Frage an Jens Ackermann von Joe P. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Ackermann, Sie schreiben in Ihrem Newsletter:
„.... stehen wir auch deswegen in der Kritik, da wir das umsetzen, was wir vor der Wahl versprochen haben.....“
Können Sie mir – und natürlich auch den anderen Wählern - die Diskrepanz erklären, die in der von der FDP geforderten Verschlankung des Regierungsapparates ( vor der Wahl !! ) besteht, und der tatsächlichen Umsetzung. Gefordert wurde, die Anzahl der Staatssekretäre zu reduzieren. Tatsächlich aber ist ein Posten hinzu gekommen. Nicht verschwiegen werden sollte dabei, dass einen dieser Posten von Cornelia Pieper neu besetzt wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Peppie,
zunächst freut es mich natürlich, dass ich Sie zu den Lesern meines Newsletters zählen darf. Umso wichtiger ist es natürlich, dass Sie sich kritisch mit der Politik auseinander setzen und nachfragen. In Ihrem Schreiben an mich nehmen Sie dabei Bezug auf Berichte, wonach die schwarz-gelbe Regierung neue Stellen geschaffen habe, obwohl dies nicht zu den Forderungen meiner Partei vor der Wahl passte.
Um Ihre Frage zu beantworten, möchte ich zunächst die Sachverhalte skizzieren und so mit einigen Irrtümern aufräumen:
- Der Haushalt 2010, den wir gerade in den Ausschüssen beraten, ist noch der Entwurf von Peer Steinbrück. Er enthält noch keine großen Änderungen durch die neue Koalition, außer dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz und einer geringeren Schuldenaufnahme als von Steinbrück und der SPD vorgesehen.
- Der Haushalt wurde Mitte Januar ins Parlament eingebracht. Die parlamentarischen Beratungen finden nun statt und enden voraussichtlich im März 2010. Erst mit der Verabschiedung des Haushalts 2010 im Bundestag sind dann die Beratungen für 2010 abgeschlossen.
- Die FDP bringt jetzt bei allen Einzelplanberatungen Anträge aus dem Sparbuch ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das FDP-Sparbuch im Oktober 2008 erstellt wurde zum Bundeshaushalt 2009. Es bedarf selbstverständlich einer Aktualisierung aufgrund z. B der Finanz- und Konjunkturkrise, genauso wie auch jeder neue Bundeshaushalt aktualisiert wird.
- Wir sind uns mit dem Koalitionspartner über die Sparanstrengungen einig, besonders für den Etat 2011. Dazu gab es bereits eine Spar-Klausur der Haushaltspolitiker von CDU/CSU und FDP.
- In den begonnenen Haushaltsberatungen werden wir den Entwurf des Haushalts 2010 im parlamentarischen Verfahren an vielen Stellen korrigieren. Die aktuellen Beratungen zum Bundeshaushalt 2010 zeigen, dass in vielen Bereichen die Haushaltsansätze im Sinne des FDP-Sparbuchs korrigiert werden können.
- Die Behauptungen von politischen Magazinen wie Frontal 21 und Panorama, im Haushalt werde nicht gespart, sind daher eindeutig falsch. Endgültige Zahlen werden wir im März nennen können, da die Beratungen im Haushaltsausschuss jetzt noch stattfinden.
- Die Behauptung des TV-Magazins "Frontal 21", z. B. im Auswärtigen Amt werde es zu Mehrausgaben im Haushalt kommen, ist richtig, und doch nicht korrekt. Die berichtete Zahl der Mehrausgaben von 150 Mio. wurde noch vom früheren Außenminister Steinmeier eingereicht und ist der für Afghanistan eingeplante Zusatzbetrag.
- Es wird immer wieder auf die Forderung nach Streichung von Staatssekretärstellen verwiesen. Diese Forderung haben wir für richtig gehalten, weil z. B. das Entwicklungshilfeministerium oft im Gegensatz zum Außenministerium gearbeitet hat, obwohl beide ehemaligen Minister SPD-Mitglieder sind. Durch den Koalitionsvertrag hat nun endlich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bedeutend mehr Aufgaben bekommen. Aktuell bekam gerade dieses Bundesministerium mehr Bedeutung durch die Katastrophe in Haiti und durch entwicklungspolitische Konzepte zum Ausstieg in Afghanistan (Konferenz in London).
