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Jens Zimmermann
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Frage von Thomas S. •

Zum 01.01.2022 soll die Grundsicherung um 0,76 % erhöht werden. Finden Sie dies angesichts der aktuellen Inflation von mehr als 4% gerecht? Werden Sie sich für eine Erhöhung von 5% einsetzen?

Guten Tag Herr Dr. Zimmermann,

Zitat Zeit online:

"Die Dinge werden teurer, manche allein schon wegen des CO₂-Preises. Gleichzeitig wird die Grundsicherung erhöht, auch bekannt als Hartz IV. Ab Januar 2022 steigt sie um drei Euro beziehungsweise 0,76 Prozent. Alleinstehende Erwachsene bekommen dann 449 statt 446 Euro, Kinder statt 309 ganze 311 Euro monatlich. Auch mit miesen Kopfrechenfähigkeiten kann man sich herleiten, dass diese Erhöhung der Inflationsrate nicht gerecht wird – die wird allein in diesem Jahr bei voraussichtlich fünf Prozent liegen. Das ist entlarvend, denn es zeigt, dass Hartz IV mit Absicherung in der realen Welt wenig zu tun hat."

https://www.zeit.de/2021/42/grundsicherung-armut-hartz-iv-arbeitslosigkeit-oecd

Halten sie die vorgesehene Erhöhung um 0,76% für gerecht?
Wenn ja, warum?
Sollte diese Erhöhung die aktuelle Inflation ausgleichen?
Wenn nein, warum?
Wenn ja, werden Sie sich für eine entsprechende Erhöhung einsetzen?

Viele Grüße Thomas S.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Grundsicherung.

Vorab möchte ich Ihnen versichern, dass ich gut verstehen kann, dass ein Leben auf dem Niveau der Grundsicherung und dem noch möglichen Hinzuverdienst schwierig und mit Einschränkungen verbunden ist. Entsprechend kann ich natürlich auch die Enttäuschung über die Höhe der Anpassung zum Januar 2022 nachvollziehen. Im Koalitionsvertrag haben wir uns deshalb daraug geeinigt, die Grundsicherung zu reformieren und in ein Bürgergeld umzuwandeln. 

Zur Anpassung der Sozialleistungen gilt aktuell Folgendes: Die Anpassung von Sozialleistungen erfolgt in der Bundesrepublik entsprechend gesetzlicher Regelungen und nicht willkürlich nach Kassenlage. Das zeichnet unser Sozialsystem aus und macht es krisenfest. Dies gilt für die Anpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, die aufgrund einer Rentenformel erfolgen. Und es gilt auch für die jährliche Anpassung der Leistungen der Grundsicherung nach SGB II und SGB XII (Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe). 

Im Jahr 2003 lag der Bestimmung der Regelleistung im Rot-Grünen Gesetzentwurf das sogenannte Statistikmodell zugrunde, das auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes beruht. Für diese Stichprobe werden alle fünf Jahre rund 60.000 Haushalte befragt. Für die Berechnung des Regelsatzes wurde das nach Nettoeinkommen ärmste Fünftel der Einpersonenhaushalte herangezogen.

Auf der Grundlage der Daten von 2003 wurde ein Regelsatz von 345 Euro berechnet. Diese Leistung, die das unterste Sicherungsniveau darstellt, muss regelmäßig angepasst werden. Sie beträgt nun ab Januar 2022 449 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen (Haushaltsvorstand). Dazu kommt die Übernahme der Kosten für die Unterkunft (Miete/Heizung) und aktive und passive Leistungen der Arbeitsvermittlung und Leistungen z.B. für Kinder.

Alle fünf Jahre wird die „Einkommens- und Verbrauchsstichprobe“ (EVS) erhoben, nach deren Auswertung die Regelsätze komplett neu berechnet werden. Die Ergebnisse der letzten EVS wurden in die Ermittlung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2021 eingearbeitet. Insbesondere für Kinder ergab sich dadurch in den verschiedenen Altersstufen eine erhebliche Steigerung. Ein kurzfristiger Inflationsausgleich ist kein Maßstab für die Anpassung der Leistung.

Maßgeblich ist jeweils die Veränderungsrate, die sich aus der Veränderung in dem Zwölfmonatszeitraum, der mit dem 1. Juli des Vorvorjahres beginnt und mit dem 30. Juni des Vorjahres endet, gegenüber dem davorliegenden Zwölfmonatszeitraum ergibt. Man kann hier also immer nur auf die Preisentwicklung der Vergangenheit zurückgreifen. Daten für die Zukunft liegen naturgemäß nicht vor. Die Anpassung kann daher immer nur mit einem gewissen zeitlichen Verzug erfolgen.

Schaut man sich die aktuellen Preissteigerungen an, betreffen diese hauptsächlich die Energiekosten. Deshalb haben wir kürzlich hierfür einen Heizkostenzuschuss beschlossen. Der Heizkostenzuschuss ist eine einmalige Sonderleistung, die zusammen mit dem Wohngeld ausgezahlt wird. Jede*r Wohngeldberechtigte*r bekommt 135 EUR zusätzlich, wenn er*sie im Zeitraum vom 1. Oktober 2021 bis zum 31. März 2022 Wohngeld bezieht. Leben zwei Personen in einem Haushalt, erhöht sich der Zuschlag auf 175 EUR. Für jede weitere Person im Haushalt kommen dann noch einmal 35 EUR hinzu.

Natürlich verfolgen wir die aktuelle Preisentwicklung genau. Ebenso wollen wir die Grundsicherung in ein Bürgergeld umzuwandeln. Damit verbunden sind erleichterte Zugangsvoraussetzungen und die Überprüfungen der bestehenden Regelungen insgesamt. Auch über die Höhe der Regelsätze sowie deren Fortschreibungsmechanismus werden wir beraten.

Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen beantworten und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft.

Mit freundlichen Grüßen

Jens Zimmermann

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