Frage an Jan-Marco Luczak von Peter B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Luczak,
Medienberichten zurfolge soll der "Rettungsschirm" als Institution Immunität bekommen. Wie soll denn da von einzelnen Mitgliedstaaten, insbesondere denen die Geld einzahlen, Missbrauch vorgebeugt werden? Wie soll eine parlamentarische Kontrolle erfolgen? Haben Sie keine Sorge, dass diejenigen die dann z.B. Kommissar sind den Versuchungen einer solchen Machtstellung unterliegen könnten und welche Konsequenzen sollte das nach sich ziehen?
Was wäre so dramatisch an einem Schuldenschnitt für Griechenland, dass Sie uns so eine undemokratische Bürde auferlegen wollen?
In der EU gibt es eine derartige Steuergeldverschwendung wie z.B. die Sitzungen des Parlaments in Strasburg, das soll jährlich 100.000.000,- Kosten.
Fangen Sie doch endlich an verantwortungsvoll mit dem Vermögen das Ihnen treuhänderisch von den Wählerinnen und Wählern anvertraut wurde umzugehen!
Mit freundlichen Grüßen
Peter Bayer
Sehr geehrter Herr Bayer,
vielen Dank für Ihre Frage vom 20.10.2011 zum Euro-Rettungsschirm.
Bei der von Ihnen angesprochenen „Immunität“ nehme ich an, dass Sie die Immunität des Europäischen Stabilitätsmechanismus meinen, welche in Artikel 27 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) genannt ist. Diese hat jedoch nicht zur Folge, dass der ESM keiner Kontrolle unterliegt.
Im Rahmen des ESM, der ab dem 1. Juli 2013 an die Stelle der jetzt gültigen Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) tritt, sind die Verfahren festgelegt, unter welchen Bedingungen Euro-Staaten Unterstützung erhalten können. Ein Mitglied der Europäischen Währungsunion erhält nur Kredite, wenn die Stabilität der Eurozone gemäß des neuen Art. 136 Absatz 3 AEUV insgesamt gefährdet ist. Des Weiteren muss der hilfeersuchende Staat darlegen, welche Reformmaßnahmen er vornimmt, um seine finanzielle Lage zu verbessern. Es gibt also eine strikte Konditionalität. Dabei ist die sogenannte EU-Troika aus Kommission, IWF und EZB als überhaupt die objektive und fachlich versierte Instanz eingebunden. Eine parlamentarische Kontrolle wird u.a. durch die zuständigen Aufsichtsgremien sichergestellt.
Der von Ihnen angesprochene Schuldenschnitt (sog. „Haircut“) für Griechenland wurde bereits im Juli dieses Jahres mit ca. 21 % und auf dem Euro-Gipfel vom 26. Oktober 2011 mit 50 % beschlossen. Diese von Bundeskanzlerin Merkel vorangetriebene Maßnahme entspricht einer Größenordnung von rund 100 Milliarden Euro. Auf diese Zahlungen müssen die privaten Gläubiger, also Banken und Versicherungen, nun verzichten. Das zeigt: wer Risiken eingeht um stattliche Renditen zu erlangen, muss letztlich auch Verantwortung tragen und haften. Eurostaaten und Zentralbanken werden von dem Schuldenschnitt hingegen nicht belastet.
Hinzu kommt die verbindliche Rekapitalisierung der Banken. Sie müssen ihr Eigenkapital bis Mitte nächsten Jahres auf 9 % erhöhen, um im Falle größerer Zahlungsausfälle nicht so leicht in Schieflage zu geraten. Insofern ist dies ein weiterer richtiger und wichtiger Schritt, private Gläubiger wie Banken an der Eurokrise zu beteiligen.
Die unterschiedlichen Standorte europäischer Institutionen sind finanzpolitisch alles andere als ideal. Sie sind Ergebnis eines politischen Kompromisses. Ebenso problematisch ist aus meiner Sicht als Berliner Abgeordneter die Aufteilung der Bundesministerien in Berlin und Bonn, die hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft einmal überwunden werden kann.
Versichern kann ich Ihnen abschließend, dass ich mir – wie auch alle meine Kollegen - die in den letzten Monaten getroffenen Entscheidungen nicht leicht gemacht habe. Letztendlich galt es, zwischen Chancen und Risiken verantwortungsbewusst im Sinne der Bürgerinnen und Bürger abzuwägen und die Folgen der Krise für den Euroraum sowie die Bundesrepublik größtmöglich abzufedern. Ich glaube, dass Deutschland und Europa mit dem eingeschlagenen Weg am besten gedient ist.
Ich hoffe Ihnen mit Beantwortung Ihrer Frage weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan-Marco Luczak