Frage an Jens Neuling von Karin K. bezüglich Verkehr
Werter Herr Neuling!
Welche Position nimmt ihre Partei zur Notwendigkeit und zu den Möglichkeiten der Sanierung der hoch verschuldeten Berliner Verkehrsbetriebe ein?
Wie steht ihre Partei zum weiteren Einkommensverzicht der BVG-Beschäftigten und zur Streichung weiterer Arbeitsplätze als Kostensenkungs- und damit letztlich Schuldenabbaumaßnahmen?
Sehr geehrte Frau Klaus,
im Zuge der neoliberalen Privatisierungswelle sind mittlerweile selbst Kernbereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Bildung, Wasser, Gesundheit, Straßenbau, soziale Sicherheit oder der Betrieb von Gefängnissen in den Fokus von privaten Investoren geraten.
Wegen der verschärften globalen Konkurrenz und bestehender Überkapazitäten sind die Investoren auf der Suche nach neuen und lohnenden Verwertungsfeldern. Dabei werden sie von neoliberalen Regierungen gezielt unterstützt: zuerst werden Unternehmen und Millionäre massiv von Steuern entlastet. Die öffentliche Hand erzeugt selbstverschuldet und vorsätzlich Haushaltsdefizite, um diese dann durch Privatisierungen, also dem Verkauf des “Tafelsilbers“, wieder zu schließen. So wird Vermögen verschenkt, das in den letzten 100 Jahren mit Steuergeldern aufgebaut wurde.
Aus leider aktuellem Anlass wehren wir uns mit betroffenen Mietern entschieden gegen den drohenden Verkauf von 15.000 Wohnungen der WBM. Zudem hat der Berliner Landesverband der WASG während der Jubiläumsveranstaltung des Strandbads Wannsee öffentlichkeitswirksam auf die Folgen der Privatisierung der Berliner Wasserversorgung hingewiesen.
Die Berliner WASG wendet sich prinzipiell und kategorisch gegen jegliche Form der Privatisierung öffentlicher Betriebe und Güter durch den Berliner Senat und fordert die Rückführung bereits privatisierter Betriebe der öffentlichen Daseinsfürsorge.
Lange Zeit schienen die vorgeschobenen Argumente der Privatisierer einleuchtend: öffentliche Unternehmen seien ineffizient und bürokratisch, die Verbraucher würden letztlich daraus resultierende, überteuerte Preise zahlen.
Jedoch waren alle Privatisierungsprojekte - auch in Berlin - zugleich von Lohnsenkungen, massivem Personalabbau und einer Zunahme der Arbeitsbelastung der verbliebenen Belegschaften begleitet.
Die Frage nach den Gründen für die anwachsende Verschuldung der BVG, nach den Möglichkeiten zur Sanierung der Berliner Verkehrsbetriebe einschließlich weiterer “Opfer“, die die BVG-Beschäftigten erbringen sollen, steht für mich persönlich deshalb auch im Zusammenhang mit einer drohenden Privatisierung der BVG.
“Berlin verließ unter Rot-Rot als erstes Bundesland den kommunalen Arbeitgeberverband und gilt unter den Bundesländern als Vorreiter für Arbeitszeitverlängerung, Stellenabbau und Lohnkürzungen...
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG setzte der Senat eine Tarifabsenkung von über zehn Prozent und den Wegfall von 3.000 Vollzeitstellen durch. Dabei wurden in diesem für die Bevölkerung so wichtigen Bereich schon in den letzten 15 Jahren 15.000 Arbeitsplätze zusammengestrichen...
BVG-Kostensenkungen als Vorstufe zur Privatisierung
Bei den Verkehrsbetrieben setzte der Berliner Senat im Jahr 2004 Gehaltskürzungen von zehn Prozent durch. Bei Neueinstellungen werden nochmals 15 Prozent vom ursprünglichen Gehalt abgezogen. Dadurch sparte das Land knapp 50 Millionen Euro bei den BVG-Beschäftigten.
Der Senat begründet diese Entscheidungen damit, dass nach EU-Recht ohne die beschlossenen Ausgabenkürzungen ab 2008 Fahraufträge ausgeschrieben werden müssten. Der Lohnverlust ist jedoch kein Schutz vor Privatisierung. Im Gegenteil. Die Kostensenkungen machen eine Übernahme der BVG für private Betreiber - wie in Zwickau unlängst geschehen - noch interessanter. Auch von einer Arbeitsplatzgarantie kann keine Rede sein. In den vergangenen 15 Jahren wurden bei der BVG über 15.000 Stellen gestrichen. Von den übrigen 12.500 Arbeitsplätzen sollen bis zum Jahr 2008 weitere 3.000 wegfallen. Gleichzeitig folgte eine Fahrpreiserhöhung nach der anderen.
Schon heute arbeiten die KollegInnen 75 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Die Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich von 38,5 auf 36 Stunden wird zu keiner Verringerung der Arbeitsbelastung führen, da die Fahrleistung pro Beschäftigtem nicht wesentlich reduziert wurde.
Die WASG Berlin fordert die Rücknahme der Lohnkürzungen bei der BVG.
Um den Wildwuchs bei den Vorstands- und Managergehältern der Anstalten des Landes Berlin und öffentlichen Betrieben einzudämmen, fordern wir einen Erlass des Senats, der die maximalen Bezüge auf die Höhe des Gehalts des Regierenden Bürgermeisters begrenzt.“
(Aus dem Programm der WASG Berlin zur Berliner Abgeordnetenhauswahl am 17.9.2006, beschlossen auf dem Landesparteitag am 22. April 2006)
Mit freundlichen Grüßen
Jens Neuling