Portrait von Jörg Schindler
Jörg Schindler
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Jörg Schindler zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Thomas P. •

Frage an Jörg Schindler von Thomas P. bezüglich Innere Sicherheit

Wie stehen Sie zur Einschränkung der Bürgerrechte und persönlichen Freiheiten unter dem Deckmantel der Inneren Sicherheit?
Sollte das jetzige Waffenrecht beibehalten oder weiter verschärft werden und ist die Hervorkehung einzelner (zugegeben schlechter) Beispiele nur Mittel zum Zweck der weiteren Einschränkung des öffentlichen Waffenbesitzes?
Besteht Ihrer Meinung nach die Möglichkeit, sich am Waffenrecht der Schweiz zu orientieren oder den Markt bzw. die legale Zulassung weiter zu öffnen, um ähnlich wie in der Drogenpolitik die Illegalität zu bekämpfen und damit auch die Sicherheit zu erhöhen?

Portrait von Jörg Schindler
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Peukert,

gern beantworte ich Ihre Fragen.

Ich lehne die Einschränkung von Bürger- und individuellen Freiheitsrechten ab. Richtigerweise betonen Sie, dass diese Einschränkungen - beispielsweise die Vorratsdatenspeicherung, die so genannten "Online-Durchsuchungen", Videoüberwachungen im öffentlichen Raum usw... - unter dem Deckmantel der "Inneren Sicherheit" propagiert werden. Kriminologische Untersuchungen zeigen jedoch, dass durch diese Maßnahmen weder die "Innere Sicherheit" erhöht wird noch evtl. Gefahren durch den "internationalen Terrorismus" o.ä. effektiv bekämpft werden. Vielmehr schaffen alle diese Maßnahmen bei uns Bürgerinnen und Bürgern selbst ein Gefühl der Unsicherheit. Durch die Maßnahmen wird angepasstes Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern erzeugt. Zudem werden so erforderliche rechtsstaatliche Standards bei der Gefahrenabwehr, aber auch bei der Strafverfolgung ausgehöhlt. Dies lehne sowohl ich - auch aus meiner beruflichen Erfahrung als Rechtsanwalt heraus - als auch die Partei DIE LINKE ab.

Ihre Frage zur Reform des Waffenrechts beantworte ich wie folgt.

Ich trete für eine Verschärfung des Waffenrechts ein. Die jüngst vollzogene Reform des Waffenrechts ist ungenügend. Denn sie lässt nach wie vor die Möglichkeit zu, dass sich Waffen und Munition in privaten Haushalten befinden und dort auch gelagert werden. Dies ist in einer erforderlichen weiteren Reform des WaffG auszuschließen. Die Lagerung von Waffen und Munition bedarf besonderer Vorkehrungen und darf nur außerhalb von Privathaushalten erfolgen. Dies ist auch bei Jägern und Sportschützen praktikabel und angesichts der Missbrauchsgefahr erforderlich. Es befinden sich bereits eine Vielzahl von Waffen und Munition durch "Verlust" in Umlauf. Die Quelle hierfür sind vor allem Privathaushalte. Die Folge dieser waffenrechtlich nicht mehr registrierten Waffen ist eine erhebliche Erhöhung der Gefahr, dass diese für schwere Straftaten missbraucht werden. Straftaten unter Waffenmitführung oder gar -gebrauch führen jedoch schnell zu Verletzung oder Tötung von Opfern, da die Hemmschwelle des Einsatzes schon durch das Mitführen stark sinkt. Eine weitere Liberalisierung des Waffenrechts nach dem Vorbild der Schweiz lehne ich dagegen ab.

Im Gegensatz zur oben erwähnten Bürgerrechten bin ich der Auffassung, dass es kein "Bürgerrecht auf Waffenbesitz" gibt. Bürgerrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat. Deshalb sind diese Abwehrrechte auch strikt zu beachten; ihre Beschränkung lehne ich wie oben beschrieben ab. Waffenbesitz dient aber nicht der legitimen Abwehr staatlicher Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre (wie etwa das Telefongeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung usw...), denn ein Recht auf "Selbstverteidigung" oder gar "Selbstjustiz" gegen staatliche Maßnahmen oder Dritte ist unserer Rechtsordnung fremd, im Übrigen auch abzulehnen. Waffenbesitz beschwört vielmehr selbst Gefahren für Dritte herauf. Gesellschaftliches Ziel ist daher die Ächtung des Besitzes und des Einsatzes von Waffen, also die waffenfreie Gesellschaft (ausgenommen selbstverständlich zur Jagd oder zur sportlichen Betätigung).

Hier sehe ich auch im Übrigen den Unterschied zur Entkriminalisierung des Drogenbesitzes. Drogengebrauch, ob von legalen Drogen wie etwa Alkohol oder illegalen Drogen wie etwa LSD oder Haschisch, bedeutet - im Unterschied zum Waffengebrauch - als Eigengebrauch keine Fremdgefährdung. Der Eigengebrauch von berauschenden Substanzen ist über Jahrhunderte gesellschaftlich akzeptiert. Gegen die Zusichnahme berauschender Mittel bestehen meines Erachtens keine Einwände, wenn dies freiverantwortlich in Kenntnis von Dosis, Zusammensetzung und Wirkung und ohne Gefährdung Dritter erfolgt. Der Gebrauch von Waffen wiederum stellt bereits als solches schon physikalisch eine erhebliche Gefahr für Dritte dar. Ich kann auch nicht erkennen, aus welchen Gründen der Waffenbesitz und -gebrauch nützlich sein sollte oder als gesellschaftliche Norm zu akzeptieren wäre.

Ich hoffe, Ihre Frage umfassend beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Jörg Schindler