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Frage von Ernst Ullrich S. •

Frage an Jens Ackermann von Ernst Ullrich S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Ackermann,

aufgestoßen durch immer neue Reformen und Reförmchen im Gesundheitswesen, ob durch SPD, CDU/CSU oder jüngst durch Ihren Parteikollegen Rösler, entstand bei mir als Angestellter die Frage, wieso ich verpflichtet bin, einer gesetzlichen Kasse anzugehören, wenn Selbständige, die z.T. weniger verdienen und in weniger sicheren Verhältnissen leben und Besserverdienende und Beamte dieser "Solidargemeinschaft" auch nicht anzugehören brauchen. Ich fragte beim Gesundheitsministerium nach und bekam folgende Antwort:
"Der Gesetzgeber hat diese Abgrenzung nach dem Kriterium der sozialen Schutzbedürftigkeit und der Aufrechterhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft vorgenommen."
Die Argumentation erscheint mir völlig unlogisch: Wo bleibt die Schutzbedürftigkeit des Staates für einen Selbständigen, der oftmals weniger als ein Angestellter verdient und oft ein hohes Risiko trägt? Und wo bleibt die Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft, wenn ausgerechnet die Besserverdienenden und die Beamten davon ausgenommen sind?
Verstößt die gesetzliche KV als Zwangsversicherung nicht massiv gegen den grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz?
Im übrigen bin ich kein Anhänger eines privatisierten Gesundheitssystems, sondern sehe dieses System als ungerecht und bürokratisch an. Ich selbst strebe eine freie Solidargemeinschaft an.

Ein einfaches System stelle ich mir vor, wo jeder Bürger eine steuerfinanzierte Pauschale vom Staat für die freie Wahl seiner KV bekommt. Dann wäre das Gesundheitssystem endlich von der Arbeits- und Einkommensituation entkoppelt und man ersparte sich eine Menge Bürokratie, die vielen entwürdigenden Bedürftigkeitsprüfungen entfielen.

Eine letzte persönliche Frage: Wie sind Sie krankenversichert?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schultz,

zunächst möchte ich mich herzlich für Ihre interessante Frage beantworten. Da ich sie berechtigt, richtig und wichtig fand und Sie selbst auch auf das Bundesministerium für Gesundheit explizit eingehen, habe ich das Ministerium bereits Ende September 2010 um eine Stellungnahme gebeten.

Leider mahlen die bürokratischen Mühlen bisweilen sehr langsam und erst heute habe ich eine Antwort erhalten. Ich bitte Sie die lange Frist zu entschuldigen, ich hätte Ihnen schon gern früher geantwortet. Es ist sicherlich sehr ärgerlich, aber leider hat es eineinhalb Monate gedauert, bis die entsprechende Antwort vorlag. Diese möchte ich Ihnen nun gern mitteilen.

Das Ministerium schreibt:
"Beamte erhalten im Krankheitsfall Beihilfe nach den Vorschriften des Beihilferechts und haben die davon nicht erfassten Kosten in der Regel über eine private Restkostenversicherung abgeschlossen. Sie bedürfen daher nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, die zudem grundsätzlich auf eine volle Kostenübernahme der medizinischen Leistungen gegen einen vollen Krankenversicherungsbeitrag angelegt ist.

Die von Ihnen angesprochene finanzielle Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist nur eines von mehreren tragenden Prinzipien, nach denen sich die Versicherungspflicht von Personen in der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt. Daneben gilt das Prinzip der Subsidiarität in der gesetzlichen Krankenversicherung. Danach unterallen Personen nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, die sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eigenverantwortlich für eine Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung oder privaten Krankenversicherung entscheiden können. Der Gesetzgeber hat zu diesem Personenkreis Arbeitnehmer mit einem Jahresarbeitsentgelt oberhalb der Versicherungspflichtgrenze gerechnet.

Bei der Schutzbedürftigkeit von Selbstständigen ist der Gesetzgeber, wie im Sozialversicherungsrecht bei der Regelung von Massensachverhalten üblich, von einem typisierenden Sachverhalt ausgegangen. Anders als ein Arbeitnehmer muss ein Selbstständiger eine Vielzahl von Entscheidungen, u. a. auch in der sozialen Absicherung, treffen. Dies gilt insbesondere für die Absicherung im Krankheitsfall, im Alter und bei Berufsunfähigkeit. Danach kann der Selbstständige eigenverantwortlich über seinen Krankenversicherungsschutz entschieden und beispielsweise eine bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bereits bestehende gesetzliche Krankenversicherung fortsetzen oder eine private Krankenversicherung begründen.

Das Prinzip der Versicherungspflicht ist neben dem solidarischen Lastenausgleich eines der grundlegenden Prinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung. Nur auf diese Weise kann ein wirksamer finanzieller Schutz vor dem Lebensrisiko Krankheit gewährleistet werden. Denn bei einer schweren Erkrankung eines Bürgers, die in keinem Lebensalter ausgeschlossen werden kann, können sehr schnell hohe Behandlungskosten anfallen, die das Einkommen und das Vermögen des Betroffenen übersteigen und in die Armut führen. Des Weiteren wird durch die Versicherungspflicht auch verhindert, dass der Betroffene selbst über den Beginn des Versicherungsschutzes entscheidet und ihn bis zu dem Zeitpunkt hinausschiebt, in dem die anfallenden Krankheitskosten seine zur gesetzlichen Krankenversicherung zu entrichtenden Beiträge übersteigen. Der Gesetzgeber hat daher die gesetzliche Krankenversicherung in Form einer Zwangsversicherung ausgestaltet. Nur so kann auch die Allgemeinheit vor unterlassener Risikovorsorge des Einzelnen wirksam geschützt werden. Auch kann allein auf diesem Weg der sozialpolitisch gewünschte Solidarausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht werden. Aus diesem Grund werden auch Personen, die dem Grunde nach nicht versicherungspflichtig sind, seit dem 1. April 2007 von einer "nachrangigen" Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst, bzw. seit dem 1. Januar 2009 zum Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages in der privaten Krankenversicherung verpflichtet, wenn sie nicht eigenverantwortlich für eine Absicherung im Krankheitsfall gesorgt haben.

Die genannten Unterschiede zwischen in der gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtversicherten und anderen Personen stellen nach Auffassung des für Grundrechtsfragen zuständigen Bundesministeriums der Justiz sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung in Hinblick auf die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung dar, so dass insoweit kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Grundgesetz vorliegt. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 10. Juni 2009 (1 BvR 706/08) die Existenz der privaten neben der gesetzlichen Krankenversicherung für legitim anerkannt."

Zu Ihrer persönlichen Frage am Schluss: Ich bin bei der Debeka versichert.

Ich hoffe, die ausführliche Stellungnahme kann Ihre Fragen beantworten.

Mit den besten Wünschen und der Bitte um Verständnis, dass ich Ihnen aufgrund der geschilderten Sachlage erst jetzt antworten konnte

Ihr
Jens Ackermann