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Joachim Bischoff
DIE LINKE
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Frage von Dieter P. •

Frage an Joachim Bischoff von Dieter P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Was halten Sie von :

- der Demokratie?
- Programmen und Wahlaussagen, für die niemand in die Pflicht genommen wird?
- Geldausgaben, die niemand kontrolliert und für die kein Politiker zur Verantwortung gezogen wird?
- der Aufsicht bei Banken?
- den Energieversorgern?
- der Krankenversorgung und Altenpflege?
- von Afghanistan- und oder anderen Einsätzen der Bundeswehr?
- Ausländern?
- den Pensionsansprüchen der Politiker?

Was wollen Sie für die ehrlich Arbeitenden tun?

Was wollen Sie gegen:
- das Fehlverhalten in Betrieben tun?
- die Kinder-, Jugendlichen-, Arbeitslosen-Fehlausbildung tun?

Wie beurteilen Sie unsere Gerichtsbarkeit?

Was tun Sie für die Rentner?

Hätte ich Ihre email, wären die o.g. Fragen mit meinen Kommentaren Versehen worden.

Bitte geben Sie mir ihre email-adr. für den Volltext.

Portrait von Joachim Bischoff
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Pfeil,

vielen Dank für Ihre Anfrage von Anfang April. Ich habe mit meiner Antwort erst ein paar Tage gezögert, da Sie ja eine ganze Riege von Fragen haben, zu denen jeweils lange Ausführungen nötig wären. Vielleicht kann ich Ihnen aber in aller Kürze einige Positionen und Herangehensweisen nahe legen, die mich beim Durchdenken Ihres Schreibens bewegt und beschäftigt haben.

Die demokratisch verfasste Gesellschaft ist zunächst einmal der Ausgangspunkt des Wirkens für meine Fraktion und mich. In dieser Hinsicht schätze ich das Grundgesetz, das allerdings seit seiner Verabschiedung vor 60 Jahren so manche einschneidende, im Normalfall Verschlechterung erfahren hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Notstandsverfassung, die 1968 gegen breite gesellschaftliche Proteste Teil des Grundgesetzes wurde und den – bis heute glücklicherweise unterbliebenen – Einsatz der Bundeswehr bei inneren Konflikten möglich machte. Auch die Einschränkung des Grundrechts auf politisches Asyl in der Bundesrepublik Anfang der neunziger Jahre ist mit den Ausgangsüberlegungen der Väter und Mütter des Grundgesetzes nicht vereinbar.

Aber wie so oft in der Geschichte und auch in allen politischen Systemen klafft aus meiner Sicht ein großes Gefälle zwischen dem im Grundgesetz angelegten Rechten und Versprechungen und der Realität. Alleine die immer weiter aufgehende Schere zwischen Arm und Reich, der Umstand, dass Millionen Menschen erwerbslos sind, dass Minimallöhne gezahlt werden, dass die Versicherungsleistungen immer weiter reduziert werden, dass der Umstand, in einem benachteiligten Viertel aufzuwachsen maßgeblich über die weitere Lebens- und Berufsperspektive entscheidet usw. usf. – all das sind für mich wesentliche Motive für mein Engagement in der Politik. Denn ich bin der Überzeugung, dass all diese Ungerechtigkeiten zu Lasten der wenig und normal verdienenden Menschen in einer wirklich demokratischen Gesellschaft nicht akzeptabel sind. Dafür ist DIE LINKE angetreten, dafür bemühen wir uns im politischen Alltag im Rahmen unserer Möglichkeiten als Oppositionskraft um entsprechende Veränderung.

Besonders belastend empfinde ich – und in dieser Richtung deute ich auch einige Ihrer Fragen –, mit welcher Hochnäsigkeit und Ignoranz so mancher Politiker, aber ebenso auch viele WirtschaftsvertreterInnen mit den Sorgen der Bevölkerung umgehen. Ein Herr Ackermann, der vor Gericht das Victory-Zeichen macht, eine ganze Korona von Reichen, die ihr Vermögen dem Fiskus entziehen und in Lichtenstein oder anderen dubiosen Zusammenhängen stapeln, all das markiert eine unakzeptable Fehlentwicklung. Wenn ich mir alleine in Hamburg anschaue, wie viele Millionen für die Elbphilharmonie (deren zukünftige Eintrittskarten nur von einem recht kleinen Teil der Gesellschaft aufgebracht werden können) verpulvert werden oder wie die milliardenschwere Krise der HSH-Nordbank nun von uns SteuerzahlerInnen abgefedert werden soll – nachdem sich Spekulanten und Aktienmillionäre eine goldene Nase verdient haben –, das ist nicht hinnehmbar.

Als finanzpolitischer Sprecher meiner Fraktion habe ich in den vergangenen Monaten vor allem einen – nein, gleich mehrere – Finger in die Wunde der Wirtschafts- und Finanzpolitik des Senats gelegt. Hier ist mein Bestreben, zu erreichen, dass die Lasten, die jetzt den Menschen in dieser Stadt „gleichmäßig“ aufgebürdet werden sollen, gefälligst und vor allem von denjenigen zu übernehmen sind, die ihre Rendite aus den bisherigen Finanzmarkt-Spekulationen gezogen haben. Ein wichtiger Schritt besteht darin, die für das Missmanagement Verantwortlichen auch zur Verantwortung zu ziehen. Der weitere Schritt besteht darin, Bedingungen schaffen zu helfen, dass die Selbstbereicherung künftig unterbunden wird.

