Frage an Johannes Pflug von Stefan C. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Pflug.
Meine Frage bezieht sich zur aktuellen "Killerspiel" Debatte. Seit dem Amoklauf in Winnenden ist dieses Thema wieder in aller Munde. Ich selbst bin 25 Jahre, Vater eines 2 jährigen Sohnes und arbeite als Gesundheits-und Krankenpfleger. Ich spiele sehr gerne PC Spiele, auch jene die fälschlicherweise als "Killerspiele" bezeichnet werden. Was mich massiv stört ist, dass ich indirekt seitens der Politiker mit Kinderporno Konsumenten gleichgestellt werde, die Spiele gehören nicht in Kinderhände ganz klar, aber ein komplettes Verbot verhindert solche schrecklichen Taten nicht und die Spiele können nicht allein als Sündenbock herhalten. Die Probleme solcher Menschen liegen viel tiefer (Soziales Umfeld etc.). Meiner Meinung nach fühlt sich die Politik ratlos und ruft zur Hexenjagd aus, in den 90ern war es die Heavy Metal Musik und jetzt das. Aufklärungsarbeit wäre da viel Sinniger. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Halten Sie ein Verbot für sinnvoll?
Sehr geehrter Herr Chilla,
vielen Dank für Ihre Mail vom 7. Juni. Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion keine Vermischung der Debatten über gewaltverherrlichende Computerspiele auf der einen Seite und den neuen Regelungen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet auf der anderen Seite stattfindet. Diese Themen sind auch nicht miteinander vergleichbar, da wir uns einmal im Bereich des Jugendschutzes und einmal im Bereich der Strafverfolgung befinden. Daher möchte ich Ihnen gerne meine Positionen zu jeweils beiden Problematiken darlegen.
Zur Thematik gewaltverherrlichend Computerspiele: Die Innenminister der Länder haben als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden am 01. März 2009 unter anderem beschlossen, für „Spiele, bei denen ein wesentlicher Bestandteil der Spielhandlung die virtuelle Ausübung von wirklichkeitsnah dargestellten Tötungshandlungen oder anderen grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen ist (Killerspiele), ein ausdrückliches Herstellungs- und verbreitungsverbot so schnell wie möglich umzusetzen“:
Denn ein wirksamer Jugendmedienschutz ist und bleibt ein zentrales Ziel der Jugend-, Familien und auch Medienpolitik der SPD-Bundestagsfraktion. Wir haben in der Vergangenheit wiederholt politische Debatten über Computerspiele geführt. Anlass waren dabei tragische Amokläufe von jungen Menschen, die von vielen Diskussionen begleitet worden sind und große gesellschaftliche Betroffenheit ausgelöst haben. Es geht dabei um mehrere Themenkomplexe: um das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in der Schule, um die notwendige Anerkennung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, um ihre Perspektiven, um Prävention und Bekämpfung von Jugendgewalt, um die Verantwortung von Eltern und Pädagogen,um Fragen von Medienkompetenz und Jugendmedienschutz sowie um den Zusammenhang zwischen schlechten Schulleistungen und Medienkonsum. Ich teile allerdings Ihre Auffassung, dass die mancherorts geführte Debatte bezüglich noch weitergehender Regelungen bei besonders gewalthaltigen Computerspielen (die Verwendung des Begriffs „Killerspiel“ lehne ich ab) problematisch ist, weil sie zu kurz greift. Gewaltverherrlichende Computerspiele fallen bereits heute unter das Verbot des § 131 StGB.
Im Jahr 2003 wurde der Tatbestand des § 131 Abs. 1 StGB übrigens auf die Darstellung von Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen erweitert und damit das Strafrecht an dieser Stelle auch in Bezug auf Computerspiele und die dort typischen Simulationen ergänzt. Die Forderung nach einer Einführung eines Verbotes sogenannter „Killerspiele“ übersieht die geltende Rechtslage. Hinzu kommt, dass nicht weniger bedeutsame Aspekte eines wirksamen Jugendmedienschutzes den verantwortungsvollen Umgang mit den Medien und die hierfür notwendige Medienkompetenz umfassen müssen.
Festzuhalten bleibt, dass Verbotsdiskussionen allein viel zu kurz greifen. Nicht Gesetzeslücken verhindern die Strafverfolgung, sondern die mangelnde Anwendung der gesetzlichen Möglichkeiten. Jedem Bundesland bleibt es daher selbst überlassen, durch entsprechende Personalausstattung der Strafverfolgungsbehörden eine härtere Verfolgun zu ermöglichen. Dies ist sinnvoller als regelmäßige Verbotsdebatten.
