Frage an Jens Ackermann von Karl E. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
Im Ärztenachrichtendienst/Facharzt.de vom 12.03.10 werden Sie zitiert mit der Forderung nach grundlegenden Reformen in der ambulanten medizinischen Versorgung, insbesondere Bürokratieabbau: "Ärzte und Praxisteam sollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können - die Versorgung von Patienten." Ähnliches äußerte auch Herr Minister Dr. Rösler. Wann werden hier endlich Taten folgen?
Es geht hier nicht nur um die Flut von Anfragen von Kassen, Versorgungsämtern, Rentenversicherungsträgern, Sozialgerichten u.a., oder unsinnigen Bescheiden von Ämtern, die zwangsläufig eine Flut von Widersprüchen provozieren usw. Sondern ganz wesentlich wird dieser Bürokratie-Tsunami verursacht durch ein absurdes, intrasparentes, mit zunehmend kürzeren Halbwertszeiten immer wieder umgekrempeltes Honorarsystem, und durch eine immer mehr ausgeweitete bürokratische Qualitätssicherung, die zum allergrößten Teil in Dokumentations- und Codier-Vorgaben besteht, die keinen Bezug mehr zur unmittelbaren Qualität der Patientenversorgung haben.
Fatal wird das ganze durch die Verknüpfung solcher bürokratischer Qualitätsprogramme mit der Honorierung ärztlicher Leistungen. Das wirtschaftliche überleben der Arztpraxen wird dadurch zunehmend abhängig von der Bewältigung der dadurch induzierten Verwaltungstätigkeit, und die notwendige Zuwendung zum Patienten bleibt auf der Strecke. Leider gehen alle Vorschläge der Kassenärztlichen Vereinigung in diese - m.E. falsche - Richtung, bis hin zum Ziel, sog. "pay-for-perfomance"-Systeme einzuführen.
M.E. sollte die - ohne Zweifel dringend notwendige - Qualitätssicherung entkoppelt werden von der Honorierung erbrachter ärztlicher Leistungen. Und die Qualitätssicherung sollte sich auf praxisrelevante und für die Patientensicherheit wesentliche Aspekte beschränken, und nicht mit der Kanalisierung von Geldflüssen kontaminiert werden
Dr. med. Karl Ebertseder
Augsburg
Vorstandsmitglied im Bayerischen Facharztverband
Sehr geehrter Herr Dr. Ebertseder,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Nachricht und entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihnen erst jetzt antworte.
Lassen Sie mich auf die von Ihnen angesprochene Bürokratie und auf das Honorarsystem zu sprechen kommen. In der Tat ist das Vergütungssystem viel zu kompliziert und intransparent. Die Budgetierung ist nicht abgeschafft, sondern lediglich in anderer Form wieder aufgelebt. Die bundesweite Angleichung der Ärztehonorare wird den regionalen Gegebenheiten nicht gerecht. Selbst diejenigen, die jetzt besser dastehen als vorher, müssen befürchten, dass sich das ganz schnell wieder ändern kann. Planungssicherheit ist nicht gegeben, keiner blickt mehr durch, mit welchen Einnahmen er rechnen kann. Wer als Arzt mehr arbeitet, bekommt das nicht leistungsgerecht honoriert. Stattdessen braucht es eine einfache, durchschaubare und leistungsgerechte Gebührenordnung, die die Grundlage für die Abrechnungen der Ärzte bildet.
Die FDP und ich wollen, dass es eine qualitativ gute, flächendeckende ärztliche Versorgung in allen Regionen gibt. Das setzt aber voraus, dass junge Menschen sich wieder als Ärzte niederlassen wollen. Sie müssen die Freude an ihrer Arbeit zurückgewinnen. Bürokratische Anforderungen und Kontrollen (Ihr Bürokratie-Tsunami) müssen auf das notwendige Mindestmaß zurückgeführt werden. Es muss wieder mehr Zeit für die Betreuung der Patienten bleiben.
Wir freuen uns deshalb, dass diese Überlegungen Eingang in die Koalitionsvereinbarung gefunden haben. Dort heißt es: „Die Ärztinnen und Ärzte brauchen einen gesicherten Rahmen für ihre Arbeit. Eine Grundvoraussetzung ist ein einfaches, verständliches Vergütungssystem, das die Leistungen adäquat abbildet. Dabei werden regionale Besonderheiten Berücksichtigung finden. Nach kritischer Überprüfung wird die Honorarreform unter dieser Zielsetzung zusammen mit den Beteiligten den erforderlichen Kurskorrekturen unterzogen. Wir wollen die Transparenz für Ärztinnen und Ärzte sowie für Versicherte erhöhen. Deshalb wollen wir die Möglichkeiten der Kostenerstattung ausweiten. Es dürfen dem Versicherten durch die Wahl der Kostenerstattung keine zusätzlichen Kosten entstehen.“ Damit sind wir auf einem guten Weg, die anstehenden Probleme zu lösen.
Grundlage einer kritischen Überprüfung und damit auch der notwendigen Korrekturen sind valide Zahlen zu den Auswirkungen der Honorarreform. Diese liegen derzeit jedoch leider noch nicht vor. Die FDP wird nun verstärkt auf die Vorlage drängen.
Wir setzen uns nach wie vor mit allem Nachdruck für eine grundlegende Reform in der Gesundheitspolitik ein, die auf Transparenz, Eigenverantwortung, Nachhaltigkeit beruht, dem Gesundheitsbereich die für einen Wachstumsmarkt notwendige Flexibilität ermöglicht und die Arbeitskosten entlastet, um Arbeitsplätze zu schaffen. Bei der Reform setzen wir auf die Freiberuflichkeit als Garant für eine gute, flächendeckende Versorgung, die Hausärzte wie Fachärzte gleichermaßen braucht.
Ich hoffe, Ihre Bedenken und Sorgen aufgegriffen zu haben. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Ich verbleibe nun mit den besten Wünschen für ein schönes Osterfest
Ihr
Jens Ackermann