Wie sieht der Vorschlag der Union für ein faires Wahlrecht aus?
Sehr geehrter Herr Wadephul,
Sie wollen die Wahlrechtsreform rückgängig machen. (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-12/union-ruecknahme-wahlrechtsreform-koalitionsbedingung)
Jedoch überzeugt Ihr Vorschlag, lediglich die Wahlkreise zu verringern, überhaupt nicht, da er nicht das grundlegene Problem löst, dass sich der Bundestag durch Überhang- und Ausgleichsmandate übermäßig vergrößern kann. Das ist, wenn überhaupt, nur Symptombehandlung und verschiebt dieses Problem in die Zukunft. Außerdem hätten größere Wahlkreise praktisch einen ähnlichen Effekt wie nicht besetzte kleinere Wahlkreise.
Wie will die Union folgende Ziele miteinander vereinbaren: Keine unausgeglichenen Überhangmandate; Sicherstellung der Regelgröße des Bundestags; Strikte Darstellung des Zweitstimmenverhältnisses?
Teilen Sie die Auffassung, dass gewählte Direktkandidaten keine Gesandten oder Repräsentanten Ihres Wahlkreises, sondern Vertreter des gesamten Volkes (Art. 38 GG) sind?
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Frage zur Wahlrechtsreform.
Der Bundestag muss kleiner werden. Darüber herrscht Einigkeit. Jedoch nicht abschließend über das Wie. Unser Ziel bestand darin, diese Reform gemeinsam mit der inzwischen zerbrochenen Ampel-Regierung zu erreichen, getragen von einer breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag.
Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatten wir darum im Verlauf der Wahlperiode den Ampel-Parteien angeboten, eine gemeinsame Reform des Wahlrechts auf den Weg zu bringen. Dazu hatten wir im Januar 2023 einen eigenen Antrag vorgelegt, den Sie auch unter der Drucksache 20/5353 einsehen können.
Die von mir erwähnte Verringerung der Anzahl an Wahlkreisen ist dabei nur einer von mehreren Vorschlägen gewesen, die wir in diesem Antrag formuliert haben.
Die Ampel hat unsere Vorschläge jedoch abgelehnt und stattdessen ein Wahlrecht verabschiedet, das im Juli durch das Bundesverfassungsgericht in Teilen für verfassungswidrig erklärt wurde. Die Beibehaltung einer 5%-Sperrklausel erfordert die Beibehaltung der Grundmandatsklausel, nach der eine Partei auch dann in den Deutschen Bundestag einzieht, wenn sie 5 % der Wählerstimmen nicht erreicht, aber in mindestens drei Wahlkreisen das Direktmandat erzielt. Der Versuch der Ampel, politische Konkurrenten mithilfe des Wahlrechts auszuschalten, ist damit vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Das von uns ebenfalls kritisierte „Zweitstimmendeckungsverfahren“ wurde vom Bundesverfassungsgericht für vereinbar mit dem Grundgesetz angesehen. Wir als CDU/CSU-Fraktion sind jedoch weiterhin der Auffassung, dass die Streichung von Überhangmandaten, die vom Zweitstimmenergebnis nicht gedeckt sind, das Direktmandat entwertet und damit das Grundprinzip der demokratischen Repräsentanz Schaden nimmt. Wenn fortan der Wahlkreiskandidat mit den meisten Stimmen nicht mehr in den Bundestag einziehen kann, stattdessen aber ein Listenkandidat, der bei weitem nicht so viele Stimmen erhalten hat, ist das gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern kaum vermittelbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil den Gesetzgeber aufgefordert, die Details der 5- %-Sperrklausel und der Grundmandatsklausel neu zu regeln. Angesichts der vorgezogenen Neuwahl besteht jedoch nicht mehr ausreichend Zeit, gemeinsam eine umfassende Wahlrechtsänderung vorzunehmen, die beide Ziele erreicht, nämlich die Verkleinerung des Deutschen Bundestages auf rund 600 Mandate und die Wahrnehmung der gewonnenen Wahlkreismandate ohne weitere Bedingungen. Darum werden wir als CDU/CSU-Fraktion die Änderung des Wahlrechts in der neuen Wahlperiode nochmals auf die Tagesordnung setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Johann Wadephul