Frage an Jörg von Polheim von Uwe N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Polheim,
die Medien berichten wiederholt über die Ablehnung des UN-Abkommens gegen Korruption durch die Koalitionsparteien des Bundestages. Bitte nennen Sie mir Ihre persönlichen Gründe oder die Begründung des Fraktions-Vorsitzes für das ablehnende Votum. Alternativ benennen Sie mir bitte, falls überhaupt zutreffend, die gravierenden Defizite dieses Abkommens welche eine Zustimmung zu dem Abkommen in der aktuellen Version verhindern.
Mit freundlichen Grüßen,
Uwe Neuholz
Sehr geehrter Herr Neuholz,
Zunächst kann ich Ihnen sagen, dass die BRD die UN-Konvention gegen Korruption unterschrieben hat am 9. Dezember 2003. Nachlesen können Sie das auf der Seite der United Nations Office on Drugs and Crime ( http://www.unodc.org/unodc/en/treaties/CAC/signatories.html ).
Jedoch fehlt die Ratifizierung dieser Konvention, die nach Art 59 Abs. 2 Satz 1 GG für völkerrechtliche Verträge erforderlich ist. Eine solche Umsetzung ins nationale Recht erfolgt nach Art 59 Abs. 2 durch die Verabschiedung eines Bundesgesetzes. Sicherlich wurden Sie auf dieses Problem angesprochen.
Zur Klarstellung möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Abgeordnetenbestechung in Deutschland nach § 108e StGB strafbar ist und es in der Diskussion um eine Verschärfung der Strafbarkeit geht.
Der Hintergrund der fehlenden Ratifizierung ist folgender:
In der Tat hängt das mit dem rechtlichen Status des Abgeordneten zusammen. Die strafrechtlichen Regelungen nach § 331 StGB (Vorteilsannahme) und 332 StGB (Bestechlichkeit) gelten zwar für einen Amtsträger bzw. für einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten. Diese Straftatbestände gelten jedoch nicht für MdB. Frei gewählte Abgeordnete können nämlich nicht mit Beamten oder beamtenähnlichen Personen gleichgesetzt werden. Denn anders als bei Beamten besteht kein klarer Pflichtenkreis für MdB. Somit ist es auch strafrechtlich sehr schwierig konkrete Diensthandlungen zu bestimmen bzw. Verletzungen von Dienstpflichten festzustellen. Zudem kann und darf der Abgeordneten nach dem GG (Art.38) im Gegensatz zu einem Beamten auch völlig einseitig Interessen vertreten. Regelmäßig setzen sich MdB in ihrem Wahlkreis konkret für die Belange der Wähler ein (z.B. Erhalt einer öffentlichen Einrichtung in dem Wahlkreis). Nach der UN-Konvention würden sich die MdB dann strafbar machen, wenn ihm die Bürger dafür ihre Stimme versprechen. Das kann natürlich nicht sein.
Ein möglicher Tatbestand, wie ihn Grüne und Linke fordern (zuletzt DIE LINKE, 17/1412; GRÜNE 16/6726) wäre wegen fehlender Klarheit und diverser unbestimmter Rechtsbegriffe verfassungsrechtlich angreifbar. Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe könnte zu unklaren Ergebnissen führen (z.B. „rechtswidriger Vorteil liegt vor, wenn seine Verknüpfung mit der Gegenleistung als verwerflich anzusehen ist“, hier ist unklar wie „verwerflich“ zu definieren ist).
Es ist nicht möglich, MdB strikt und objektiv nur dem Allgemeinwohl unterwerfen zu wollen, da es ein solches nicht gibt, sondern höchstens einen Durchschnitt aller Einzelinteressen. Um einen solchen dienen zu wollen, müssten alle MdB ein gleiches durchschnittliches Gesamtinteresse vertreten und dürften niemals Interessen einzelner Interessengruppen im Blich haben. Wenn sie gar selber zu einer Interessengruppe gehören, dürften sie nach dieser Logik keinem Gesetz mehr zustimmen, dass sie zwar für richtig halten, dass sie aber am Ende begünstigt.
Sehr hilfreich ist auch die Begründung "unseres" Gesetzentwurfs (Seite 5 oben), in dessen Folge 1994 der geltende § 108e StGB (Abgeordnetenbestechung) eingeführt wurde (BT-Drs. 12/5927), den die SPD übrigens gleichlautend übernommen hat (BT-Drs. 12/1630).
"Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung kann nicht dem der Beamten-und Richterbestechung nachgebildet werden (§ 331,332 StGB). Im Bereich des Öffentlichen Dienstes ist es generell verboten, einen persönlichen Vorteil für eine Diensthandlung oder im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit anzunehmen oder zu gewähren. Der Amtsträger soll seine Entscheidung im Rahmen der maßgeblichen Rechtsvorschriften stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen treffen. Beim Träger eines Abgeordnetenmandats fehlt es hingegen bereits an einem genau umgrenzten Pflichtenkreis, wie er für Amtsträger existiert. Bei der Ausübung von Stimmrechten im Parlament spielen oft auch politische Gesichtspunkte eine Rolle. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Stimmabgabe politische Zwecke mitverfolgt werden, die den eigenen Interessen des Stimmberechtigten entgegenkommen. Bei zahlreichen Abgeordneten ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als Kandidat. Von dem Abgeordneten erwartet die gesellschaftliche Gruppe denn auch, dass er sich für ihre Belange einsetzt. Zwar sind auch bei Abgeordneten Fälle denkbar, in denen Vorteile nicht für eine Stimmabgabe, sondern für ein anderes Verhalten in strafwürdiger Weise angenommen bzw. gewährt werden. Bei der Art des Aufgabenbereichs der Abgeordneten ist es jedoch nicht möglich, solche andersartigen Handlungen, die Gegenstand einer Bestechung sein könnten, begrifflich in einem klar angegrenzten Tatbestand zu erfassen. Die Tätigkeit der MdB reicht über das eigentlich parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften fehlen"
Außerdem stellte der BGH im Urteil vom 9. Mai 2006 (Aktenteichen: 5 StR 453/05) dazu noch einmal klar, dass Abgeordnete keine Amtsträger sind.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jörg von Polheim, MdB