Im Vordergrund unserer Bemühungen zur Umsetzung eines wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutzes steht die Förderung und Stärkung von Medienkompetenz in Familien stehen, deren Notwendigkeit die Evaluation des Hans-Bredow-Institutes deutlich machte. Die Medienkompetenz muss aber auch im Kindergarten, in der Schule und in der Jugendarbeit gestärkt werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen wichtig. In Kitas und Schulen können Kinder Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen und wertvolle Erfahrungen machen, die sie vor Vereinsamung und Gewalt schützen.
Bei allen bestehenden Problemen mit so genannten „Killerspielen“ und dem Wunsch, diese einzudämmen, dürfen wir nicht vergessen, dass für einen modernen Kinder- und Jugendschutz die Medienerziehung sowie die Medienverantwortung sehr bedeutsam sind. Es geht jedoch nicht nur um Medienerziehung. Die hier problematisierten Computerspiele propagieren in der Regel einfache Rollenmuster (starke Helden, autoritäres Durchsetzen, Gewalt als legitimes Mittel, Frauen als Objekte etc.). Daher sind alle pädagogischen Alltagsbereiche gefragt, um andere Problemlösungskompetenzen vermitteln. Darüber hinaus ist eine ehrliche Diskussion über die Situation in den Schulen aber auch in den Familien nötig. Leider haben viele Bundesländer eine äußerst geringe Ausstattung mit Schulpsychologinnen und -psychologen. Es darf nicht sein, dass Eltern, Geschwister, Nachbarschaft, Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrerinnen und Lehrer nicht reagieren, wenn Kinder und Jugendliche oft tagelang in die Parallelwelt der Computerspiele abtauchen. Von Seiten der Wissenschaft wird immer wieder – zu Recht – eine „Kultur des Hinsehens“ gefordert.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass insgesamt der Anteil an Computerspielen, welche als für Kinder und Jugendliche gefährlich eingestuft werden müssen, geringer ist, als es in der öffentlichen Diskussion den Anschein hat. Die positiven Möglichkeiten der Nutzung von Computer und Internet müssen hingegen unterstützt werden. Ich spreche mich für eine differenzierte Diskussion aus, in der nicht Spielerinnen und Spieler pauschal als “Killerspieler“ stigmatisiert werden. Das heißt für uns aber auch, vor den bestehenden Problemen die Augen nicht zu verschließen. Aus diesen Gründen begrüße ich es, dass sich auch immer mehr Spielerinnen und Spieler selbst unter anderem mit der Aktion „Ich wähle keine Spielekiller“ für solch eine differenzierte Diskussion einsetzen.
Zur Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen: Ich bin überzeugt, wir alle wollen einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan ein umfassendes Konzept mit konkreten zusätzlichen Maßnahmen vorgelegt. Eine unserer Kernforderungen lautet, dass die Strafverfolgungsbehörden dauerhaft personell und technisch gut ausgestattet sind und die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden weiter gestärkt wird.
In den vergangenen Jahren haben wir zudem bereits das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt. Der Kampf gegen Kinderpornografie hat viele Facetten, die sich ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Unabhängig von der Frage, ob der Missbrauch von Kindern selbst zugenommen hat, stellt sich zunehmend das Problem der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten im Internet. Dies liegt an den Besonderheiten des Internets, in dem auch rechtswidrige Inhalte schnell verbreitet und anonym sowie ohne soziale Kontrolle konsumiert werden können.
Die Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet ist deshalb ein wichtiges Thema. Das dürfte weitgehend unbestritten sein. Auch ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Ein rechtswidriges Verhalten dort kann selbstverständlich strafbar sein oder zivilrechtlich verfolgt werden. Fraglich ist letztlich, mit welchen Maßnahmen die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet angemessen, rechtsstaatlich sauber und möglichst effektiv verhindert oder zumindest erschwert werden kann. Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornografie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Ein solcher direkter Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Nur deshalb stellt sich die Frage nach Zugangssperren. Es geht hierbei aber nicht um eine Internetzensur – es geht um die Bekämpfung krimineller Handlungen in einem ganz besonders gelagerten Fall.
Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu erschweren. Uns ist bekannt, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen. Mit dem nun beschlossenen Gesetz wurde der ursprüngliche Gesetzentwurf ganz wesentlich überarbeitet und verbessert, wobei die SPD-Bundestagsfraktion ihre wichtigsten Änderungsvorschläge in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchsetzen konnte. Wir haben damit auch die wesentlichen Kritikpunkte, die sich aus der Bundestagsanhörung und der Stellungnahme des Bundesrates ergeben haben, positiv aufgegriffen. Hervorzuheben sind: Erstens, die Regelung kodifiziert den Grundsatz „Löschen vor Sperren“. Zweitens, die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Drittens, das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Viertens, die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Fünftens, die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden.
Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren. Diese Regelungen stehen in keiner Verbindung zu den erwähnten Beschränkungen von gewaltverherrlichenden Computerspielen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Pflug