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Jan-Marco Luczak
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Frage von Anton H. •

Frage an Jan-Marco Luczak von Anton H. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Jan-Marco Luczak,

nachdem man offenbar so gute Erfahrungen mit der Paralleljustiz, den sogenannten "Schiedsgerichten", gemacht hat, dass man sie jetzt auch mit TTIP auf die USA ausdehnen möchte, stellt sich doch die Frage, ob diese Schiedsgerichte nicht auch für berechtigte erwartete Einnahmeausfälle von Privatleuten sinnvoll einsetzbar wären. Wenn beispielsweise ein Migrant die Erwartung hatte, dass er hier in Deutschland ein Auto, einen Fernseher und eine schöne Wohnung bekommt, sollte er doch ebenso das Recht haben, wie z.B. ein Chlorhühnchenfabrikant oder Genfood-Produzent aus den USA, sich nicht erfüllte Einnahmen- und Gewinnerwartungen von guten Advokaten in nichtöffentlichen Gesprächen in klingende Münze umwandeln zu lassen.
Was für die Wirtschaft gut ist kann doch für Privatleute nicht verkehrt sein.
Wenn beispielsweise ein Hartz4-Empfänger erwartet hätte, dass er Kindergeld zusätzlich zum Hartz4-Satz der Kinder bekommt, könnte er das doch genauso von einem Advokaten in einem privaten Schiedsgericht austarocken lassen, als mühsam den legalen Gerichtsweg zu beschreiten.
Die guten Gründe, die für Schiedsgerichte anstelle der regulären Justiz bei der Wirtschaft sprechen (hat da nicht ein Investor, der sich schon schöne Gewinne mit der Detroit-Brücke (Detroit und Windsor) erträumte, völlig zurecht 3,5 Milliarden Dollar für den Entgang der entgangenen, erträumten Gewinne gefordert, weil man ihm seine Gewinnträume nicht erfüllte), sprechen doch in gleicher Weise auch für private Schiedsgerichte anstelle der regulären Justiz bei Privatleuten.

Werden Sie sich ebenso stark für Schiedsgerichte anstelle der regulären Justiz bei Privatleuten einsetzen wie für TTIP und Schiedsgerichte anstelle der regulären Justiz bei der Wirtschaft?

Da würde einfach nur dem Gleichheitgrundsatz entsprechen.

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Gernot Huber

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CDU

Sehr geehrter Herr Huber,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Schiedsgerichte im Rahmen von TTIP.

TTIP reiht sich in eine lange Liste erfolgreicher Freihandelsabkommen ein, die im Interesse Deutschlands sind. Denn die EU und besonders Deutschland profitieren in hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. In Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz am Export. Wenn wir unseren Wohlstand und unsere hohen sozialen Standards hierzulande erhalten wollen, brauchen wir eine starke deutsche Exportwirtschaft.

Von einer Aushöhlung der Demokratie kann bei TTIP keine Rede sein. Das Freihandelsabkommen wird von demokratisch gewählten Regierungen verhandelt und am Ende stimmen das EU-Parlament sowie die Parlamente jedes einzelnen Mitgliedstaates darüber ab. Demokratische Kontrolle ist also gewährleistet.

Konkret geht es bei TTIP unter anderem darum, Zölle abzubauen, den Unternehmen aus der EU und den USA jeweils einen diskriminierungsfreien Marktzugang zu ermöglichen, Zulassungsverfahren zu vereinfachen sowie Berufsabschlüsse und gegenseitige Standards anzuerkennen. Allein in der für uns so wichtigen Automobilbranche könnten jährlich bis zu eine Milliarde Euro an Zöllen gespart werden. Solche Kosten verteuern Produkte bislang unnötig und zwingen Unternehmen an anderer Stelle Geld einzusparen.

Ich finde es dennoch nachvollziehbar, dass sich viele Bürger um eine Absenkung europäischer Standards sorgen. Diese Bedenken werden in den Verhandlungen der EU auch berücksichtigt. So hat die Bundesregierung der EU-Kommission klare Vorgaben gemacht: Deutschland wird kein Gesetz zum Schutz von Menschen, Tieren oder Umwelt aufheben. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und notwendiger Umweltschutz sind nicht verhandelbar. Auch der Mindestlohn, das Streikrecht, Tarifverträge und ähnliche Standards bleiben von TTIP unberührt. Es gibt zudem weitgehende Ausnahmen zum Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge wie etwa bei der Wasserversorgung. Einen oft behaupteten Privatisierungszwang gibt es nicht.

