Frage an Johannes Pflug von Norbert Isa L. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Pflug,
bitte gestatten sie mir ein paar Fragen zu der Haltung des Friedensnobelpreisträger EU bzw. Nato.
Im Auswärtigen Ausschuss in dem sie ja wirken, sollten sie ja ein geeigneter Ansprechpartner für meine Fragen sein.
Sie stimmten für einen Einsatz der Patriot Abwehrraketen in der Türkei, auf Grund von Granatenbeschuss aus Syrien, mit ja.
Ist/sind denn die Urheber/Täter des Granatbeschuss vor der Abstimmung zweifelsfrei ermittelt worden? Reguläre Syrische Armee oder Rebellen/Terroristen?
Sind Patriot Abwehrraketen überhaupt ein geeignetes Mittel zur Abwehr von Granaten?
Haben sie Information oder Kenntnis darüber, dass die von Syrien auf die Türkei abgefeuerten Granaten aus Nato-Beständen stammen sollen?
Wissen sie etwas darüber, ob die Patriot-Abwehrraketen bei einem möglichen Angriff auf den Iran zum Einsatz kommen? Wie ist ihre Haltung dazu?
Wissen sie etwas darüber und wie stehen sie dazu, das Saudi Arabien verurteilte Mörder mit Waffen und Geld ausstattet, um sie nach Syrien zu schicken und dort gegen das Regime und die Zivilbevölkerung hetzt und für sich und ihre Interessen kämpfen lässt?*
Wie passt es zusammen, dass Islamisten/Jihadisten in Afghanistan, Pakistan, Irak, Jemen und jetzt neuerdings in Mali die Bösen sind und bekämpft werden, aber die gleichen Extremisten in Syrien, Libyen mit Geld, Waffen und militärisches know-how, von Nato-Staaten und GCC-Staaten unterstützt werden um dort Chaos und Zerstörung unter die Bevölkerung zu bringen?
Kann es sein das die EU/Nato USA + Israel nur unter dem Vorwand sich humanitär zu engagieren die Welt in Gute und Böse Regime unterteilt und gezielt Terroristen/Rebellen für ihre Ziel einsetzt? ( geostrategische Ziele, Ressourcensicherung, Kontrolle der Handelswege )
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.
Norbert Isa Leonhardt
Sehr geehrter Herr Leonhardt,
vielen Dank für Ihre Fragen, insbesondere bezüglich der Entscheidung des Deutschen Bundestages zur Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen) sowie des Beschlusses des Nordatlantikrates vom 4. Dezember 2012. Die SPD hat sich sowohl in den Facharbeitsgruppen als auch in der Fraktion intensiv mit dem sogenannten Patriot-Mandat befasst. Aufgrund des Drängens der SPD-Fraktion hat die Bundesregierung ihre Meinung geändert und sich entschieden dem Deutschen Bundestag ein Mandat zur Patriot-Stationierung vorzulegen. Ebenfalls aufgrund unserer Initiative wurde die Luftüberwachungsfähigkeit (AWACS) gesondert ins Mandat aufgenommen. Dies war für die SPD wichtig, damit dem Grundsatz der Mandatsklarheit und Mandatswahrheit entsprochen wurde.
Die Türkei hat während der letzten Monate in dem Syrienkonflikt eine zurückhaltende Rolle eingenommen, obwohl es wiederholt Angriffe und Beschuss auf türkisches Staatsgebiet gab, bei denen Menschen verletzt und getötet wurden. Gleichwohl hat die türkische Regierung besonnen auf diese Eskalation seitens Syriens reagiert. Die türkische Regierung leistet darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Versorgung von Flüchtlingen. Mittlerweile hat die Türkei über 100.000 Flüchtlinge aus Syrien in 14 Flüchtlingslagern aufgenommen, die sie auch versorgt.
Das Patriot-Mandat hat eine explizite Schutzwirkung für unseren NATO-Partner Türkei, der sich auch durch das Scud-Raketenpotential Syriens potentiell bedroht sieht. Syrien verfügt über mehrere Hundert Raketen. Im November 2012 wurden vom syrischen Regime erstmals Scud-Raketen eingesetzt, die im Raum Allepo einschlugen. Informationen darüber, dass die von Syrien auf die Türkei abgefeuerten Granaten aus NATO-Beständen stammen sollen, liegen mir nicht vor. Die türkische Regierung behauptet, die syrische Armee habe die Granaten abgefeuert. Zweifelsfrei verifizieren lässt sich dies selbstverständlich von hier aus nicht. Viel wichtiger ist jedoch, dass der Einschlag von syrischen Scud-Raketen in der Türkei zu einer militärischen Eskalation führen könnte, da die Türkei unter erheblichen innenpolitischen Druck geraten würde, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen und die Gefahr zu beseitigen. Zwar stimmt es, dass die Patriot-Raketen für die Abwehr kleiner Geschosse wie Mörsergranaten weniger geeignet sind. Jedoch können mit den Raketen Flugzeuge, Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen bekämpft werden. Insofern trägt die Stationierung der Patriot-Abwehrraktensysteme in der Türkei maßgeblich zur Sicherheit der türkischen Bevölkerung bei und schützt vor der Gefahr einer militärischen Eskalation.
Patriot ist ein Defensivsystem. Dementsprechend ist das Einsatzgebiet für die Patriot ausdrücklich auf das türkische Territorium beschränkt – es umfasst nicht den syrischen Luftraum. Der deutsche Stationierungsort der Patriot liegt in ca. 100 km Entfernung zur türkisch-syrischen Grenze. Damit ist der Aktionsradius der Abwehrraketen sichtbar auf den türkischen Luftraum beschränkt, da die effektive Abwehrreichweite der Patriot bis zu ca. 70 km beträgt. Wichtig ist auch die Klarstellung, dass der Patriot-Einsatz unter dem NATO-Kommando steht und nicht, wie zwischenzeitlich spekuliert wurde, unter türkischem Kommando. Laut Mandat dürfen die Patriot nicht für die Einrichtung oder gar Durchsetzung einer Flugverbotszone eingesetzt werden. Hierzu wäre zwingend ein neues Mandat notwendig! Dies hat auch die Bundesregierung in den Beratungen zugesagt. Ebenso wenig gibt es meines Wissens Pläne die Patriot-Abwehrraketen bei einem Angriff auf den Iran anzuwenden.
Sollten die Meldungen, dass Saudi-Arabien verurteilte Mörder nach Syrien schickt, sich als wahr erweisen, so wäre dies schärfstens zu verurteilen.
Ich teile Ihre pauschalisierende Meinung zu der Politik der "EU/NATO USA + Israel" nicht, jedoch ist festzustellen, dass Außenpolitik immer eine Mischung von Interessens- und Wertepolitik ist und dass wir alle darauf achten müssen, dass ökonomische oder geostrategische Interessen nicht im Widerspruch zu den Grundwerten unserer Verfassung verfolgt werden. Ich kann Ihnen versichern, dass wir das auch tun.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Pflug