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Frage von Isa L. •

Frage an Johannes Pflug von Isa L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Pflug,

ich habe Heute morgen lesen müssen, das die SPD demnach vermutlich auch Sie am 26.02.2010 der von CDU, CSU und FDP geforderten Truppenerhöhung der “Bundeswehr” um weitere 850 Soldaten in Afghanistan zustimmen. Das heißt Zustimmung zu einem weiteren “Isaf-Mandat”, einer abermals erweiterten Vollmacht des deutschen Militärs zu noch mehr Bomben, Morden und Vernichten.

Wie können Sie noch nachts ruhig schlafen? Mit dem Wissen das Sie durch Ihre Zustimmung Menschenleben auf dem Gewissen haben bzw. haben werden, da die sog. „Unfälle“ ( Kunduz u. am Wochenende die Provinz Dai Kundi mit 2-stelligen unschuldigen Opfern ) nicht plötzlich aufhören werden.

Stellen Sie sich vor wir hätten seit fast 30 Jahren durchgängig Krieg im Land, wie würden Sie sich fühlen in Bezug auf die Besatzung durch die Nato-Mitglieder? Ich kann nicht verstehen wie der SPD das alles egal sein kann, bitter erklären Sie es mir?

Der Bevölkerung wird durch Mainstream-Medien mit Propaganda gefüttert, das „Taliban“ Anschläge in Afghanistan verüben, derweil sind es meist Menschen die durch die Besatzung alles verloren haben ( Familie, Haus, Nahrung usw. ) könne Sie es da nicht nachvollziehen das diese Menschen einen drang haben sich zu wehren?

Selbst die ein UNO-Bericht gibt an, das unter der sog. Herrschaft der Taliban der Drogenanbau fast ausgerottet worden ist und seit dem die Nato im Land ist eine Rekordernte nach der andern eingefahren wird. Liegt da nicht der verdacht nahe, das es gar nicht um die Bevölkerung geht, sondern um Ressourcen ( Öl-Pipeline, Gas-Pipeline usw. )

Bitte erklären Sie mir, damit ich verstehen kann wie Sie bzw. die SPD darauf kommt das Deutschland in Afghanistan verteidigt werden muss? Kein Afghane hat je Deutschen Boden betreten und versucht seine Denkweise uns aufzuzwingen.

Die Sozialdemokraten haben es in den Niederlande vorgemacht, wie wäre es sich daran ein Beispiel zu nehmen?

Ich hoffe ich höre von Ihnen

Hochachtungsvoll

Isa Leonhardt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Leonhardt,

vielen Dank für Ihre Mail. Selbstverständlich stellen sich bei einem Engagement der Bundeswehr in Afghanistan moralische Fragen, die es zu beantworten gilt. Die größere Schwierigkeit liegt dabei allerdings in der Vertretung und Rechtfertigung der Antworten, die man auf diese Fragen findet. Die alte Weisheit, dass es auf eine einfache Frage eine einfache Antwort gibt, stellt sich in der Politik, insbesondere in der internationalen Politik, leider immer wieder als Trugschluss heraus. Auch wenn uns verschiedene Gruppen in diesem Land immer wieder etwas anderes suggerieren wollen.

Ich bin der Auffassung, dass wir mit unserem Versprechen, die afghanische Bevölkerung beim Wiederaufbau ihres Landes zu unterstützen, eine Verantwortung übernommen haben, an der wir unsere Glaubwürdigkeit messen lassen müssen. Bei der Unterstützung geht es insbesondere um den zivilen Wiederaufbau des Landes, welches lange Zeit unter der Herrschaft der Taliban gelitten hat. Die Grundlage des Wiederaufbaus muss jedoch eine stabile Sicherheitslage sein, da das Land andernfalls wieder ins Chaos zu stürzen droht. Aus diesem Grund ist es nötig, durch unsere militärische Präsenz den zivilen Wiederaufbau abzusichern und der afghanischen Bevölkerung zu helfen, selbst für ihre Sicherheit sorgen zu können. Wir können jedoch auch nicht auf ewig in Afghanistan bleiben. Das weiß die SPD und fordert deshalb einen Abzugskorridor für den Zeitraum 2013-2015.

