Frage an Joachim Bischoff von Marc H. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Moin Herr Bischoff!
Wohnen in Hamburg wird immer teurer. In den vergangenen Jahren wurden zu wenig Wohnungen gebaut, die auch bezahlbar sind. Was werden Sie genau tun, um das zu ändern?
Wo und wie viele Privat-Wohnungen wollen Sie in St. Pauli bauen?
Viele Grüße
Marc Hansen
Hallo Herr Hansen
ich teile Ihre Einschätzung, dass in Hamburg schon seit Jahren zu wenig Wohnungen gebaut worden sind, und zwar viel zu wenig. Zusammen mit ExpertInnen gehe ich davon aus, dass das Fehl an bezahlbaren Wohnungen mittlerweile die „stolze“ Zahl von 40.000 erreicht hat. Die Folgen des sich immer mehr verengenden „Wohnungsmarktes“ sind galoppierende Mietpreise (in St. Pauli z.B. bei Neuvermietungen innerhalb weniger Jahre rund 25 %), eine rückläufige Umzugsquote (aus Mangel an erschwinglichen Alternativen) und die Verdrängung vieler Menschen aus ihren zu teuer gewordenen Wohnungen und Quartieren – mit enormen Auswirkungen auf die Befindlichkeiten und die soziale Verwurzelung der Betroffenen.
Ich denke, dass es der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft durch die Thematisierung der Gentrifizierung (Aufwertung und Verdrängung) vor allem in den innenstadtnahen Vierteln, aber z.B. auch in Wilhelmsburg, ab Ende 2009 gelungen ist, die völlig unzureichende Wohnungspolitik des grün-schwarzen Senats in den Fokus zu rücken. Das ist natürlich kein Verdient der LINKEN alleine – Politik läuft immer auf verschiedenen Ebenen ab –, dass die Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik wieder in aller Munde ist. Hier spielen auch die wachsende Sorge Zehntausender Menschen, der Protest in den Stadtteilen und insbesondere das seit 2009 engagierte, gentrifizierungskritische Netzwerk Recht auf Stadt eine zentrale Rolle.
Hinsichtlich des umfangreichen Katalogs an Forderungen, die von Seiten der LINKEN in Sachen Wohnungspolitik erhoben werden, möchte ich Sie auf die Broschüre „Soziales Pulverfass Wohnen – Zur aktuellen Wohnungspolitik des Senats und den Alternativen der LINLEN“ verweisen, die ich zusammen mit zwei MitarbeiterInnen der Fraktion im November 2010 verfasst habe. Sie können dieses Material über die Website www.linksfraktion-hamburg.de herunterladen. Grundsätzlich will ich aber noch einen Kerngedanken unterbreiten, der am Ende der Broschüre auftaucht: Ich setze mich für eine gesamtstädtische Initiative ein, die – unter Einschluss aller zivilgesellschaftlichen Kräfte – dafür Sorge trägt, dass in der nächsten Zukunft alljährlich 8.000 günstige Wohnungen neu entstehen.
Was Ihre Frage zu den „Privat-Wohnungen“ in St. Pauli anbelangt, kann ich nur etwas allgemeiner antworten, denn eine genaue Zahl lässt sich nur schwer angeben. Gerade in solchen von der Gentrifizierung in besonderem Maße bedrohten bzw. längst heimgesuchten Stadtteilen wie St. Pauli mache ich mich – zusammen mit der Stadtteilgruppe und der Bezirksfraktion der LINKEN – vor allem dafür stark, a) günstigen Wohnraum zu erhalten, b) günstigen Wohnraum (in Form von öffentlich geförderten Sozialwohnungen) neu zu schaffen, c) das gesamte Viertel vor der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu schützen (mit Hilfe einer Sozialen Erhaltungsverordnung samt einer Umwandlungsverordnung, die dann aber auch intensiv begleitet werden muss). Konkret unterstütze ich den Kampf der St. PaulianerInnen für die bewohnerorientierte Übernahme des Bernhard-Nocht-Quartiers, den Erhalt der ESSO-Häuser usw. Gegen den Bau einer Music-Hall auf dem Gelände des ehemaligen Rindermarktes hat sich DIE LINKE nachdrücklich ausgesprochen, auch hier wäre meines Erachtens Wohnungsbau denkbar, diesbezüglich setze ich aber auf das von den Initiativen betriebene Ideen- und Beteiligungsverfahren, aus dem sich die konkreten Pläne noch herauskristallisieren müssen.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen ausreichend beantworten. Andernfalls haken Sie gerne noch einmal nach.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Bischoff