Sehr geehrte Frau Schimke, was müsste getan werden damit die Menschen im Nichttarifgebiet nicht die großen Verlierer sind?
Ihre Diäten steigen unsere Löhne und Gehälter nicht. Die Niedriglohnpolitik der Regierung Merkel für Ostdeutschland wirkt sich jetzt furchtbar aus. Der Mindestlohn schiebt nur den unteren Rand weiter zusammen. Was ist Ihre Meinung und Lösung dazu?
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Seit Jahren beobachten wir einen Rückgang der Tarifbindung in Deutschland. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich, doch führen sie nicht unbedingt zu einer Stagnierung der Löhne in Deutschland. Vor der Corona-Krise sind die Löhne seit 2009 kontinuierlich über der Inflation angestiegen und die Anzahl der Beschäftigten im Niedriglohnsektor stagnierte wegen der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist eine Entscheidung der Unternehmen, sich eben nicht einem Tarifvertrag anzuschließen. Dies ist nichts falsches und muss in einem Land der sozialen Marktwirtschaft möglich sein. Unsere Soziale Marktwirtschaft fußt seitjeher auf dem Prinzip der Tarifautonomie bei der vorrangig Arbeitgeber und Arbeitnehmer und nicht die Politik für die Lohnentwicklung verantwortlich sind. Aufgabe der politischen Akteure ist es, das rechtliche Grundgerüst und die allgemeinen Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine positive Lohnentwicklung zu ermöglichen. Der Mindestlohn kann ein solcher Rahmen sein, wenn dieser natürlich gewachsen und unpolitisch angepasst wird. Die letzte Anhebung auf 12 Euro wurde jedoch politisch festgelegt und stellt einen tiefen Eingriff in die bestehende Lohnstruktur dar.
Rund 125 Tarifverträge werden durch den gesetzlichen Mindestlohn direkt außer Kraft gesetzt, obwohl sie gemeinsam mit den Gewerkschaften passgenau für diese Branchen austariert und vereinbart worden sind. Das wird sich negativ auf die Tarifbindung und die Bereitschaft auswirken, weiterhin Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen. Planungssicherheit und Verlässlichkeit – zwei wesentliche Elemente der Tarifautonomie – werden durch eine solche staatliche Vorgehensweise konterkariert. Es stellt sich die Frage, warum tarifliche Mindestlöhne überhaupt noch vereinbart werden sollen, wenn sich der Staat immer wieder in die Lohnfestsetzung einmischt und regelmäßig die untersten Löhne aushebelt. Je mehr der gesetzliche Mindestlohn von unten auf die tariflichen Lohngefüge einzelner Branchen drückt und den Lohnabstand durch kurzfristige und massive Mindestlohnsprünge verkleinert, desto geringer dürfte die Motivation für eigene branchenspezifische Tariflösungen werden.
Steigende Löhne sind die Konsequenz einer guten Konjunktur. Nur wenn Unternehmen in der wirtschaftlichen und finanziellen Lage sind, können sie in Personal und Strukturen investieren. Daher ist der Schlüssel einer guten Lohnpolitik eine gute Wirtschaftspolitik, die unsere wirtschaftlichen Akteure entlastet als weiter zu belasten. Gerade in Zeiten von steigenden Energiepreisen, der geopolitischen Lage und einer anziehenden Inflation braucht es Entlastungsmaßnahmen. Dazu gehört für mich ein Abbau bürokratischer Hürden, steuerliche Entlastungen sowie stabile Sozialbeiträge. Diskussionen über Steuererhöhungen oder von Maßnahmen, die unsere sozialen Sicherungssysteme auf die Probe stellen sind daher unangebracht und kontraproduktiv.
Abschließend möchte zur jährlichen Anpassung der Abgeordnetendiäten kurz Stellung beziehen. Seit 2013 orientiert sich die Abgeordnetenentschädigung an die Verdienstentwicklung der Beschäftigten in Deutschland. Nur wenn die Löhne und Gehälter in Deutschland steigen, dann sollen auch die Diäten steigen. So wurden die Diäten 2021 aufgrund der Corona-Pandemie um 0,7% gesenkt, weil auch die Löhne und Gehälter durch die Corona-Krise entsprechend zurückgegangen sind. In 2020 hatte der Bundestag zudem keine Anhebung durchgeführt, obwohl seinerzeit die Löhne um 2,6% gestiegen waren. Für 2022 wurden die Abgeordnetenbezüge anhand der positiven Lohnentwicklung dann wieder um 3,3% angepasst. Das derzeitige Verfahren, welches einst von einer unabhängigen Kommission vorgeschlagen und entwickelt wurde, halte ich daher für angemessen, fair und transparent.
Mit freundlichen Grüßen
Jana Schimke, MdB