Frage an Jens Zimmermann von Thomas S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Zimmermann,
In Ihrer Antwort auf eine Frage betreffs des übereinstimmenden Abstimmungsverhaltens von Abgeordneten der SPD und CDU erklären Sie,dass in einer Großen Koalition Kompromisse gemacht werden müssten. Grundsätzlich scheinen Sie die Koalitionsverhandlungen und die Arbeit der Koalition als einen politisch Erfolg zu werten, Zitat:
"Denn gerade die SPD hat in den ersten Monaten der Großen Koalition viele Maßnahmen durchgesetzt, die unser Land gerechter und sozialer gemacht haben und machen werden.(...) Lassen Sie mich hierzu nur einige Maßnahmen aufzählen: Wir haben den flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt, der ab 1. Januar 2015 gilt. Damit sorgen wir für gerechten Lohn und für gute Arbeit, für fairen Wettbewerb statt Lohndumping. Das hilft nicht nur den Arbeitnehmern, sondern stärkt auch die Kaufkraft und damit die Konjunktur."
http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_jens_zimmermann-778-78639--f427849.html#q427849
Bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro erzielt ein in Vollzeit beschäftigter Mensch
ein Monatseinkommen von ca 1450 Euro brutto und damit ein Nettoeinkommen von ca. 1050 Euro(Monat.
Frage 1:
Wenn Sie bei einer solchen Größenordnung von einer "gestärkten Kaufkraft" reden wollen, warum haben Sie und Ihre Kolleg(inn)en von SPD und CDU sich die in 2013 vergleichsweise mit 8252 Euro brutto/Monat üppig bemessene Abgeordnetendiät (mit entsprechender Kaufkraft!) auf aktuell 9082 Euro/Monat erhöht?
Frage 2:
Wo erkennen Sie einen "fairen Wettbewerb" wenn in Vollzeit arbeitende Menschen
mit dem Mindestlohn gerade mal auf 16 % des Bruttolohns eines MdB kommen?
Der Mindestlohn wird schamlos unterlaufen, z.B. in der öffentlichen Ausschreibung eines Studentenjobs,der gerade mal mit einem Stundenlohn von 8 Euro vergütet werden soll:
http://www.jobmensa.de/jobs/35042-mitarbeiter-m-w-fuer-kletterwald-hennef?link_source=newsletter
Frage 3:
Ist das die "gute Arbeit" von der sie reden?
Viele Grüße,
Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch, in der Sie die Diätenerhöhung der Bundestagabgeordneten und die Regelungen zum Mindestlohn kritisieren. Gerne nehme ich hierzu Stellung. Zunächst möchte ich auf die Abgeordnetendiäten eingehen. Der Abgeordnete soll nach dem Grundgesetz sein Mandat frei und ungebunden ausführen können. Demokratie braucht deshalb finanziell unabhängige und unbestechliche Abgeordnete. Mit dem freien Mandat und dem Auftrag, Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes zu sein, wäre es unvereinbar, wenn finanziell abhängige Abgeordnete im Parlament entscheiden oder wenn sie Entscheidungen aufgrund illegitimer Vorteile treffen oder unterlassen.
Mit dem Gesetz zur Abgeordnetenentschädigung hat die Große Koalition die Diäten von Bundestagsabgeordneten langfristig geregelt. Die Maßnahmen in dem Gesetz beruhen auf den Vorschlägen einer unabhängigen Expertenkommission, die 2011 einvernehmlich eingesetzt wurde. Vom 1. Juli 2016 an wird das System grundsätzlich geändert, und die Abgeordnetenentschädigung orientiert sich an dem so genannten jährlichen Nominallohnindex des Statistischen Bundesamtes. Die Abgeordnetendiäten steigen also künftig genau in der Höhe des Bruttodurchschnittsverdienstes der Arbeitnehmer.
