Frage an Johann Wadephul von Frank W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr.Wadephul,
vielen Dank für Ihre Antwort auf meine letzte Frage.
Heute erfuhr ich von einem Abkommen zwischen Deutschland und mehreren Ländern bezüglich der Mitversicherung von Familienangehörigen im Ausland.
"Durch Anfragen der CDU-Abgeordneten Martin Hohmann (Januar 2003) und Erika Steinbach (April 2003) im Deutschen Bundestag kam es hochoffiziell ans Licht: Familienmitglieder von in Deutschland krankenversicherten Türken und Bürgern aus dem ehemaligen Jugoslawien erhalten Leistungen der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), selbst wenn diese Angehörigen in ihren Heimatländern leben."
Das erstaunt mich sehr.
Gibt es Bestrebungen seitens der CDU dieses Abkommen zu ändern/kündigen? Welche Vorteile sieht die Politik der CDU in der Aufrechterhaltung solcher Abkommen? Wieso dürfte ich meine Eltern nicht mitversichert wissen? Eltern ausländischer Mitbürger sind es. Und abschließend: Wie hoch sind die Kosten für die hier zahlenden Mitglieder einer GKV durch das genannte Abkommen?
Das sind vier Fragen.
Ich freue mich auf Ihre Antworten.
Mit freundlichem Gruß aus Rendsburg,
Frank Weisner
Sehr geehrter Herr Weisner,
für Ihre E-Mail vom 17. Oktober 2010, in dem Sie die Regelungen zur Krankenversicherung der im Heimatstaat lebenden Eltern ausländischer Arbeitnehmer kritisieren, danke ich Ihnen.
Ihre vier Fragen beantworte ich wie folgt:
1.) Gegenwärtig gibt es in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion keine Bestrebungen die Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei und den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens zu kündigen. Zwar wäre dies unter Beachtung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderjahres möglich, doch hätte dies auch für deutsche Arbeitnehmer wesentliche Nachteile. Denn im Verhältnis zu diesen Staaten bedeutete dies einen vertragslosen Zustand im Bereich der Sozialen Sicherung.
2.) Derartige Regelungen entsprechen der allgemeinen Praxis sowohl des zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechts als auch des überstaatlichen Sozialversicherungsrechts. Sie hat ihren Grund darin, dass die Beiträge der Versicherten in aller Regel nicht nur der Abdeckung des eigenen Krankenversicherungsschutzes dienen, sondern zusätzlich auch der Abdeckung des Schutzes der nicht erwerbstätigen Familienangehörigen. Die Erstattung der Kosten erfolgt durch die deutsche Krankenversicherung mittels kalenderjährlich zu vereinbarenden monatlichen Pauschalbeiträgen pro Familie.
Bei einer Kündigung der Abkommen würden in diese Staaten von ihren Arbeitgebern vorübergehend entsandte deutsche Arbeitnehmer auch wieder der dortigen Sozialversicherungspflicht unterliegen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten somit doppelte Beitragslasten in Deutschland und im Beschäftigungstaat zu tragen. Weiterhin würde für in diese Staaten entsandte Arbeitnehmer einschließlich ihrer Familienangehörigen sowie für Touristen, die sich vorübergehend in diesen Staaten aufhalten, der Versicherungsschutz der deutschen Kranken- und Unfallversicherung nicht mehr bestehen. Sie würden damit im Falle der Erkrankung nicht mehr aushilfsweise medizinische Leistungen durch den Krankenversicherungsträger am Aufenthaltsort erhalten. Schließlich sehen die Sozialversicherungsabkommen verschiedene Regelungen im Bereich der Rentenversicherung vor, deren Wegfall für die betroffenen Arbeitnehmer von Nachteil wäre.
3.) Eltern eines Versicherten mit Wohnsitz in der Türkei, Bosnien und Herzegowina oder in Serbien und Montenegro sind nur dann ausnahmsweise anspruchsberechtigt, wenn sie nicht ohnehin leistungsberechtigt nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates aufgrund einer eigenen Versicherung oder der Versicherung einer anderen Person sind und wenn der Versicherte ihnen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist. Insofern besteht hier in der Tat eine Ungleichbehandlung gegenüber den in Deutschland lebenden Eltern von GKV-Versicherten.
Allerdings können die Eltern, die die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nach deutschem Recht nicht erfüllen, bei einem Besuch in Deutschland keine Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft zulasten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen. Es gilt insoweit das deutsche Recht.
Im umgekehrten Fall, wenn z. B. ein deutscher Arbeitnehmer in der türkischen Krankenversicherung versichert ist und seine Familienangehörigen in Deutschland wohnhaft sind, erfolgt kein pauschales Abrechnungsverfahren. Der deutschen Krankenversicherung sind für die Betreuung der Familienangehörigen die im Einzelfall tatsächlich der GKV entstandenen Behandlungskosten von der türkischen Krankenversicherung zu erstatten.
4.) Für das Jahr 1999 (letzter abgerechneter Zeitraum) belief sich der vereinbarte monatliche Pauschalbetrag für die Betreuung einer Familie in der Türkei auf umgerechnet 17,75 €. Im Vergleich dazu betrugen im Jahre 2001 die durchschnittlichen monatlichen Behandlungskosten für in Deutschland lebende GKV-Mitglieder rund 213 €.
Aus der Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion überwiegen bei einer genauen Abwägung des Sachverhaltes die geschilderten Nachteile, die mit einer kurzfristigen einseitigen Kündigung der Sozialversicherungsabkommen durch die Bundesrepublik Deutschland verbunden wären, die negativen Folgen der kritisierten Regelungen über die Mitversicherung der Eltern ausländischer Arbeitnehmer deutlich. Insbesondere die Ungewissheit über den zukünftigen sozialen Sicherungsschutz im Ausland nach einem ersatzlosen Außerkrafttreten der Abkommen stünde weder unter finanziellen Gesichtspunkten noch unter Gerechtigkeitsaspekten in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen einer solchen Maßnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Johann Wadephul