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Frage von Norbert Isa L. •

Frage an Johannes Pflug von Norbert Isa L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Pflug,

leider reagieren Sie überhaupt nicht auf meine Fragen bezüglich ESM. Trotz dass sie eine so überschaubare Menge an Fragen bekommen, werden noch nicht einmal ein paar unbequeme Fragen beantwortet.
Was ich noch gerne wissen würde, falls es in ihren Zeitplan passt. Laut der Internetseite des Bundestages steht nun fest, dass die Abstimmung zum ESM am 29.06.2012 erfolgen soll und der Bundesrat (*) soll in einer „Nacht und Nebel Aktion“ noch in der Nacht den ESM durchpeitschen. Wann bitte wird über die weitreichenden Ermächtigungen in dem ESM debattiert? Gibt es nicht normaler Weise eine 3 wöchige Beratungsfrist?
Am letzten Tag vor der Sommerpause sollen noch so umfangreiche Ermächtigung auf den Weg gebracht werden, wo sämtliche Abgeordnete schon in den Startlöchern für ihren Wohlverdienten Urlaub stehen. Wirklich demokratisch wäre es, wenn die Bevölkerung ordnungsgemäß aufgeklärt werden würde und dann mittels Volksendscheid über den ESM abstimmen würde. Ich hoffe sie wissen was sie den Nachfolgenden Generationen antun, wenn sie für den ESM stimmen sollten. Ermächtigungen wurden schon einmal in Deutschland eingeführt und was dann folgte kann man in den Geschichtsbüchern nachlesen.
Wenn der ESM kommen sollte und es einmal auf Grund dessen eine Neu Auflage der Nürnberger-Prozesse geben sollte, wird man sich an die Verantwortlichen, dank Internet erinnern können.
Mit freundlichem Gruß
N. I. Leonhardt

(*) http://www.bundesrat.de/cln_116/nn_6898/DE/service/thema-aktuell/12/20120615-Sondersitzung.html?__nnn=true

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Leonhardt,

vorneweg möchte ich Folgendes verdeutlichen: Einen Vergleich der aktuellen Europapolitik mit den Ermächtigungsgesetzen des dritten Reiches sowie den an-schließenden Hinweis auf die Nürnberger Prozesse halte ich nicht nur für bodenlos, sondern darüber hinaus für äußerst gefährlich. Solche Aussagen machen eine Antwort eigentlich unmöglich.

Generell aber gilt, dass ich Anfragen auf www.abgeordnetenwatch.de, die von interessierten und besorgten Bürgerinnen und Bürgern gestellt werden, gerne beantworte. Jedoch und zugleich möchte ich betonen dürfen, dass diese digitale Plattform nicht der bloßen eigenen Meinungsäußerung und einer eventuellen öffentlichen Profilierung dienen sollte.

Zu Ihren Bedenken gegenüber dem Euro-Stabilitätsmechanismus (ESM) bin ich in der Konsequenz freilich bereit, Ihnen meine entsprechende Position zu erläutern.

Dass Bundestag und Bundesrat am 29.06.2012 über den europäischen Fiskalpakt und den sogenannten ESM abstimmen, halte ich für richtig. Nicht jedoch würde ich die Abstimmung im Bundesrat Abstimmung als „Nacht-und-Nebel Aktion“ bezeichnen. Spätabendliche Sitzungen, die mitunter auch bis in die Nacht dauern können, sind aufgrund wichtiger Themen, die debattiert werden müssen, gängige politische Praxis und gehören somit zum Alltag eines Politikers. Mitnichten soll hier eine Abstimmung verschleiert werden, wie Sie es in Ihrer Anfrage unterstellen.

Ferner ist es zwar gerechtfertigt, dass es eine 3-wöchige Beratungsfrist gibt. Wie Sie aber der von Ihnen genannten Quelle, also der Homepage des Bundesrates, entnehmen können, ist, wenn es die Sachlage erfordert, ein Verzicht auf die Wahrnehmung dieses Zeitraums durchaus möglich, wenn nicht sogar geboten. Dass unseren Bürgerinnen und Bürgern dies überhastet erscheinen mag, kann ich verstehen. Aber: in Europa besteht Handlungsbedarf, zwei Monate Sommerpause sind lang und dieses Gesetz wird hier im politischen Berlin und auch in den Landeshauptstädten in allen entsprechenden Gremien bereits seit Beschlussfassung auf europäischer Ebene ausführlich erörtert. Den gewohnten Weg abzukürzen, erscheint an dieser Stelle erforderlich.

