Frage an Joachim Bischoff von Lasse N. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo!
Wir, das Projekt "MischDichEin!" sind eine Gruppe von Besuchern des Kulturhaus Bienenkorb beim Rauhen Haus. Anlässlich der bevorstehenden Wahl beschäftigen wir uns mit dem Thema Politik und der Frage, wie wir selber politisch aktiv werden können.
Dazu gehört natürlich auch, Politikern Fragen zu stellen und zu erfahren, wie diese zu bestimmten Themen stehen.
An der Haltestelle "Rauhes Haus" und ebenso an anderen Haltestellen des HVV gibt es noch immer keine Fahrstühle. Wir finden, dass die Ausstattung mit einem Fahrstuhl das mindeste ist, um allen Menschen (z.B. Rollstuhlfahrern, Müttern mit Kinderwagen, Senioren mit "Hackenporsche", ...) den Zugang zum ÖPNV zu erleichtern.
Wie werden sie und ihre Partei sich dafür einsetzen, den Zugang zu allen Stationen des ÖPNV durch Fahrstühle ein Stück barrierefreier zu gestalten?
mit freundlichen Grüßen,
für das Projekt "MischDichEin!",
Lasse Nottelmann
Hallo Lasse Nottelmann
Ja, Sie haben recht der Zustand in Sache barrierefreien Zugang ist im Hamburger ÖPNV skandallös schlecht.
Von den 46 S-Bahnhaltestellen sind derzeit 20 Haltestellen barrierefrei ausgebaut; von den 80 Haltestellen der U-Bahn sind 30 barrierefrei zugänglich. Im Regional- und Fernbahnnetz sind bislang acht Bahnhöfe barrierrefrei gestaltet. In der Freien und Hansestadt Hamburg geht der barrierefreie Umbau von U-Bahn-Stationen und S-Bahn-Haltestellen ausgesprochen zögerlich voran. Pro Jahr werden etwa zwei Schnellbahnstationen barrierefrei umgebaut.
Es geht auch anders. So wurden z.B. in Berlin fast 80 Prozent der S-Bahnhöfe, in München fast 100 Prozent der 89 U-Bahn-Stationen barrierefrei umgebaut.
Im Februar 2003 legte der Senat Prioritätenempfehlungen zum kurz- bzw. mittelfristigem barrierenfreien Umbau von Schnellbahnhaltestellen vor. Diese waren vom Hamburger Verkehrsverbund (HVV) und den Behindertenverbänden erarbeitet worden. Von den dort aufgeführten zwanzig Schnellbahnhaltestellen sind bislang jedoch nur zwei U-Bahn-Haltestellen und eine S-Bahn-Haltestelle (Harburg) endgültig barrierefrei umgebaut worden.
Bis heute warten also 17 der 20 vor sechs Jahren für den kurz- bis mittelfristigen Umbau vorgesehenen Maßnahmen noch immer auf eine Umsetzung. Nach aktueller Planung wird auch Ende 2010 immer noch bei 13 der im Jahre 2003 als dringend barrierefrei zu gestaltend eingeschätzten Haltestellen nichts passiert sein. Von weiteren Haltestellen, die seinerzeit nicht in den Katalog der 20 Stationen aufgenommen wurden, ganz zu schweigen.
Resultat: Bei Fortführung der bisherigen Ausbaupolitik wird es noch ein Jahrzehnt dauern, bis alle Hamburger Haltestellen barrierefrei sind.
Die BSU und die Verkehrsträger argumentieren: Der barrierefreie Umbau von Schnellbahnhaltestellen kann aufgrund der Vielzahl und des Alters der Haltestellen nur in einem langfristigen Programm durchgeführt werden. Der Ausbau erfolgt im Rahmen eines mit den Behindertenverbänden abgestimmten Prioritätenprogramms, das laufend fortgeschrieben wird.
Auf den wachsenden Protest in vielen Stadteilen über die Mobilitätseinschränkungen antwortet die BSU in einer kafkaesken Phraseologie: aufgrund von Kapazitätsproblemen der DB habe es Verzögerungen bei der Realisierung der vereinbarten Maßnahmen gegeben. Die BSU stimmt derzeit mit der Bahn neu ab, in welchem Zeitrahmen welche Maßnahmen umsetzbar sind. Dabei sollen Möglichkeiten der Beschleunigung von Maßnahmen eingehend geprüft werden. Daneben wird untersucht, ob das Gesamtprogramm noch stärker auf die Untersuchungen bei der Barrierefreiheit konzentriert werden kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können daher noch keine verbindlichen Aussagen über den Zeitpunkt der Umsetzung gemacht werden.
Zwei Forderungen stellen die LINKE:
1. Es müsste erneut zu einer einer realistischen Neufestsetzung der Prioritätenliste unter Einschluss der Verbände und Initiativen kommen.
2. In Abstimmung mit den Verkehrsträgern muss eine Ausweitung des Finanzierungsprogramms auf den Werg gebracht werden.
Ich möchte hinzu fügen: Im Landeshaushalt stimmen die Prioritäten nicht mehr: Es werden riesige Summen in die Sanierung der Bank, die Elbphilharmonie oder kleinere Leuchtturmprojekte gesteckt und gegenüber den vielen Lästigkeiten und Behinderungen im Alltag der Bürgerinnen und Bürge wird argumentiert, dafür sei kein Geld da.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass das Ansehen der FHH bei der Sicherung der sozialen und Bürgerrechte für Menschen mit Behinderungen stark ramponiert ist. Selbst dort, wo in den Bahnhöfen ein Aufzug existiert – wie beispielsweise im S-Bahn Wilhelmsburg – kommt es wiederholt zu Ausfällen, so dass von einem barrierefreien Zugang nicht gesprochen werden kann. Auf der letzten Ausschusssitzung für Stadtentwicklung hat die Initiative aus Wilhelmsburg auf den völlig unakzeptablen Zustand hingewiesen. Die Initiative hatte vor sechs Wochen der Senatorin Hajduk eine Petition mit mehreren hundert Unterschriften übergeben. Der damaligen Zusage, umgehend für eine dauerhafte Nutzung des Fahrstuhles zu sorgen, ist wiederum nicht eingehalten worden.
Meine Fraktion hat für derlei bürgerfeindliche Politik absolut kein Verständnis. Die FHH bestellt über den HVV Verkehrsleistungen, zahlt für Fahrgastkilometer und Stationen Gebühren. Es ist auch in anderen Teilen der Republik üblich, die schlechte Qualität von Verkehrsleistungen durch die Träger zu monieren und nach Regressansprüchen auch die Kündigung der Verträge zu betreiben.
Ich habe verschiedentlich auf die schlechte Vertragspolitik bei den Verkehrsleistungen aufmerksam gemacht. Dass der Senat offenkundig nicht bereit ist die vereinbarte Qualität von den Verkehrsunternehmen durchsetzen, ist politisch und ökonomisch völlig unakzeptabel.
Soweit unsere Position in Sachen Barrierefreier Zugang
Mit freundlichen Grüssen
Joachim Bischoff