Frage an Johannes Pflug von Norbert Isa L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Pflug,
ein frohes neues Jahr, auch in diesem Jahr versuche ich ihnen ein paar Antworten abzuringen.
Die EU hat ja kürzlich den „Kriegsnobelpreis“, auf Grund von 60 Jahren Frieden, wie uns gesagt wurde, gewonnen. Mit keinem Wort wurde der Krieg in Jugoslawien, Kosovo erwähnt oder das sämtlich EU-Staaten auch in der Nato vertreten sind und einen Krieg nach dem anderen in der Welt anzetteln.
Die Politik der EU, die für die kriegsähnlichen Zustände in den einzelnen EU-Staaten verantwortlich ist, hat einst Wohlstand und Frieden versprochen. Schaut man sich die Realität an?
Wie ist zu erklären das selbst der Direktor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Yves Daccord, in einem Interview mit der dänischen Zeitung "Politiken" gesagt hat, seine Hilfsorganisation erwartet harte Jahre wegen der Wirtschaftskrise in Europa. Viele sind durch die radikalen Sparmass- nahmen in die Armut getrieben worden und diesen Menschen müsse die Organisation nun helfen. "Die nächsten zwei bis vier Jahre in Europa werden unserer Einschätzung nach sehr hart werden", und er warnt vor daraus resultierenden Aufständen? Klingt das nach einem friedlichen Zusammenleben in der EU?
Laut Eurostat leben 120 Mio. Menschen in der EU unter der Armutsgrenze, in D´Land jedes 6. Kind, selbst im Ruhgebiet sieht es in manchen Ecken wie in der 3. Welt aus.
Man wird täglich über den wahren Zustand in der EU angelogen, in D´land z. B. wird aus sinkenden Reallöhnen mit der Aussage: "Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken. Die Einkommensspreizung hat zugenommen." wurde nach der überarbeiteten Fassung des Armutsberichts ein "Ausdruck struktureller Verbesserungen am Arbeitsmarkt" gemacht.
Wie bitte möchten sie den Menschen erklären, dass die EU für die Europäischen Völker gut ist? Wenn alles nur erdenklich gegen die Menschen unternommen wird.
Hochachtungsvoll
Norbert Isa Leonhardt
Sehr geehrter Herr Leonhardt,
ich wünsche Ihnen ebenfalls alles Gute für das neue Jahr und bedanke mich für Ihre Frage!
Dass die Europäische Union im letzten Jahr den Friedensnobelpreis erhalten hat, hat sehr unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Denjenigen, die sich über den Preis freuten und die ihn angesichts 60 Jahre Frieden in Europa für gerechtfertigt halten, stehen diejenigen gegenüber, die kritisch auf Schwächen und Probleme in der Politik der EU hinweisen.
Ich möchte Ihnen kurz meine Meinung hierzu darlegen: Sicherlich haben Sie Recht, wenn Sie darauf aufmerksam machen, dass das Projekt der Europäischen Union zu Frieden und Wohlstand für die Menschen auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus beizutragen, mitnichten als vollständig erfolgreich erreicht bezeichnet werden kann. Es gibt durchaus noch vieles was im Argen liegt und was auch mir Kopfschmerzen bereitet. Sie sprechen beispielsweise die sich verschärfende Einkommensspreizung in Deutschland und anderen europäischen Ländern an. Dies ist ein großes Problem, das es unbedingt anzugehen bedarf! Die Schönung des Armutsberichts von Seiten der Bundesregierung ist ein Skandal! Die SPD möchte diese Bundesregierung ablösen und sich verstärkt dieser Problematik annehmen. Ebenso wenig bin ich mit allen Politikmaßnahmen einverstanden, die im Rahmen der Europäischen Union zur Bearbeitung der Finanz- und Wirtschaftskrise angewendet werden. Die einseitig auf Ausgabenkürzungen zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtete Haushaltskonsolidierung in den notleidenden europäischen Staaten hat die SPD wiederholt scharf kritisiert. Wir müssen die Priorität dringend auf wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung – und hier insbesondere auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland und Europa – setzen! Die SPD steht seit langem für die Forderung die unfertige Fiskalunion um eine stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Sozialunion zu ergänzen. Dies würde beispielsweise intelligent gestaltete, verbindliche Zielkorridore bei Steuern, Löhnen und Sozialausgaben in Europa bedeuten. Äußerungen, die vor sozialen Unruhen in Europa warnen, sollten zwar nicht dramatisiert, jedoch ernst genommen werden.
Was jedoch Ihre Meinung zu Kriegsverstrickungen europäischer Länder angeht, so stimme ich nicht mit Ihnen überein. Sicherlich wurden in den verschiedenen Interventionen im Rahmen von VN-, NATO- oder EU-Missionen auch Fehler begangen. Jedoch kann bei keiner dieser Einsätze davon die Rede sein, dass hier Kriege „angezettelt“ wurden. Es wurde vielmehr in bestehende Konflikte eingegriffen, um weiteres Leid zu verhindern.
Bei aller berechtigten Kritik an einzelnen Politiken der EU sollten wir nicht das Kinde mit dem Bade ausschütten. Wir dürfen nicht vergessen, mit welcher Ausgangslage das europäische Projekt gestartet ist und wo wir heute stehen. Nach unzähligen Kriegen zwischen europäischen Mächten und zwei von Deutschland verursachten grausamen Weltkriegen, ist heute ein Krieg zwischen diesen vormaligen Feinden unvorstellbar geworden worden. Und auch der Wohlstand der Menschen ist in den letzten 60 Jahren immens gewachsen, auch wenn wir sicherlich nun unser Augenmerk auf das Problem der starken Einkommensungleichheit richten müssen. Viel ist erreicht worden, vieles bleibt noch zu tun. Deshalb dürfen wir nicht den Kopf resigniert in den Sand stecken, sondern müssen wir stetig darauf hinarbeiten, dass die Ideale, mit denen das Projekt Europa angetreten ist, so weit als möglich verwirklicht werden. Ich möchte mit den Worten Thorbjörn Jaglands, Chef des Nobelkomitees, schließen, der in seiner Laudatio zum Nobelpreis sagte: "Europa muss vorwärts gehen. Es muss das Erreichte hüten und das Geschaffene verbessern. Nur so können wir die von der Finanzkrise geschaffenen Probleme zum Wohle aller lösen."