Seit geraumer Zeit wird über die Verhandlungen der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen mit der Regierung über Optimierung des Fiskalpaktes berichtet. Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist auf die Zustimmung der SPD angewiesen und wir haben immer gesagt: Für uns gibt es einen Spar-Pakt nur in Verbindung mit einem Wachstumspakt sowie der Finanztransaktionssteuer. Ein Kaputtsparen darf es nicht geben. Am vergangenen Donnerstag, den 21. Juni 2012 haben SPD und Grüne erreicht, dass sich Frau Merkel und ihre schwarz-gelbe Regierung beim umstrittenen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin weiter korrigiert und unsere SPD-Forderungen zu einem großen Teil umgesetzt werden. Soweit ich mir bislang einen Eindruck verschaffen konnte, können wir mit diesem Paket von einer reinen Sparpolitik wegkommen und das ist auch nötig: Wenn man 27 Mitgliedstaaten in Europa zeitgleich ausschließlich mit Sparpaketen belegt, ist klar, dass die Wirtschaft zusammenbricht und die Schulden eher größer als kleiner werden.

Sehr geehrter Herr Leonhardt, wie Sie sehen, ist die politische und parlamentarische Debatte in vollem Gange!

Zu ihrer Forderung nach mehr Aufklärung kann ich Ihnen im Grunde nur bei-pflichten: Ja, mehr Aufklärung ist wünschenswert! Allerdings ist in diesem Punkt nicht nur die Politik in der Pflicht. Seit Monaten wird medial über die europäische Finanzpolitik berichtet und diskutiert. In Zeitungen, Magazinen und im Internet, im Fernsehen und im Radio wird die Sachlage entsprechend ausführlich thematisiert. Die Vertragswerke sind sowohl auf den Interseiten der EU als auch der deutschen Politik zu finden – beispielsweise unter http://european-council.europa.eu/media/639244/04_-_tscg.de.12.pdf. Jeder Bundesbürger hat die Möglichkeiten sich zu informieren – nur: diese Möglichkeit muss auch wahrgenommen werden! Dies erfordert ein gewisses Maß an Eigeninitiative, und diese gehört zu einer Demokratie, die letzten Endes immer durch das Volk legitimiert ist, unabdingbar dazu. Wissen ist immer noch die beste Grundlage für sachliche Kritik!

Letzten Endes muss ich Ihrem Vorwurf widersprechen, dass die nachfolgenden Generationen schließlich diejenigen sein werden, welche unter der heutigen Politik leiden müssen:

Meine Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion und ich sind uns über die Vor- aber auch Nachteile des ESM bewusst. Statt für Blockade haben wir uns aber für konstruktive Mitarbeit entscheiden. Wir wollen daran arbeiten, dass Europa sich durch Sparmaßnahmen, aber auch vor allem durch wirtschaftliche Anreize von der Krise erholt. Deutschland braucht Europa, um seine wirtschaftliche Stärke zu behalten – eine Tatsache, die aufgrund ihrer enormen Bedeutung nicht oft genug betont werden kann. Erst dadurch wiederum sind wir in der Lage, nationale Probleme anzugehen. Eine Ablehnung des Fiskalpaktes ist eine Ablehnung der Europäischen Union und damit der Prosperität der Bundesrepublik Deutschland. Gerade dies würde die Chancen der folgenden Generation mindern.

Den vielfach befürchtete Angriff auf die Demokratie durch den ESM wird es kaum geben. Das Bundesverfassungsgericht hat mittlerweile mehrfach festgestellt, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestages ausreichend beteiligt werden müssen und darauf achtet die SPD ganz besonders. Die SPD hat daher auf ihrem Parteikonvent am Samstag, den 16. Juni 2012, mit großer Mehrheit einen Antrag beschlossen, der fordert, dass dem Bundestag und dem Bundesrat in Deutschland beim Fiskalpakt die gleichen Rechte wie bei Änderung und Umsetzung der Verträge der Europäischen Union eingeräumt werden. Nur ein starkes Europäisches Parlament und eine umfassende Beteiligung der nationalen Parlamente können sicherstellen, dass es nicht zu einem Rückbau der europäischen Demokratie kommt, indem immer mehr Entscheidungen allein von den europäischen Regierungen getroffen werden.

Sehr wichtig ist mir in jedem Fall noch, dass der Bund sich auch mit den Bundesländern einigt und verhindert wird, dass Städte wie Duisburg - die es ohnehin schon sehr schwierig bei der Haushaltssanierung haben - unter den Sparzwängen ersticken. Ohne eine Einigung zwischen Bundesregierung und Bundesländern gibt es keine Zustimmung der SPD. So viel steht fest.

In der jetzigen Sitzungswoche werden wir in der SPD-Bundestagsfraktion auch im Rahmen eines Fraktionsoffenen Abends sehr ausführlich über unserer Position zum Fiskalpakt diskutieren.

Sie können sicher sein: Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich dafür einsetzen, dass wir die Sanierung der öffentlichen Haushalte eben nicht den Schwächsten der Gesellschaft aufbürden. Auch hier müssen die Lasten sozial und gerecht verteilt werden.

Angesichts meiner dargelegten Position bleibt für mich in jedem Fall klar, dass wir nicht weniger, sondern mehr Europa brauchen. Nur mit einer starken EU wird Deutschland in einer immer stärker globalisierten Welt auch in Zukunft wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen.

Mit freundlichen Grüßen