Frage an Jens Ackermann von Ernst Ullrich S. bezüglich Gesundheit
Ich bedanke mich für die ausführliche Stellungnahme des Gesundheitsministerium zu meiner Frage, warum ich als normaler Angestellter einer Pflichtversicherung beitreten muss und andere gesellschaftliche Gruppen nicht. Ich glaube, je länger und öfter man eine Sache argumentativ bearbeiten muss, um so wackeliger scheint die Begründung zu sein. Denn ich habe bisher schon zwei ellenlange Stellungnahmen vom Ministerium bekommen.
Die von Ihnen bei abgeordnetenwatch veröffentlichte Stellungnahme lässt für die drei Ausnahmezustände für mich nur folgende Schlüsse zu:
1. Beamte
Bei der Behandlung des Beamtentums scheint die Ungleichbehandlung zementiert zu sein und unanfechtbar, weil alle, die etwas ändern könnten, an ihren eigenen Privilegien sägen würden. Auch die Bundesrichter sind nach meiner Auffassung befangen.
2. Besserverdienende
Wieso ein Mensch in einer höheren Gehaltsklasse Wahlfreiheit hat, ist mit Logik nicht zu erklären, nur mit den Machtverhältnissen. Normale Arbeitnehmer scheinen per se dümmer und verantwortungsloser zu sein
3. Selbständige
Nur ein Selbständiger soll nach Auffassung des Gesetzgebers in der Lage sein, solche Entscheidungen und Risiken zu tragen, der Arbeitnehmer nicht, der wird wie ein unmündiges Kind behandelt. Ein Angestellter lebt doch in sicheren Verhältnissen als ein Selbständiger!
Ich wünsche mir zu den drei hier aufgezeigten Punkten eine persönliche Stellungnahme von Ihnen. Zum anderen habe ich die Frage, was der Inhalt des Verfassungsgerichtsurteils war, das genannt wurde - Urteil vom 10. Juni 2009 (1 BvR 706/08)
Dass mein eigener konkreter Vorschlag zur grundsätzlichen Reform der Krankenversicherung von allen angefragten Abgeordneten völlig ignoriert wurde, zeigt mir, wie wenig Politiker über ihren Tellerrand schauen wollen,
Mit freundlichen Grüßen,
Ernst Ullrich Schultz
Sehr geehrter Herr Schultz,
gegenwärtig weißt in der Finanzierung und Organisation im Rahmen einer beitragsfinanzierten Pflichtversicherung - gemäß des Modells der Wohlfahrtstaatstypen von Esping-Andersen (1990) - Deutschland mehrheitlich Züge eines konservativen Wohlfahrtstaates auf.
Wie vom Bundesministerium für Gesundheit dargelegt, erfolgt diese Regelung - wie bei Massensachverhalten üblich - jedoch vor dem Hintergrund eines typisierenden Sachverhalts. Letztliches Ziel ist Absicherung der Menschen im Krankheitsfall und hier wird zunächst vermutet, dass diese das Einkommen und das Vermögen der Betroffenen übersteigen kann und so in die Armut führt. Dies hat sicher nicht als Grund, dass die "normalen Arbeitnehmer" per se dümmer und verantwortungsloser sind - diese Einschätzung teile ich nicht.
Ob mit Blick auf die Beamte Bundesrichter befangen sind, kann ich Ihnen auch nicht beantworten, da ich kein Jurist bin. Auch möchte ich keineswegs pauschal behaupten, dass ein Angestellter in sicheren Verhältnissen als ein Selbstständiger lebt.
Gleichwohl ist ein wesentliches Element der umfassende Leistungsanspruch der GKV-Versicherten und ihr hoher Versicherungsschutz mit einem umfassenden Leistungskatalog - und das ist eine wichtige Errungenschaft. Unabhängig von Diskussionen, die sicherlich notwendig und berechtigt erscheinen.
Ungeachtet dessen, wissen Sie - gerade vor dem Hintergrund Ihres Anliegens - sicher, dass die FDP eben eine Entkopplung der Beiträge zur GKV von den Lohnkosten anstrebt(e) und dies mit dem GKV-Finanzierungsgesetz gelungen ist. Wir wollen den Einstieg in die Gesundheitsprämie! Sicher auch in Ihrem Interesse: http://www.liberale.de/Roesler-Gesundheitspraemie-wesentlich-gerechter/4449c8209i1p/index.html
Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht kann ich Ihnen folgenden Link senden: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20090610_1bvr070608.html
Es ging hier im Einzelnen um
1. Die Einführung des Basistarifs durch die Gesundheitsreform 2007 zur Sicherstellung eines lebenslangen, umfassenden Schutzes der Mitglieder der privaten Krankenversicherung ist verfassungsgemäß.
2. Der Gesetzgeber durfte zur Erleichterung des Versicherungswechsels und zur Verbesserung des Wettbewerbs in der privaten Krankenversicherung die teilweise Portabilität der Alterungsrückstellungen vorsehen.
3. Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse darf auf ein dreijähriges Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze ausgedehnt werden.
4. Den Gesetzgeber trifft eine Beobachtungspflicht im Hinblick auf die Folgen der Reform für die Versicherungsunternehmen und die bei Ihnen Versicherten.
Bezüglich Ihres Vorschlags zur grundsätzlichen Reform der Krankenversicherung kann ich Ihnen nur sagen, dass ich Abgeordnetenwatch nicht als entsprechendes Forum verstehe, um solche Themen ausführlich und in Ruhe zu diskutieren.
Wenn Sie möchten, lade ich Sie hierzu aber gerne zu einem persönlichen Gespräch in mein Wahlkreis- oder Berliner Büro ein.
Mit den besten Wünschen
Ihr
Jens Ackermann