Frage an Jan van Aken von Marco B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Jan van Aken,
in den Zeitungen kann ich lesen, dass Sie Sahra Wagenknecht nicht nur kritisieren, sondern auch ihren Rücktritt verlangen. Sie haben per Twitter geschrieben, dass wer Frau Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzende einer linken Fraktion sein.
Ich persönlich habe die Bemerkungen von Frau Wagenknecht nicht als eine "rechte" Kritik eingeschätzt. Vielmehr war es für mich eine Kritik an Frau Merkels pauschaler Aussage: "Wir schaffen das." Dabei geht es meiner Meinung nach weniger um das Wort "schaffen", denn vielmehr um das Wort "wir".
Was genau meint denn Frau Merkel mit dem Begriff "wir"? Die CDU, die CSU, die Kapital-Elite unserer Republik?
Herr Schäuble kann der derzeit Bundesanleihen begeben, für die er am Ende der Laufzeit weniger bezahlen muss, als er dafür bekommen hat. Das Vermögen der Kapital-Elite wächst seit Jahren, so dass eine Vermögenssteuer nicht das Wachstum sondern lediglich die Höhe des Wachstums begrenzen würde. Und so gäbe es noch vieles mehr, was uns in die Lage versetzen würde, den Flüchtlingen angemessen zu helfen und sie umfänglich im Land zu integrieren. Was uns aber auch in die Lage versetzen würde, die Fluchtursachen vor Ort erfolgreich zu bekämpfen.
Sehen Sie Herr von Aken, genau hier liegt das Problem. Ich habe nicht das Gefühl, dass es ein "Wir" gibt, dass alle umfasst. Und dieses Problem deutlich anzusprechen ist doch genau die Aufgabe einer linken Fraktion.
Die GroKo steigert die Rüstungsexporte, schickt Soldaten nach Mali, schließt Verträge und Abkommen zum Wohle des Exportüberschusses und zum Nachteil der ärmeren Länder und sorgt damit direkt und indirekt für flüchtenden Menschen. Und dabei ist es für den Flüchtenden egal, ob er vor der Kugel flüchtet, oder ob er vor dem Verhungern flieht, er möchte einfach nur leben.
Somit steht die Politik von Frau Merkel genau für das Gegenteil von "Wir schaffen das", womit Frau Wagenknecht mMn nichts Falsches gesagt hat.
Mit freundlichem Gruß
M. Beyer
Sehr geehrter Herr Beyer,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich teile sehr vieles von dem, was Sie schreiben - ja, natürlich gibt es auch eine linke Kritik an Merkels „wir schaffen das“! Aber eine Formulierung wie die folgende ist aus meiner Sicht sehr kritikwürdig und geradezu gefährlich: "Der Staat muss jetzt alles dafür tun, dass sich die Menschen in unserem Land wieder sicher fühlen können. Das setzt voraus, dass wir wissen, wer sich im Lande befindet und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotentiale gibt“. Dieser Generalverdacht gegen Flüchtlinge, der Ruf nach umfassender Kontrolle, diese plumpe Vereinfachung der sehr unterschiedlichen Anschläge/Amokläufe - das sind alles Forderungen und Denkansätze, die mit einem linken Internationalismus unvereinbar sind.
Mit freundlichen Grüßen
Jan van Aken