Die Abgeordnetenentschädigung orientiert sich nun wie von der Kommission empfohlen an der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten (R 6). Die Tätigkeit eines Abgeordneten als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans ist nach Auffassung der Kommission am ehesten mit einem Richter des Bundes vergleichbar. Beide nehmen ihre Tätigkeit unabhängig wahr. Mit dieser Orientierungsgröße erhalten Abgeordnete eine Entschädigung wie Landräte und Bürgermeister mittelgroßer Städte. Das entspricht der Größe eines Wahlkreises, der etwa 250.000 Einwohner umfasst.
„R 6“ als Orientierungsgröße entspricht zwar der bereits seit 1995 bestehenden gesetzlichen Regelung, tatsächlich haben die Abgeordnetenbezüge diesen Betrag nie erreicht, da die Parlamentarier wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet hatten. So gab es beispielsweise in den Jahren 2003 bis 2007 und 2009 bis 2011 keine Anhebung.
Die Abgeordnetenentschädigung wurde zum 1. Juli 2014 von 8252 Euro um fünf Prozent bzw. 415 Euro auf 8667 Euro und zum 1. Januar 2015 um weitere 4,8 Prozent bzw. 415 Euro auf dann 9082 Euro angehoben. Damit wird die Bezugsgröße R6 18 Jahre nach Bestehen der gesetzlichen Regelung erstmals erreicht.
Es gibt für Abgeordnete aber auch Einschnitte bei der Altersversorgung und der Kostenpauschale: Der Höchstsatz wird von 67,5 Prozent auf 65 Prozent gesenkt, und eine vorzeitige Altersentschädigung ist künftig nur noch mit Abschlägen und erst ab 63 Jahren möglich. Zudem wird die Kostenpauschale bei entschuldigtem und unentschuldigtem Fehlen sowie versäumten namentlichen Abstimmungen weiter gekürzt.
Sie sprechen auch das Thema Mindestlohn und Gute Arbeit an.
Gute Arbeit, wie Sie die SPD-Bundestagsfraktion versteht, besteht aus vielen Teilen. Gute Arbeit heißt u.a. faire Regeln zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite, sichere Beschäftigungsverhältnisse und gute Arbeitsbedingungen. Auch faire Löhne, von denen man eigenständig leben kann, gehören dazu. Hierfür ist der Mindestlohn ein wichtiger Baustein, denn mit ihm konnten wir das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durchsetzen.
Der „faire Wettbewerb“, den Sie aus einer meiner früheren Antworten zitieren, meint nicht den Wettbewerb zwischen Arbeitnehmern, sondern zwischen Unternehmen. Denn der Mindestlohn schützt auch unsere ehrlichen Unternehmerinnen und Unternehmer, die schon immer gute Löhne gezahlt haben. Sie müssen jetzt nicht mehr mit Betrieben konkurrieren, deren Geschäftsmodell vor allem auf Dumpinglöhnen basiert hat.
Damit ist der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde ein historischer Meilenstein in der Arbeitsmarktpolitik, von dem viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in meinem Wahlkreis und in ganz Deutschland profitieren. Ohne die SPD in der Regierung wären wir von einem Mindestlohn in Deutschland noch weit entfernt. Die SPD hat hierbei von Anfang an aufs Tempo gedrückt und dafür gesorgt, dass alle Vereinbarungen des Koalitionsvertrags zum Thema Mindestlohn umgesetzt werden.
Schlupflöcher zur Umgehung der Lohnuntergrenze gibt es kaum noch. Denn ein Stundenlohn von unter 8,50 Euro ist unzulässig! Zur Bekämpfung solcher Verstöße hat das Arbeitsministerium eine Hotline eingerichtet, wo solche Fälle gemeldet werden können. Die von Ihnen zitierte Stellenanzeige ist für Freiberufler ausgeschrieben. Für freie Mitarbeiter gilt der gesetzliche Mindestlohn nicht. Hierbei muss es sich aber tatsächlich um eine freie Mitarbeit handeln und nicht um die Tätigkeit eines Arbeitnehmers, sonst wird der Mindestlohn umgangen. Auch solche Verdachtsfälle können bei Mindestlohn-Hotline des Arbeitsministeriums gemeldet werden. Ich hoffe, die Informationen helfen Ihnen weiter.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Jens Zimmermann