Frage an Jörn Frommann von Meike R. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Frommann,
ich möchte mich für die Beantwortung meines Briefes an Sie (Abgeordnetenwatch-Eintrag vom 2.9.2005) betreffend des geplanten Tamm-Museums bedanken. Ich weiß zu schätzen, dass Sie sich für Kulturpolitik Zeit nehmen – schließlich ist es gar nicht Ihr Ressort. Leider habe ich den Eindruck, dass Sie meinen Brief nicht wirklich gelesen haben. Ihr Antwortschreiben ist der Standardbrief, der vom kulturpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Dietrich Rusche, im Rahmen von „Künstler informieren Politiker“ (KiP) http://www.tamm-tamm.info/ verfasst wurde. In diesem werden alle Bedenken, die die 127 Hamburger Künstler gegen das Tamm-Museum aufführen, als gegenstandslos abgetan. Der Brief, den viele der CDU-Paten bekommen haben, unterstellt, dass wir die Sammlung nicht kennen würden, und darum fälschlich behaupteten, die Sammlung verherrliche die NS-Zeit.
Als erstes möchte ich klarstellen: Ich kenne Peter Tamms Sammlung in der Elbchaussee 277 – ich habe sie mir über zwei Stunden lang angeschaut. (Vgl. http://news.web-hh.de/tamm.php?newsfull=1&lid=826) Ich habe mich mit Peter Tamm ausführlich befasst. Darum bin ich sicher, dass die Sammlung, wird sie in der bisher geplanten Form eröffnet, ein Wallfahrtsort für Militaria-Liebhaber und Rechtsradikale wird. Herr Frommann, Sie kennen die Sammlung nicht – sonst hätten Sie nicht kritiklos den Standpunkt von Herrn Rusche übernommen. Der kennt Sie vermutlich auch nicht. Genau darum wurde die KiP ins Leben gerufen – wir haben die Mission, diesen Informations-Notstand zu beseitigen. Sie als mein Patenkind haben quasi das ganz große Los gezogen. Ich komme der Verantwortung, Sie über Peter Tamm und den wahren Charakter seiner Sammlung zu unterrichten, gern nach. Hier mein zweiter Versuch. Mir ist daran gelegen, Sie als Mitglied der Bürgerschaft davon zu überzeugen, dass das Museum in seiner jetzigen Form verhindert werden muss. Eine weltoffene und demokratischen Prinzipien verpflichtete Stadt wie Hamburg kann sich das Tamm-Museum nicht leisten.
Die von CDU, SPD sowie teilweise der GAL vertretene Ansicht, dass das Museum eine Zierde für Hamburg wird, teilen im übrigen immer weniger Menschen. Ich liste Ihnen die Beiträge aus Radio, TV und Zeitschriften auf, die kritisch über die Person Peter Tamm und das geplante Museum in der HafenCity berichten. Die Presse hat ein Problem damit, dass die Bürgerschaft dem Besitzer von Hamburgs größter Hakenkreuz-Sammlung ein mit Steuergeldern gefördertes Museum zur Verfügung stellt:
Süddeutsche Zeitung: Hymnen auf die Kriegsmarine? http://news.web-hh.de/tamm.php?lid=703
Deutschlandfunk: "Keine Distanz zur Hitler-Zeit" http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/423451/
Mopo: Nach dem Bürger wurde nicht gefragt http://news.web-hh.de/tamm.php?lid=694
Frankfurter Rundschau: Museumsquerelen in Hamburg http://news.web-hh.de/tamm.php?lid=787
NDR Fernsehen: Staatsgelder für die Kriegsverherrlichung? http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID1445346,00.html
Junge Welt: Tamm-Tamm in der Hafencity http://news.web-hh.de/tamm.php?lid=791
Taz: Torpedos oder Gartenzwerge http://news.web-hh.de/tamm.php?newsfull=1&lid=843
Taz: 30 Millionen für Maritim-Museum http://news.web-hh.de/tamm.php?lid=772
Taz: Pas de dezx für Tamm http://news.web-hh.de/tamm.php?lid=522
Taz: Museum ohne Ethos http://news.web-hh.de/tamm.php?lid=792
(Die Tatsache, dass die lokale Springer-Presse Herrn Tamm und seine Sammlung feiert, dürfte damit zusammen hängen, dass Peter Tamm bis 1991 Vorstandsvorsitzender des Medienkonzerns war. Ich erlaube mir daher, diese Artikel nicht aufzuführen.)
Sie schreiben, dass die Bürgerschaft ausreichend über den Charakter der Sammlung informiert war. Im Widerspruch dazu steht die Tatsache, dass es bis heute nicht mal eine Bestandsliste der Exponate aus Tamms Privatsammlung gibt. Und das Museums-Konzept, dass Sie für ausreichend erachten, besteht lediglich aus sieben Themen-Schwerpunkten. Es gibt keine konkreten, detaillierten Konzepte für die Bespielung von über 15.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Ein solches Umgehen mit Steuergeldern ist – gelinde ausgedrückt - unseriös.
Sie schreiben mir, dass ein Museum die Zeit zwischen 1933-1945 nicht aussparen darf. Sie sei Teil deutscher Geschichte. Ich teile diese Ansicht. Sie behaupten weiter, dass die wissenschaftliche Aufbereitung der Exponate durch einen fachlich versierten Beirat gesichert sei. Selbstverständlich würden die Exponate in einem wissenschaftlich objektiven Zusammenhang präsentiert. Ich denke, dass die derzeitige Struktur des Public-Private-Partnership Abkommens zwischen der Stadt und Peter Tamm dies unmöglich macht. Wie soll der wissenschaftliche Beirat, bestehend aus nur drei Personen, die Aufgabe bewältigen, rund 26.000 Schiffsmodelle, 40.000 Konstruktionspläne von Schiffen, 5.000 Gemälde und Grafiken, mehr als 2.000 Filme, 1.500.000 Fotografien, 120.000 Bücher und zahlreiche Objekte wie nautische Geräte, historische Uniformen, NS-Ehrenzeichen und Waffen (vgl. Senatsdrucksache zum Tamm-Museum 17/3986) zu sichten und angemessen aufzubereiten?
