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Joachim Stünker
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Frage von Rainer S. •

Frage an Joachim Stünker von Rainer S. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Stünker,
seit 1998 trägt die SPD Regierungsverantwortung, bis 2005 während der Kanzlerschaft auch mit "Richtlinienkompetenz". Gerade in dieser Zeit wurden mit Agenda 2010/ Hartz4/fehlende Mindestlöhne/ Rente mit 67... Gesetze zur sozialen Absicherung verabschiedet, die die Bevölkerung in "Betroffene" und "nicht Betroffene" in den Konsequenzen unterteilen.
Warum sperrte sich die SPD gegen eine in den Konsequenzen gerechtere Bürgerversicherung nach Schweizer Vorbild (und fordert sie jetzt, wo u.U. die Oppositionsrolle bevorsteht und Forderungen leichter fallen)? Warum setzte die SPD, z.B. in Koalition mit den Grünen, nicht um, dass Jeder, der ein Einkommen hat, in die verschiedenen Sozialkassen einzahlt und sich nicht in privilegierte Privatkassen verabschieden kann (incl. der MdBs)?
So wären auch die Konsequenzen solidarisch und nicht auf Arbeitnehmer reduziert.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Steuer,

Sie übersehen, dass alle Sozial- und Gesundheitsgesetze der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Und dort hatten wir leider sehr schnell (ab 2001) keine Mehrheit mehr. Sicher erinnern Sie sich noch sehr gut an den harten neoliberalen Kurs, den CDU und FDP in diesen Jahren ganz offen gefahren sind. Dadurch ist zum Beispiel die Einführung einer Bürgerversicherung, die die SPD seit langem fordert und die Sie zu recht anmahnen, gescheitert. Wir sind froh, dass wir wenigstens Kopfpauschalen verhindern konnten. So waren die Zeiten damals – und hoffentlich werden sie nicht wieder so.. Für uns jedenfalls bleibt die Bürgerversicherung auf der Tagesordnung. Irgendwann werden wir dafür eine Mehrheit finden. Denn ein System, das jeden und alle Einkommen heranzieht, ist in der Tat die gerechteste und auch zukunftssicherste Lösung.

Zur Rente mit 67 gibt es angesichts der demografischen Entwicklung meiner Meinung nach keine Alternative. Es ist ein Segen, dass die Menschen heute älter werden als früher. Sie sind dadurch aber auch länger im Rentenbezug. Gleichzeitig ist die Zahl der Beitragszahler rückläufig. Da mussten wir einen fairen Ausgleich zwischen den Generationen finden. Wenn es uns gelingt, für genügend Beschäftigung zu sorgen und dabei Dumpinglöhne einzudämmen, wird die maßvolle Anhebung des Renteneintrittsalters dazu führen, dass unsere Alterssicherung ebenso auskömmlich wie auch bezahlbar bleibt.

Das Eintrittsalter wird schrittweise über einen langen Zeitraum angehoben. Voll greift die Rente mit 67 erst ab 2019. Bis dahin müssen wir dafür sorgen, dass die Arbeitswelt humaner und körperlich weniger belastend wird, so dass die Menschen den Anforderungen der zwei zusätzlichen Jahre gewachsen sind. Diese Herausforderung ist der Politik, den Gewerkschaften und auch dem Arbeitgeberlager bewusst. Denn angesichts eines möglichen Fachkräftemangels werden auch die Unternehmen darauf angewiesen sein, ihre gut ausgebildeten, eingearbeiteten und erfahrenen Mitarbeiter im Betrieb zu halten. – Dass wir für einige, körperlich sehr anstrengende Berufe möglicherweise Ausnahmen machen müssen, kann sein. Das werden wir prüfen. Noch aber greift die Regel ja nicht. Dafür haben wir also noch etwas Zeit.

Zu den Mindestlöhnen: Die Schwierigkeiten, die wir bei diesem Thema in dieser Legislaturperiode mit der Union hatten, werden Sie verfolgt haben. Dennoch ist es uns gelungen, sie auf einem Umweg in vielen Branchen durchzusetzen. Glauben Sie mir: Das war in fast jedem einzelnen Bereich ein Drama. Warum wir die rot-grüne Zeit nicht genutzt haben? Weil ein gesetzlicher Mindestlohn damals selbst in den Gewerkschaften nicht mehrheitsfähig war. Zu groß war die Angst vor dem Verlust der Tarifautonomie. Bis zum Beispiel Verdi und die IG Metall eingesehen haben, dass ohne eine gesetzliche Regelung immer mehr Arbeitnehmer abgehängt werden und welch unfairer Wettkampf auf deren Rücken ausgetragen wird, hat lange gedauert. Selbst heute ist etwa die BCE noch skeptisch. – Politik braucht Mehrheiten und bedeutet das Bohren dicker Bretter. Damit haben wir frühzeitig begonnen und nicht aufgehört. Irgendwann werden wir durch sein.

Sehr geehrter Herr Steuer: Sicherlich haben wir in den vergangenen elf Regierungsjahren nicht alles erreicht, was wir erreichen wollten. Und sicherlich haben wir auch einige Fehler gemacht. Das passiert jedem, der handelt, und wo das passiert ist, muss das korrigiert werden. Insgesamt aber bin ich der Meinung, dass es diesem Land sehr gut getan hat, dass die SPD mitgestalten konnte. Ich hoffe, das bleibt so. Denn gerade die Krise hat doch gezeigt, dass das gegnerische neoliberale Konzept gescheitert ist. Dass es darauf ankommt, das Ziel einer solidarischen Gesellschaft nicht aus den Augen zu verlieren und ihm näher zu kommen. Dass das Wir gegenüber dem Ich wieder gestärkt werden muss. Dafür stehe ich und dafür steht auch meine Partei. Ich bitte Sie daher guten Gewissens, uns am 27. September zu unterstützen. Wenn das genug Menschen tun, landen wir nicht in der Opposition. Dann lassen wir uns gerne wieder daran messen, was wir erreicht haben und was warum nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Stünker