Frage an Jörg von Polheim von Dominik S. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr von Pohlheim,
was hat Sie bewegt gegen den Antrag der Grünen zu stimmen, der eine Privatisierung der Wasserversorgung ablehnt?
Ist dies auf Grund der Tatsache beruhend passiert, grundsätzlich alle Anträge der Opposition abzulehnen, oder gab es tiefgreifendere Gründe? Wie ist Ihre persönliche Meinung zu diesem Thema.
ich möchte an dieser Stelle hinweisen, dass die FDP Bayern sich öffentlich gegen die Privatisierung der Wasserversorgung ausgesprochen hat, da unter anderem "die Trinkwasserversorgung ein Kern der Daseinsvorsorge ist." Dazu heißt es weiter:
"Die FDP in Bayern und auch im Bund wendet sich entschieden gegen eine Privatisierung der Trinkwasserversorgung. "
Gegen genau diese Aussage steht ja Ihr Abstimmunsverhalten und das der FDP Bundestagsfraktion.
Ich bin Ihnen für eine Stellungnahme dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Dominik Seitz
Sehr geehrter Herr Seitz,
vielen Dank für diese Frage, zu der ich gern Stellung nehmen möchte.
Die Anträge der Opposition zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe sind hinsichtlich der Forderung einer Bereichsausnahme zur Trinkwasserversorgung überflüssig.
EU-Kommissar Michel Barnier hat bereits vor der Plenardebatte gegenüber dem zuständigen Binnenmarktausschuss im Europäischen Parlament weitreichende Zugeständnisse hinsichtlich der Vergabe von Wasserkonzessionen gemacht.
Hintergrund:
Die Richtlinie legt Regeln für die Vergabe von Konzessionen fest. Konzessionen werden von Kommunen für die Wasserversorgung, aber auch Dienstleistungen wie die Verpflegung in Schulkantinen oder Müllentsorgung vergeben. Die EU möchte damit sicherstellen, dass Unternehmen einen fairen Zugang zu Geschäftsmöglichkeiten in anderen Mitgliedstaaten haben und Korruption und Vetternwirtschaft eingedämmt werden. Angesichts der hohen Haushaltsdefizite in einigen Mitgliedstaaten ist dieser Ansatz bei der Vergabe öffentlicher Gelder prinzipiell auch zu begrüßen. Anders als in Deutschland werden Konzessionen in vielen EU-Ländern dabei sehr viel häufiger an private Unternehmen vergeben.
Alter Regelungsvorschlag:
Der ursprüngliche EU-Entwurf ist dabei aber über das Ziel hinausgeschossen. Ursprünglich sah der Entwurf nämlich vor, dass die Kommunen zu einer Ausschreibung gezwungen gewesen wären, wenn nicht mindestens 80% des Umsatzes eines Stadtwerkes in der eigenen Gemeinde erwirtschaftet worden wäre. Da die Stadtwerke regelmäßig gerade im Bereich der Energieversorgung zu einem nicht unerheblichen Teil außerhalb des Gemeindegebiets investieren, wäre es dadurch zu einer Ausschreibungspflicht gekommen.
Neuer Regelungsvorschlag:
Nach mehreren Gesprächen, die auch von FDP-Seite mit ihm geführt worden sind, hat EU-Kommissar Barnier bei dieser Frage bereits vor der Debatte im Bundestag sein Einlenken signalisiert. Eine Kommune kann damit weiterhin an die eigenen Stadtwerke den Auftrag zur Wasserversorgung vergeben, soweit sich diese nicht zu einem großen Teil in andere Wassernetze eingekauft hat. Damit ist für die Stadtwerke sichergestellt, dass Kommunen wie derzeit die Möglichkeit haben werden, aus eigenem Antrieb zu entscheiden, ob die Wasserversorgung durch die Kommune oder einen Privaten betrieben wird. Die Ausschreibungspflicht greift damit nur für den Fall, dass eine Kommune von sich aus die Entscheidung trifft, einen Privaten mit der Durchführung zu beauftragen. Aber genau dann macht es auch Sinn, hier auch transparente Verfahrensregeln zu schaffen, um sicherzustellen, dass nicht über Gemauschel mit einem Privatunternehmen Sonderkonditionen ausgehandelt werden, die zum Nachteil der Gebührenzahler sind. Das Beispiel Berlin ist ein solches Negativbeispiel.
Insgesamt gilt:
Die Wasserversorgung in Deutschland ist auf einem sehr hohen Niveau. Das Preis-Leistungsverhältnis ist unübertroffen. Das zeigen alle Studien.
Wir sind uns sicher, dass es bei den bald beginnenden Trilog-Verhandlungen auf EU-Ebene zu einer endgültigen Lösung kommen wird, mit der unser Interesse an der Beibehaltung der bewährten überwiegend kommunal organisierten Trinkwasserversorgung erfüllt wird. Auch zukünftig würde dann keine Kommune zur Privatisierung der Wasserversorgung gezwungen.
Zu den Anträgen im Bundestag:
Die Oppositionsanträge gingen über die Fragen zur Wasserversorgung allerdings hinaus. So wurde von der SPD eine Rekommunalisierung in allen Bereichen angestrebt, von Grünen und Linken wurde desweiteren gefordert, die Dienstleistungsrichtlinie generell abzulehnen. Diese Forderungen halten wir für falsch, deshalb wurden die Anträge von der Mehrzahl der FDP-Abgeordneten abgelehnt. Transparente Verfahrensregeln können überall dort helfen, wo wettbewerbliche Strukturen Preis- und Leistungsvorteile mit sich bringen. Dazu kommt, dass die Dienstleistungsrichtlinie auch aus dem europäischen Blickwinkel zu betrachten ist. In einigen europäischen Mitgliedstaaten gibt es nur rudimentäre Vorgaben, wie öffentliche Aufträge zu vergeben sind. Die Dienstleistungsrichtlinie zielt darauf ab, dass solche Missstände beseitigt werden. Wir hätten die Vorgaben aus deutscher Sicht nicht unbedingt gebraucht. Sie sind jetzt aber so ausgestaltet, dass sie nicht nur unschädlich für das deutsche System sind, sondern in Teilbereichen wie Transparenzvorgaben sogar Verbesserungen mit sich bringen. Dennoch ist es wichtig, Gesamteuropa bei dieser Richtlinie im Blick zu haben und den Versuch zu unternehmen, über den deutschen Tellerrand einen Blick zu werfen.
Bitte berücksichtigen Sie die Abstimmung im Plenum in diesem Gesamtkontext. Weil diese Zusatzpunkte mit den Anträgen vorgebracht wurden und weil der Kerninhalt des Antrags überflüssig (weil veraltet) war, haben zahlreiche Abgeordnete gegen die Anträge gestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg von Polheim