- Als Steinmeier Vizekanzler wurde, bekam er einen zusätzlichen Staatssekretär, der sich nur um "Parteiarbeit" kümmerte, um die innenpolitische Arbeit des Vizekanzlers Steinmeier und seinen Wahlkampf als Kanzlerkandidat der SPD zu unterstützen. Daher haben wir die Streichung dieser Stelle verlangt. "Parteiarbeit" kann nicht vom Steuerzahler bezahlt werden. Der jetzige dritte Staatssekretär hat nun selbstverständlich völlig andere Aufgaben, auf keinen Fall macht er "Parteiarbeit" wie bei der SPD.
Und dann noch eine Klarstellung:
Es wurde behauptet: Die schwarz-gelbe Bundesregierung will die Ministerialbürokratie um mehr als 1000 Stellen ausbauen. Bund der Steuerzahler und SPD sind empört. Verbandschef Karl Heinz Däke sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Dienstagausgabe): «Die neue Regierung will über 1000 neue Stellen schaffen, vorwiegend mit teuren Beamten. Das ist dreist.» Statt wie versprochen zu sparen, «macht Schwarz-Gelb das Gegenteil und bläht den Verwaltungsapparat des Bundes auf», kritisierte Däke. "Anspruch und Wirklichkeit könnten nicht weiter auseinander liegen."
"Schockiert und sehr überrascht" habe er auf die Personalpläne im Haushaltsentwurf 2010 reagiert, erklärte SPD-Finanzexperte Carsten Schneider in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Vor allem die Liberalen hätten vor der Wahl stets Bürokratieabbau versprochen, sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. "Die FDP hat sich um 180 Grad gedreht. Von der Diät ist sie zur Mastkur übergegangen."
Richtig ist jedoch:
- Mit dem Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2010 werden – wie in der Presse zitiert - brutto rd. 1.800 neue Stellen bzw. Planstellen ausgebracht. Davon entfallen 347,3 Stellen bzw. Planstellen auf die die Ministerien bzw. sonstige Bundesoberbehörden (z. B. die Verfassungsorgane). Diesem Brutto-Aufwuchs stehen folgende Einsparungen gegenüber: Wegfall ca. 800 Stellen bzw. Planstellen
- Damit ergibt sich ein im Rahmen der Haushaltsaufstellung „verhandelter“ Aufwuchs in Höhe von netto 985,2 Stellen bzw. Planstellen (Ministerien und oberste Bundesbehörden: netto 260,4)
- Bei den Bundesministerien und den sonstigen Bundesoberbehörden resultiert der Aufwuchs größtenteils aus neuen – auch gesetzlichen – Aufgaben bzw. der Ausweitung bestehender Aufgaben im nachgeordneten Bereich.
- Im nachgeordneten Bereich wurden zahlreiche refinanzierte Planstellen bzw. Stellen bewilligt (insbesondere beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: 65 Stellen). Weiterhin wurden Bereiche verstärkt, die zur Verbesserung der Einnahmesituation des Bundes führen z.B. Mautharmonisierung (61 Stellen), Finanzkontrolle Schwarzarbeit (200 Stellen) oder Stauabbau beim Deutschen Patent- und Markenamt (188 Stellen).
- Mit dem Regierungsentwurf 2010 werden die gesetzlichen Stelleneinsparungen des Haushaltsgesetzes 2009 nachvollzogen: § 20 pauschale Einsparung in Höhe von 0,6 % der Planstellen und Stellen; § 21 Stelleneinsparung aufgrund der Verlängerung der Wochenarbeitszeit von Beamtinnen/Beamten: 0,4 % der Planstellen. Hieraus ergibt sich der Wegfall von insgesamt 1.566,2 Stellen bzw. Planstellen; davon 114,5 bei den Ministerien bzw. den sonstigen Bundesoberbehörden.
- Im Ergebnis sinkt der Stellenbestand um fast 600 Stellen bzw. Planstellen (- 581). Stellenbestand im Jahr 2000: 305.770 2010: 259.457 (aktuell 2. RegE) Abbau in den letzten 10 Jahren: 46.313 Stellen oder Reduzierung um ca. 15,1 Prozent.
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage erklären konnte. Sollten Sie weitere Fragen haben, zögern Sie bitte nicht und nehmen Sie mit mir oder meinen Mitarbeitern Kontakt auf.
Mit den besten Wünschen
Ihr
Jens Ackermann