Frage an Joachim Bischoff von Mira W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Guten Tag Herr Bischoff,
nachdem das Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen" immer populärer wird und nun endlich auch Machbarkeitsberechnung seriöser Wirtschaftswissenschaftler ansatzweise in die Diskussion miteinbezogen werden, wüsste ich gern Ihre fundierte Meinung zum Thema.
Danke und viele Grüße
Mira Weiß
Hallo Frau Weiß
Es ist in der gesellschaftspolitischen Debatte nicht mehr weg zu denken – das bedingungslose allgemeine Grundeinkommen. Mehr noch: es hat sich sowohl im bürgerlichen als auch dem linken politischen Spektrum zu einem Patentrezept für alle möglichen Fehlentwicklungen und Entfremdungsphänomene in der spätkapitalistischen Gesellschaft gemausert.
Der entscheidende Unterschied in den Begründungen für das Pro und Contra eines Paradigmenwechsel zu einem auf dem allgemeinen Grundeinkommen basierenden Sozialsystem ist nicht die Bewertung von Konjunktur und Wirtschaftswachstum oder die Befürchtung vom Bedeutungsverlust der Erwerbsarbeit, sondern die unterschiedliche Haltung zum Umgang mit der wachsenden sozialen Ungleichheit. Die Verfechter des Grundeinkommens gehen von dem Machtverlust der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung aus, sehen daher keine Perspektive in drastischer Arbeitszeitverkürzung und einem Ausbau öffentlicher Beschäftigungsfelder. Sie plädieren für einen qualitativen Sprung bei den sozialen Bürgerrechten (Einführung eines allgemeinen Einkommens), weil dies angesichts der realexistierenden sozialen Spaltung der Gesellschaft ein neues Kapital der Individualitäts- und Kreativitätsentwicklung bei Fortführung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung erlauben würde.
In den letzten Jahren sehen wir in den europäischen Metropolen des Kapitals heftige Protest- und Widerstandsaktionen von Lohnabhängigen gegen eine weitere Verschlechterung ihres sozialen Standards. In diesen Konflikten geht es um Kündigungsschutz, die Altersrenten, die Sozialtransfers im Falle von Arbeitslosigkeit und Gesundheitsschutz. Der aktive Teil der Lohnabhängigen wehrt sich gegen eine Verteilungspolitik zu Lasten ihres Status als Lohnabhängiger. Ohne ein offensives Aufgreifen der drängenden Probleme von Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen und ohne den Kampf für eine repressionsfreie soziale Mindestsicherung werden die Perspektiven einer grundlegenden Reform der kapitalistischen Wirtschaftsordnung schemenhaft bleiben. Die Schlussfolgerung ist m.E. eindeutig: Der Kampf für eine Vollbeschäftigungskonstellation neuen Typs ist verzahnt mit weitreichenden Eingriffen in die Verteilungsverhältnisse, d.h. zunächst eine wirksame Armutsbekämpfung und eine repressionsfreie soziale Mindestsicherung; darauf aufbauend geht es um radikale Arbeitszeitverkürzung , Ausweitung sozial-kultureller Dienste und Förderung »sinnvollen« Konsums.
DIE LINKE hat sich in ihrem Wahlprogramm klar positioniert. Sie fordert:
Hartz IV durch eine bedarfsdeckende und sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzen, die Armut tatsächlich verhindert und die Bürgerrechte der Betroffenen achtet. Kurzfristig ist die Anhebung der Hartz IV-Sätze auf 500 Euro vorgesehen.
Die Debatte über ein gesellschaftspolitisches Gesamtkonzept zur Aufhebung von Armut und sozialer Spaltung wird nicht nur in der Partei DIE.LINKE weitergehen.
Soweit Frau Weiß eine Skizze meiner Position zum bedingungslosen Grundeinkommen. Ich stelle Ihnen auch gerne einige ausführliche Aufsätze zusammen, in denen ich diese Thesen ausführlicher entwickelt habe
Mit frteundlichen Grüssen
Joachim Bischoff