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Jennifer Jasberg
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Frage von Wolf M. •

Frage an Jennifer Jasberg von Wolf M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Jasberg,

Der Hamburger Senat hat im November 2012 mit Muslimverbänden Verträge geschlossen, um „gegenseitige Rechte und Pflichten“ zu klären. In der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft und in der Einzelbegründung der Verträge wird erläutert, dass die Muslimverbände als „privatrechtliche Religionsgemeinschaften“ (anders als Körperschaften des öffentlichen Rechts) „keine Verpflichtung zur Rechtstreue“ haben. Insoweit fehlt also grundsätzlich die Gewähr für grundgesetzkonformes Verhalten.

Halten Sie es für richtig, dass diese Verträge weder eine Kündigungsklausel, noch einen Kündigungstermin noch Sanktionen gegen Verstöße gegen Abmachungen enthalten?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage. Da ich selber nicht an der Ausarbeitung der
Verträge mitgewirkt habe und keine Kenntnis darüber habe, ob
Kündigungsklauseln üblicherweise Teil eines solchen Vertragsabschlusses
sind, kann ich Ihre Anfrage nicht im Detail beantworten und würde Sie
bei anhaltendem, bestehenden Interesse zu einer Anfrage an den Senat
oder Recherche in anderen deutschen Städten inspirieren wollen.

Unabhängig der vertraglichen Details sind meines Wissens nach die
Verträge mit Muslimen und Aleviten geschlossen worden, um der
Gleichberechtigung der Religionen in einer pluralistischen
Einwanderungsgesellschaft gerecht zu werden. Es existierten bereits
Verträge mit der Kirche, dem Heiligen Stuhl und der Jüdischen Gemeinde.
Die geschlossenen Verträge dienen als ein wichtiges Integrationssignal
an die Muslime und Aleviten in Hamburg. Sie sorgen dafür, dass sich
Glaubensgemeinschaften, die sich um Anerkennung ihrer Interessen
bemühen, auf Augenhöhe begegnen können.

In den gemeinsam mit den muslimischen Verbänden ausgehandelten Verträgen
bekennen sich die Religionsgemeinschaften in Artikel 1 und 2 auf das
Grundgesetz und die demokratische Rechtsordnung, insbesondere auch zur
Gleichberechtigung der Geschlechter, der Toleranz gegenüber anderen
Religionen, Kulturen und Weltanschauungen. Als Grüne sehen wir keinerlei
Veranlassung, an der Ernsthaftigkeit dieser Erklärungen der muslimischen
Verbände zu zweifeln. Gewaltbereite, demokratie- und menschenfeindliche
Ideologien bemächtigen sich verschiedener Religionen. Wenn
extremistische Salafisten in Hamburg Menschen für den Terror in Syrien
rekrutieren oder Grundrechte missachten, muss man in aller Härte dagegen
vorgehen. Die muslimischen Verbände haben sich klar von diesen religiös
motivierten Extremisten distanziert. Sie leisten wichtige
Unterstützungsarbeit im Kampf gegen diesen Extremismus und sind somit
wichtige Partner bei der Prävention.

Mir ist sehr bewusst, dass aufgrund der Vielzahl verschiedener
islamischen Vereine in der Hansestadt kein Vertragspartner mit
vergleichbarer Repräsentanz, wie bei den christlichen Kirchen
beispielsweise, angegegeben und durch den Vertragsabschluss mitnichten
DER Ansprechpartner für Muslime generell ausgemacht werden konnte. Von
daher ist auch nicht davon auszugehen, dass die Vertragspartner als
Autoritäten gleichermaßen in allen Gemeinden Anerkennung finden und ihre
Islaminterpretation die alleingültige ist.
Aber grundsätzlich sind wir Grünen der Meinung, dass verschiedene
Religionen nicht als Risiko, sondern als Chance zu begreifen sind. Der
Dialog unter ihnen ist wichtiger Bestandteil für den Erhalt des sozialen
Friedens in einer Einwanderungsstadt wie Hamburg.
Ich persönlich fände es zudem sehr wichtig auch mit denjenigen, die sich
bewusst als nicht-gläubig begreifen, den Dialog zu suchen und
Strukturen, in denen gesellschaftliche Debatten mit atheistischem Fokus
geführt werden, in einer überwiegend von Konfessionslosen bewohnten
Stadt, zu stärken und zu integrieren.

Mit den besten Grüßen
Jennifer Jasberg

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