Frage an Jan van Aken von Stefan S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr van Aken,
die Linke will wie alle Parteien den zivilen Aufbau in Afghanistan vorantreiben. Wie sieht dies konkret aus? Was sind ihre Vorschläge? Was soll wer tun?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mfg
Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
vielen Dank für Ihre Frage zum zivilen Aufbau in Afghanistan. In der Tat reden alle Parteien davon, dass der zivile Aufbau in Afghanistan vorangetrieben werden muss. Allerdings gehen die Vorstellungen davon, wie das genau aussehen soll, weit auseinander. Die schwarz-gelbe Regierung knüpft den zivilen Aufbau jetzt an die Zusammenarbeit mit dem Militär. Zivile Hilfsorganisationen, die in Afghanistan die tatsächliche Aufbauarbeit machen, sollen künftig nur dann Gelder bekommen, wenn sie mit der Bundeswehr zusammenarbeiten. Auch SPD und Grüne setzen seit Jahren auf diesen Weg der sogenannten zivilmilitärischen Zusammenarbeit. Das ist aber grundfalsch. Aufbau kann nur dort stattfinden, wo das Militär gerade nicht ist. Das hat die Erfahrung der vergangenen Jahre deutlich gezeigt. Ich bin im Februar 2010 mit meiner Kollegin Christine Buchholz nach Afghanistan gereist. Wir haben dort mit Opfern und Hinterbliebenen des Bombenangriffs von Kundus gesprochen, aber auch mit zivilen Helfern und mit Soldaten. Die zivilen Helfer haben uns gesagt, dass sie selbst in Taliban-Hochburgen zivile Projekte aufgebaut haben und bis heute erfolgreich betreiben. Möglich war und ist dies, weil man sich vorab genau über die Bedingungen vor Ort informiert hat, die Machtstrukturen kannte und sich entsprechend im Vorfeld mit den richtigen Leuten zusammengesetzt - und das Militär herausgehalten hat.
Es ist klar, dass der zivile Aufbau dieses durch mehr als 30 Jahre Krieg zerstörten Landes sehr viel Zeit, Geld und Geduld braucht. Was er aber nicht braucht, sind immer mehr Soldaten. Die Strategie der Bundesregierung, schnelle Erfolge zu erzielen, kann nicht funktionieren und schon gar nicht lässt sich mit Militär etwas aufbauen - Krieg bedeutet Zerstörung, ziviler Aufbau aber braucht zivile Anstrengungen. Ein Wiederaufbau des Landes wird so lange scheitern, wie das internationale Militär im Land ist und den zivilen Wiederaufbau behindert. Der Vizepräsident des afghanischen Parlaments hat uns bei unserem Besuch in Afghanistan gesagt: "Wir brauchen nicht mehr Militär, wir brauchen Ingenieure. Mehr Militär bedeutet nur mehr Probleme". Er hat recht. Deshalb müssen die internationalen Truppen raus aus Afghanistan - erst dann hat der zivile Aufbau des Landes eine Chance.
Mit besten Grüßen
Jan van Aken