Deutschland setzt sich erfolgreich dafür ein, dass die ambitionierten Ziele des Freihandelsabkommens nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten gehen. Das Recht, auch in Zukunft im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, darf nicht angetastet werden. Der Gesetzgeber soll das Schutzniveau etwa im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes selbst festlegen. TTIP dient dazu, gemeinsame Prinzipien zu vereinbaren, damit die konkrete Ausgestaltung von Schutzstandards möglichst geringe handelsbeschränkende Auswirkungen hat. Das bestehende hohe europäische Schutzniveau in verschiedenen Bereichen steht nicht zur Disposition.

Lassen Sie mich nun konkret auf den sogenannten Investorenschutz eingehen. Von diesen international seit Jahrzehnten üblichen Regelungen hat Deutschland stets profitiert. Der Grundgedanke ist der Schutz ausländischer Investitionen vor unkalkulierbaren, willkürlichen Eingriffen – zum Beispiel Enteignungen – in anderen Ländern. Die Schiedsgerichtsverfahren sollen hier in Streitfällen als unabhängige, länderübergreifende Entscheidungsinstanz dienen. Die Durchsetzung von Ansprüchen natürlicher Personen innerhalb Deutschlands – etwa bei Kindergeld, Hartz-IV oder ähnlichen Leistungen – haben mit den internationalen Handels- und Investitionsbeziehungen nichts zu tun. Denn hier trifft kein ausländischer Staat Entscheidungen, die deutsche Leistungsempfänger in ihren Ansprüchen beeinträchtigen.

Für den Investorenschutz auf internationaler Ebene ist aber klar, dass die bisherige Praxis bei den Schiedsgerichten erhebliche Schwächen hat, die dem Gemeinwohl in einigen Fällen entgegenstehen. Allerdings ist es nicht so, dass die Klagen stets im Interesse der Konzerne ausgehen. Rund die Hälfte solcher Verfahren wurden bislang von den Staaten gewonnen, etwa ein Viertel ging zugunsten von Unternehmen aus und ein weiteres Viertel endete in Vergleichen. Gegen Deutschland wurden bislang drei Klagen erhoben, die im Ergebnis alle abgewiesen wurden.

Es gibt durchaus berechtigte Kritik an den bisherigen Schiedsgerichtsverfahren. Mit TTIP haben wir aber die Chance, hier notwendige Veränderungen durchzusetzen. Die EU-Handelskommisssarin Malmström hat eine umfangreiche Reform des aktuellen Schiedsgerichtssystems vorgeschlagen. So soll unter anderem ein neuer „Investitionsgerichtshof“ mit öffentlich bestellten, hochqualifizierten Richtern geschaffen werden. Dieser Ansatz ist in etwa vergleichbar mit den Mitgliedern ständiger internationaler Gerichte wie dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Für mich ist ganz klar, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt.

TTIP bietet die Chance zur Verbesserung des Investitionsschutzrechts, die wir ergreifen sollten. Dazu gehören klarere Regeln für die Zusammensetzung und Funktionsweise der Schiedsgerichte, die Qualifikation und Unabhängigkeit der Richter, das Verhältnis zum nationalen Rechtsweg und die Frage von Revisionsmöglichkeiten. Darüber müssen und werden wir weiter mit unseren transatlantischen Partnern sprechen.

Die Chancen, dass wir dabei mit den USA erfolgreich sein werden, hatten sich zuletzt verbessert. Erst vor einigen Monaten hat die EU im Freihandelsabkommen mit Kanada einen solchen Gerichtshof durchgesetzt. Diese Institution soll die bislang vorgesehenen privaten Schiedsgerichte ersetzen. Nach diesem Vorbild verhandelt die EU-Kommission nun auch mit den USA.

Sie sehen, eine Ablehnung von TTIP würde dazu führen, dass internationale Schiedsgerichtsverfahren in ihrer alten Ausprägung erhalten blieben. Mit den Verhandlungen über TTIP haben wir die Gelegenheit, neue Standards und Verfahren beim Investitionsschutz zu setzen. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir die TTIP-Verhandlungen nicht ablehnen dürfen, sondern das Abkommen nach unseren Vorstellungen mitgestalten sollten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan-Marco Luczak

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