Jens Neuling
WASG
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Frage von Konstantin V. •

Frage an Jens Neuling von Konstantin V. bezüglich Verkehr

Hallo Her Neuling!

Wie ist ihr Standpunkt zu der Bahn-Starkstromtrasse in ihrem Wahlkreis?
Was halten sie vom persönlichen Engagement der Vertreter der großen Parteien in ihrem Wahlkreis (speziell Frau Vogels Mitwirkung in der Bürgerinitiative) mit denen sie ja konkurrieren wollen.
Was würden sie besser machen?

Antwort von
WASG

Sehr geehrter Herr Volkov,

Ich begrüße das sehr engagierte Eintreten der CDU-Direktkandidatin im Wahlkreis III. Das findet meine aufrichtige Anerkennung.
Da bekanntlich auch die SPD-Direktkandidatin – u. a. in Zeitungsanzeigen – wissen lässt, dass sie sich gegen Starkstrommasten mitten durch Altglienicke einsetzt, und da Herr Doering nun sogar Herrn Gysi in die Spur schicken wird (wie ersterer hier bei kandidatenwatch.de auf Nachfrage bekannt gegeben hat), kann doch eigentlich für die potentiell Betroffenen nichts mehr schief laufen ...

Spass beiseite, zwei Tatsachen machen mich sehr wütend.

1. Ich kann nicht verstehen, dass seit Jahren ein Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses gegen eine überirdische Starkstromtrasse der Bahn vorliegt, und nichts Konkretes in Richtung einer Projektänderung oder -absage passiert, die betroffenen Bürger werden weiter im Ungewissen gelassen, bleiben unter sich mit ihren vorrangig finanziellen und gesundheitlichen Zukunftsängsten ...

2. Als ATTAC-Mitglied unterstütze ich das breite Aktionsbündnis "Bahn für Alle" gegen die geplante Bahnprivatisierung. Beide gegenwärtig diskutierte Privatisierungsmodelle beinhalten gravierende negative gesellschaftlichen Folgen (wobei sich mit der letzten von mir aufgezählten Auswirkung der Bogen meiner Argumentation schließen wird):

- Verlust von Steuerungsmöglichkeiten in einem strategischen Bereich: In einer Zeit von Klimawandel und Umweltzerstörung gibt die öffentliche Hand ohne Not und ohne materielle Gewinne einen (verkehrs-) politischen Einfluss auf den Schienensektor, der für eine Politik der Verkehrswende strategisch ist, auf.
Gleichzeitig werden in diesem wichtigen Bereich Scheunentore für private Investoren geöffnet, die bahnfremde Interessen haben.

- Es wird im Personenverkehr einen Abbau von Schienenverkehr geben: Private Investoren haben primär Interesse an hochrentablen Strecken und Angeboten. Sie werden Verbindungen streichen und das Netz weiter abbauen. Ein konkreter Streckenabbau von mindestens 5.000 km (von derzeit 34.000 km) ist im Gespräch. Womit das Bahnnetz auf den Stand von 1878 gebracht werden würde.

- Es kommt zu einem Flickenteppich bei Tarifen und Fahrplan: Je mehr „Wettbewerb“ es im Schienenverkehr geben wird, desto weniger werden Fahrpläne und Tarife aufeinander abgestimmt sein. Was bereits heute bei einem Vergleich der privaten Betreiber mit der DB AG zu beobachten ist.

- Die DB AG wird weiter zerlegt; die Beschäftigtenzahl weiter massiv abgebaut, der Streß für die Nochbeschäftigten erhöht: Alle Privatisierungen hatten diese negativen Folgen für die Situation der Beschäftigten, was auch zu einem verschlechterten Service beiträgt. Es ist unzutreffend, dass die Privatisierung eines „integrierten Konzerns“ einen Schutz für die Bahnbelegschaft darstellen würde. Bereits die in Bundesbesitz befindliche „integrierte DB AG“ hat seit 1994 und bis 2005 die Belegschaft halbiert und den Arbeitsstress für die Nochbeschäftigten massiv erhöht. Dieser Kurs wird sich mit der materiellen Privatisierung verschärfen.

- Es entsteht im Wortsinn ein Verschiebebahnhof von Unsummen von Steuergeldern hin zu privaten Profiteuren: Auch bei einer teilprivatisierten Bahn soll der Bund jährlich rund 10 bis 12 Mrd. Euro im Jahr für das System Schiene bezahlen – dann überwiegend an private Eigentümer. In einem Jahrzehnt werden so Steuergelder in Höhe von 100 bis 130 Milliarden Euro in Bereiche transferiert, die primär von privaten Investoren kontrolliert werden.

Wie so oft bei den neoliberalen Privatisierungsprojekten ist die Bilanz eindeutig: Am Ende bezahlen die Fahrgäste, die Umwelt und spätere Generationen eine teure Zeche; kurzfristig profitieren wenige private „Investoren“, die sich faktisch als „Destruktoren“ erweisen.
Im Bundestag stehen derzeit alle Parteien (außer der Linkspartei) für die eine oder andere Variante dieses Bahn-Ausverkaufs, also rund 90 Prozent der Abgeordneten.

Und: diese, "unsere" Bahn hat angeblich keine Mittel für technische Alternativen für die Oberland-Leitung durch Altglienicke! Welcher Hohn!

Bitte glauben Sie mir, dass ich diese brisante Thematik sehr ernst behandeln werde, denn ich bin selbst einer aus der Menge der Gefährdeten - als Anwohner unmittelbar an den Gleisanlagen und damit der geplanten Trasse (Ecke Rosestr./Bohnsdorfer Weg).
Jegliche Initiativen und Aktivitäten (parlamentarisch und außerparlamentarisch) werden meine volle Unterstützung finden.

Mit freundlichen Grüßen

Jens Neuling