Frage an Johannes Pflug von Heinz S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Gewaltenteilung ist das Wesen der Demokratie.
Wie kann es sein, daß fast die gesamte Regierung (exekutive) im Bundestag ( legislative), sitzt ?
Nur weil es immer schon so war, muß es ja nicht rechtens sein. (Man kontrolliert sich selbst) ?
Sehr geehrter Herr Steinbrink,
Eine Gewaltenteilung in Reinform lässt sich im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich nicht finden. Gewaltenteilung ist zwar Bestandteil jeder modernen Demokratie, ihre Ausprägung variiert jedoch stark von Land zu Land. Es existiert ein Spektrum in der Gewaltenteilung von einer hohen Unabhängigkeit der Gewalten zu einer zunehmender Verzahnung der Staatsgewalten (Gewaltenverschränkung). In präsidialen Systemen wie den USA sind die Gewalten stärker voneinander getrennt als in parlamentarischen Demokratien wie der Bundesrepublik. Dafür wirken in parlamentarischen Demokratien andere Mechanismen zur Machtbegrenzung, wie etwa die Fraktionsbildung. Außerdem gibt es noch weitere Ebenen der Gewaltenteilung, wie beispielsweise die vertikale Gewaltenteilung. Diese ist in Deutschland durch Art. 20 GG, der Deutschland als Bundesrepublik und Bundesstaat bezeichnet und die Aufteilung der Macht zwischen Bund und Ländern festgelegt.
Aufgrund der Tatsache, dass in Deutschland die Regierung in ihrem Bestand vom Parlament und einer dortigen stabilen Regierungsmehrheit abhängt, ergibt sich eine enge Verbindung zwischen Regierung und Regierungsfraktionen im Bundestag. Diese ist auch in der personellen Verzahnung verwirklicht. Aufgrund der Gewaltenverschränkung, die im Grundgesetz festgelegt ist, und die beispielsweise durch die Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag (Art. 63 GG) entsteht, wird die institutionelle Gewaltenteilung teilweise durch eine Gewaltenteilung zwischen Opposition und Regierungskoalition ersetzt.
Umgekehrt ist der Bundeskanzler dem Bundestag gegenüber verantwortlich, der ihm das Vertrauen durch ein konstruktives Misstrauensvotum (Art. 67 GG) entziehen kann. Weitere parlamentarische Kontrollinstrumente sind z.B. das Zitierungsrecht (Art. 43 GG), die Befragung der Bundesregierung (§ 106 Abs. 2 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages) oder die Einsetzung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse (Art. 44 GG).
Zudem wird die klare Trennung von Exekutive und Legislative durch den legislativ tätigen Bundesrat teilweise aufgehoben, da dieser von den Länder-Exekutiven beschickt ist. Eine weitere Brechung des Gewaltenteilungsprinzips ergibt sich durch die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen mit Gesetzeskraft erlassen kann (Art. 94 Abs. 2 GG).
In Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG wird die staatliche Gewalt funktional unterschieden:
„Sie (d.i. die Staatsgewalt) wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
Darin ist zugleich die Forderung nach organisatorischer Gewaltenteilung enthalten. Für den Bereich der Gesetzgebung sind diese „besonderen Organe“ Bundestag und Bundesrat, im Bereich der vollziehenden Gewalt sind vor allem Bundespräsident und Bundesregierung zu nennen. Mit dieser organisatorischen ist jedoch nicht automatisch eine personelle Gewaltenteilung verbunden.
Zur Auswahl und Ernennung von Bundesministern steht in Art. 64 Abs. 1 GG lediglich: „Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen.“ Das Grundgesetz schließt auch an dieser Stelle nicht aus, dass ein Regierungsmitglied gleichzeitig Bundestagsmitglied sein kann. Regierungsamt und Abgeordnetenmandat sind also durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Pflug