Die Tanklaster-Bombardierung und die damit verbundenen menschlichen Tragödien haben uns alle betroffen gemacht - so etwas muss unter allen Umständen vermieden werden. Natürlich stellt sich im Zuge derartiger Vorfälle auch immer wieder die Frage neu, wie unser Engagement in Afghanistan zu bewerten ist. Leicht fällt die Entscheidung für einen solchen Einsatz ohnehin nicht. Dennoch halte ich es für falsch, eine derartige Entscheidung an tragischen Zwischenfällen auszurichten und dabei die positiven Entwicklungen aus den Augen zu verlieren, die im Rahmen unseres Engagements in Gang gesetzt wurden und welche die Situation gegenüber der sog. Taliban-Herrschaft deutlich verbessert haben. Dabei möchte ich die afghanische Verfassung nennen, die Frauen und Männern die gleichen Rechte einräumt. Weiterhin ist das Gesundheitswesen signifikant erweitert worden, so dass nun 85% der Afghanen über eine medizinische Grundversorgung verfügen und die Kindersterblichkeit deutlich zurückgegangen ist. Aber auch im Bildungswesen konnten Fortschritte erzielt werden. So gehen nun 85% der Jungen und 40% der Mädchen in eine Schule, von denen seit 2001 3.500 Stück eingerichtet wurden. Leider gibt es immer noch viel zu bewältigen. Der Drogenanbau, die Korruption und die daraus resultierende Misswirtschaft stellen schwerwiegende Probleme für die positive Weiterentwicklung Afghanistans dar. Hier müssen wir durch entschiedenes Engagement Einfluss nehmen und Alternativen für die Menschen schaffen. Zu Ihrem Verweis auf den Drogenanbau sei dabei noch erwähnt, dass die Produktion während der Taliban-Herrschaft keineswegs aus Afghanistan verbannt wurde. Vielmehr haben auch die Taliban vom Anbau profitiert. Die Produktionsmenge wurde von ihnen lediglich reguliert, um die Marktpreise für das Rohopium zu stabilisieren. Auch heute profitieren die Taliban immer noch von den Geldern aus dem Drogenanbau. Bis zu 40% der Einnahmen gehen an sie.

Im Zusammenhang mit der „Kundus-Affäre“ möchte ich noch anmerken, dass im Anschluss an das Bekanntwerden der genaueren Umstände in Deutschland äußerst verantwortungsbewusst mit dem Vorfall umgegangen wurde. So hat die SPD von der Bundesregierung und dem ehemaligen Verteidigungsminister Jung sowie von seinem Nachfolger von und zu Guttenberg eine umfassende Aufklärung gefordert. Da die Jung‘sche und Guttenberg‘sche Verschleierungspolitik das Vertrauen zwischen Bürger und Politik nachhaltig schädigt, ist die SPD im Besonderen ihrer demokratischen Verantwortung gerecht geworden, indem sie die beiden CDU-Granden zur Aufklärung der Affäre zwang. Weiterhin wird sowohl in der politischen als auch in der medialen Debatte der Sachverhalt thematisiert und konsequent aufgearbeitet. Daher kann ich Ihre Einschätzung nicht teilen, dass die Medien in Deutschland nicht ausgewogen über die Thematik berichten. Ganz im Gegenteil: Es wurde umfangreich über Hintergründe und Konsequenzen informiert, ohne Meinungen und Positionen auszublenden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position zum Afghanistan-Engagement darlegen. Zudem verweise ich noch auf einen Artikel in der „Berliner Stimme“. Dort setze ich mich ebenfalls mit dem Thema auseinander ( http://www.berliner-stimme.de/jahrgang-2010/berliner-stimme-03-2010-vom-13-februar-2010.pdf ).

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Pflug