Frage an Jörg Stroedter von Andrea C. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Stroedter,
was ist Ihre Vorstellung von einem sozialen Arbeitgeber ? Ich habe im Laufe meiner Berufsjahre feststellen müssen, dass es immer weniger gerechte Arbeitgeber gibt bzw. diese sehr rar werden.
Selbst ältere Chefs/Chefinnen werden zunehmend im Kleinen - sprich bei Arbeitnehmern - geiziger, gönnen sich selbst immer mehr. Beispiel: Überstunden werden gemacht, jedoch gern, wenn überhaupt, gegen Rechnung oder Quittungen abgerechnet - der "Boss" selbst gönnt sich alles und die Pakete und privaten Bestellungen gehen gut sichtbar ein. Selbst Vorschläge, dass alles als Prämie abgesetzt werden kann, finden kein Gehör.
Ich habe selbst gesundheitsbedingt nur noch einen Minijob, bin aber dennoch hoch motiviert und engagiert. Sollten die kleinen Arbeitnehmer in den Streik treten, können so einige Firmen dicht machen. Ich weiss auch, dass Moral und Ethik nicht gesetzlich festgelegt werden können, aber wie sonst soll es weitergehen ?
Betrachten Sie auch einfach mal die Mieten: Ein Berufsanfänger kann heute, selbst mit einer Bürgschaft der Eltern, nur noch extrem selten eine eigene Wohnung erhalten - weil sich Verwaltungen, Hauseigentümer u.a. darauf nicht einlassen. Im Gegenteil: diese Jammern, aber kaufen eine Wohnung oder ganze Häuser wie die Verrückten. - Ja, klar, die haben alle Angst vor der nächsten Finanzblase...
Thema Schule und Förderung: Schaffen Sie bitte unbedingt und zwingend, die jahrgangsübergreifenden Klassen ab und stellen mehr Lehrer ein, die den Job nicht nur wegen der Absicherung machen. Verbeamten Sie solche Personen, die aus Berufung den Job machen, und vergessen Sie den Rest - vor Allem Frontalunterricht ist gar nicht mehr zeitgemäß.
In Erwartung einer baldigen, nicht mit Politiker-Blabla ergänzten, Antwort verbleibe ich
mit herzlichen Grüßen (bisher habe ich CDU gewählt, möchte aber nur zu gern Herrn Wowereit behalten)
Andrea Carls (Jahrgang 1969, Allgemeine Hochschulreife, echte Berliner Pflanze)
Sehr geehrte Frau Carls,
vielen Dank für Ihre umfangreichen Fragen.
Lassen Sie mich Ihnen zunächst mitteilen, dass ich selbst seit vielen Jahren als selbstständiger Unternehmer in Reinickendorf tätig bin. Darüber hinaus leite ich den Arbeitskreis Wirtschaft, Technologie und Frauen der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Insofern glaube ich, dass ich einen guten Einblick in die Veränderungen am Arbeitsmarkt habe. Insbesondere die Lohnentwicklung macht mir Sorgen. In Deutschland haben sich die Löhne schon lange von der Konjunktur abgekoppelt. Auch wenn es der Wirtschaft vermeintlich gut geht, weigern sich viele Unternehmen, die Löhne zu erhöhen. Dabei wäre es in ihrem eigenen Interesse, höhere Löhne zu zahlen. Insbesondere in mittleren und unteren Einkommensbereichen würden diese sofort in den Konsum gehen und damit die Binnenkonjunktur stärken. Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie sagen, Ethik und Moral seien juristisch nicht einklagbar. Dennoch können wir einen Anspruch darauf formulieren. Als Berliner SPD haben wir in Berlin dafür gesorgt, dass nur noch Unternehmen mit öffentlichen Aufträgen ausgestattet werden, die einen gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Im Bundesrat haben wir mehrfach versucht, die fatale Politik von Schwarz-gelb zu verhindern, weil sie Zeit- und Leiharbeit fördert und so indirekt Lohndumping unterstützt.
Beim Thema Mieten haben wir mit Hilfe des Mietspiegels, sowie des gerade neu beschlossenen Wohnraumgesetzes Möglichkeiten geschaffen, eine aktive Mietenpolitik zu betreiben.
Im Märkischen Viertel habe ich zusammen mit der Kollegin Brigitte Lange, MdA, erfolgreich verhindern können, dass die GESOBAU Wohnungen an private Investoren verkauft. Stattdessen werden die Wohnungen energetisch saniert, was nicht nur umweltfreundlich ist, sondern auch die hohen Nebenkosten reduziert.
Beim Thema Bildung und Schule kann ich Ihnen mitteilen, dass Bildungssenator Prof. Jürgen Zöllner vor kurzem erst durch vorgezogene Einstellungen viele neue Lehrerstellen besetzt hat. Und natürlich gebe ich Ihnen Recht: Alleiniger Frontalunterricht sollte der Vergangenheit angehören, gerade deswegen haben wir uns für die Einführung des Jahrgangsübergreifenden Lernens stark gemacht. So lernen Kinder nicht nur von ihren Lehrern, sondern auch von ihren Mitschülern, was sozial förderlich ist.
Sehr geehrte Frau Carls, ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten. Wenn Sie Klaus Wowereit als Regierenden Bürgermeister behalten wollen, dann empfehle ich Ihnen, SPD zu wählen. Nur so gehen Sie sicher, dass Klaus Wowereit seine Arbeit als Regierender Bürgermeister fortsetzen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Stroedter, MdA