Hinsichtlich des Komplexes Daseinsfürsorge und Sozialversicherungssystem halte ich es mit den Generationen, die vor uns dafür Sorge getragen haben, dass durch ein allgemeines Umlagesystem je nach persönlichen Möglichkeiten ein Solidarprinzip beherzigt wird. Ich wende mich strikt gegen die immer weiter voranschreitende Auflösung des über ein Jahrhundert erfolgreichen Sozialversicherungssystems. Wir brauchen nicht immer neue und kompliziertere Anforderungen, wir brauchen erst recht kein privat finanziertes Gefüge, sondern vielmehr ein einheitliches soziales System, in das alle je nach eigenen finanziellen Möglichkeiten einzahlen. Ich halte auch insgesamt nichts davon, immer mehr Bereiche, die bisher dem Staat oblagen, zu privatisieren, denn die Folgen sind – und das sehen wir beispielsweise bei den Postdiensten – eine Verschlechterung der Serviceangebote und auch der Einkommenssituation der Beschäftigten.

Woran es aus meiner Sicht vor allem hapert, ist, dass das im Grundgesetz garantierte Recht auf Bürgermitwirkung und -souveränität de facto nicht eingelöst ist. Wenn Parteien Wahlversprechen brechen – und da fällt mir jüngst vor allem die GAL ein, die mit der Zustimmung zum Kohlekraftwerk Moorburg und dem Plan neuer Autobahntrassen quer durch Wilhelmsburg gleich mehrfach gegen eherne grüne Grundsätze verstößt –, dann kann man sie abwählen. Wenn Senatsmitglieder Prinzipien ehrbarer Kaufleute missachten, wenn ManagerInnen ganze Betriebe gegen den Baum setzen und aus der Insolvenz noch mit millionenschweren Abfindungen hervorgehen, dann läuft etwas grundlegend schief in dieser Stadt und in diesem Land. Wenn die CDU vor einigen Jahren schlicht das Ergebnis einer Volksbefragung übergeht – ich meine die Abstimmung, bei der sich drei Viertel der hamburgischen Bevölkerung gegen den Verkauf des Landesbetriebes Krankenhäuser ausgesprochen hatten –, wenn der amtierende Senat aus CDU und GAL ein Bürgerbegehren in Sachen Erhalt der Kleingärten in Altona aushebelt, dann missachten diese Parteien und der Senat den Willen der BürgerInnen. Und tragen damit zur allgemeinen Politik- und Parteienverdrossnenheit bei.

DIE LINKE und auch ich persönlich sind angetreten, mit dieser Politik Schluss zu machen. Das ist im politischen Alltag nicht immer einfach, ist aber zweifellos ein wesentliches Motiv für viele Mitglieder und Funktionsträger der LINKEN, die sich – teilweise – zum ersten Mal in die Politik einmischen und die Entscheidungen nicht „den anderen“ überlassen wollen. Dies gilt nicht zuletzt auch für außenpolitische Fragen, insbesondere den seit den neunziger Jahren anhaltenden und immer mehr ausgeweiteten Einsatz der Bundeswehr in anderen Ländern. Für mich – und da sieht sich gerade DIE LINKE in der Tradition von Frieden, Abrüstung und Verhinderung einer neuerlichen militärischen Großmachtrolle – ist die Stationierung von bundesdeutschen Truppenverbänden im Ausland und erst recht der Kriegseinsatz ein unverzeihlicher Fehler, der mit dem Konsens nach 1945 – nie wieder Krieg und Militäreinsatz von deutschem Boden aus – gebrochen hat.

Angesichts der Vielzahl Ihrer Fragen und der angesprochenen Problemkreise möchte ich Ihnen empfehlen, auch einmal die Grundsatzpapiere der LINKEN zu studieren. Dort finden Sie natürlich noch viel detailliertere Forderungen zu vielen der von Ihnen aufgeworfenen Fragen. Wenn Sie an meiner persönlichen Arbeit als Bürgerschaftsabgeordneter interessiert sind, maile ich Ihnen auch gerne meinen etwa zweiwöchentlich erscheinenden BürgerInnenbrief zu. Sie können diesen Materialien sicherlich weitere Antworten oder vielleicht auch Anregungen entnehmen, die ich jetzt aus zeitlichen Erwägungen nicht alle ausführlich erwähnen kann. Ich hoffe dennoch, Ihnen zumindest ein paar Aspekte meines persönlichen Herangehens an Ihre Punkte verdeutlicht zu haben. Besonders wichtig ist mir, dies als Credo meiner Ausführungen: Wir brauchen mehr Transparenz in der Gesellschaft, mehr BürgerInnenbeteiligung und eine ehrliche, verlässliche Politik, die allen Menschen ein vernünftiges Einkommen, gesicherte Lebens-, Arbeits- und Wohnverhältnisse einräumt – nicht nur den Reiche(re)n!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Bischoff