Rentenerhöhungen. Das kann niemand wollen. An einer Bahnreform führt also kein Weg vorbei und unser "Strukturmodell" ist dabei alternativlos.
Wer eine 100%-Privatisierung will, sollte sich an das Ergebnis der Privatisierung der Bahn in Großbritannien erinnern: Ein marodes Schienennetz und Zugentgleisungen im Tagestakt. Auf der anderen Seite war und ist die Volksaktie nicht praxistauglich. Sie wäre für Finanzinvestoren nicht attraktiv gewesen und hätte die Planungssicherheit von Bund-- und Konzernführung durch eine kleine Hintertür beeinträchtigt: Die Aktie wäre zwar in den ersten 2 Jahren stimmrechtslos gewesen, aber nach dem Deutschen Aktienrecht lebt das Stimmrecht wieder auf, wenn in diesen zwei Jahren die garantierte Rendite nicht gezahlt wird. Und diese Garantie hätte niemand wirklich geben können.
Wenn Sie mehr über meine Position zur Bahnprivatisierung und anderen politischen Themen erfahren möchten, empfehle ich Ihnen die aktuelle Ausgabe meiner Wahlkreiszeit "Pflugblatt". Diese finden Sie unter http://www.johannes-pflug.de . Wir setzen Sie auch gerne in unseren Wahlkreiszeitungs-Verteiler, denn ich halte einen regelmäßigen Austausch von Politik und Bürgern für sehr wichtig.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Pflug