Und vor allem: der Beirat verfügt über keinerlei Stimmrecht. Peter Tamm darf Empfehlungen des Rates ignorieren. Das geplante „Internationale Schifffahrtsmuseum” ist laut Vertrag ein Privatmuseum – die Stadt bezahlt lediglich durch die Überlassung und die 30 Millionen-Euro-Renovierung des Kaispeichers B.
Peter Tamm und von ihm eingesetzte Mitarbeiter spreche ich die Fähigkeit der wissenschaftlichen Objektivität ab, da Herr Tamm politisch am rechten Rand zu Hause ist. Tamm ist unter anderem Eigentümer des Koehler-Mittler Verlags, der bekannte Rechtsradikale wie Franz Uhle-Wettler (vgl. http://lexikon.idgr.de/u/u_h/uhle-wettler-franz/uhle-wettler-franz.php ) oder Hans Georg Prager ( http://www.taz.de/pt/2005/06/16/a0295.nf/text.ges,1 ) herausgibt. Das Verlagsprogramm ist dominiert von seeromantischer oder kriegs- und militärfixierter Literatur.
Gisela Jaacks, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte und in dieser Funktion in dem informellen Beirat für das Tamm-Museum vertreten, nimmt dazu folgendermaßen Stellung: "Der Verlag Koehler-Mittler hat einen sehr deutlichen Schwerpunkt im Nationalistischen, der von einer demokratischen staatlichen Stelle nicht so ohne weiteres gutgeheißen werden kann." (in: Till Briegleb, Süddeutsche Zeitung, 17.09.2005)
Es ist mir ein Rätsel, warum die Stadt Hamburg eine Person wie Peter Tamm mit einem Museum ehrt. Noch unverständlicher ist mir, warum die Bürgerschaft Peter Tamm vertraglich festgelegt zum alleinigen Herrscher über das Museum gemacht hat. Herrn Tamm und seinen Mitarbeitern fehlt es an demokratischem Grundverständnis sowie an wissenschaftlicher Qualifikation, um ein solches Museum einzurichten und zu führen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass der Professoren-Titel, mit dem Tamm sich schmückt, eine Geschenk der ex-CDU/Schill-Kultursenatorin Dana Horakowa ist. Sein derzeitiges Privat-Museum führt den Namen „Wissenschaftliches Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte“. Wissenschaftlich aufbereitet und kontextualisiert ist nicht ein einziges Exponat der Sammlung. Gemälde wie NS-Orden hängen einfach so herum beziehungsweise sind weihevoll in Vitrinen ausgestellt.
Hinzu kommt, dass die Finanzierung des Museums-Betriebes in der HafenCity nicht gesichert ist. Dafür muss laut Vertrag Peter Tamm bzw. seine Stiftung aufkommen. Man ist auf Spenden angewiesen. Nicht zuletzt Dank der KiP-Initiative wird der wahre Charakter der Tamm-Sammlung langsam sichtbar. Kaum ein vernünftiges Unternehmen wird einen PR-Gau riskieren und die Sammlung öffentlich sponsorn. Und wer wird dann einspringen, um den Betrieb des erwünschten „kulturellen Magneten“ der HafenCity zu sichern? Am Ende vermutlich wieder die Stadt. Ich bin der Meinung, dass man Steuergelder sinnvoller einsetzen kann. Man darf auch nicht vergessen, dass es längst hanseatische öffentliche Museen gibt, die Schifffahrtsgeschichte und Seestücke ausstellen, unter anderem die Museum für Hamburgische Geschichte oder die Kunsthalle.
Darum wiederhole ich meine Forderungen aus meinem ersten Schreiben an Sie, die Museumsgründung, wenn diese nicht rückgängig gemacht werden kann, so doch wenigstens durch die wissenschaftliche Begleitung abzusichern. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass das Museumskonzept transparent und nachvollziehbar gestaltet wird. Treten Sie dafür ein, dass der informelle Beirat ein Stimmrecht bekommt.
Nehmen Sie sich die Zeit, Herrn Tamms Institut in der Elbchaussee 277 zu besuchen. Machen Sie sich selbst ein Bild. Hier die Telefonnummer zwecks Terminabsprache: 040-040/82 13 41.
Mit freundlichen Grüßen,
Meike Richter
Sehr geehrte Frau Richter,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage.
Sie haben recht, wenn Sie meinen, dass ich die allgemeine Antwort meines Kollegen Herrn Rusche mit in meine Antwort einbezogen habe. Dies geschah vor allen Dingen deshalb, weil ich der Überzeugung war, dass er die vielen Aspekte gut abhandelt.
Sicherlich haben mich Ihre erneuten Argumente weiter zum Nachdenken gebracht. Ich werde daher in den kommenden Wochen versuchen, die Angelegenheit noch ein bisschen zu recherchieren. Ich bitte um Verständnis, dass mir z.B. ein kurzfristiger Besuch des Museums und eine kurzfristige Antwort nicht möglich sein wird. Ich werde mich aber bei Ihnen melden, sobald ich aussagefähig bin.
Mit besten Grüßen
Jörn Frommann