Soziale Gerechtigkeit Die Linke will eine ausbeutungsfreie Gesellschaft, welche sie demokrat. Sozialismus nennt. Haben sie eine Begriffsdefinition von Ausbeutung und von deren Größen für Deutschl.?
Es gibt bisher von Seiten der Linken keine Begriffsdefinition von Ausbeutung und auch keine Aufstellung wie viel Ausbeutung es gibt.
Wie will die Linke zur einer ausbeutungsfreien Gesellschaft bzw. politischen Mehrheiten dafür kommen, wenn sie den Menschen nicht erklären kann, was sie davon haben bzw. was es konkret für Deutschland bedeutet?
Wie viel Geld geht den Menschen verloren, welche Arbeits- und Lebenszeit müssen die Menschen dafür aufwenden? Wie hoch ist der Resourcenverbrauch dafür?
Wieso kommt in Wahlprogrammen von Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen die Begriffe Ausbeutung und Umverteilung nicht vor, obwohl dies ja in jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeden Landkreis und in jeden Bundesland tagtäglich stattfindet?
Wie ist ihre Einschätzung dazu?
Für mich sind z.B. „leistungslose Einkommen“ Ausbeutung, weil der erzielte Gewinn/Reichtumszuwachs ohne persönliches Risiko bzw. eigene Arbeit entsteht.
Monopolgewinne/Ausbeutung z.B. d. Immobilien- und Bodenspekulation u.v.a.
Sehr geehrter Herr S.
vielen herzlichen Dank für Ihre höchst interessante Frage. Ich finde Ihre Idee, wonach die LINKE versuchen sollte, genau zu beziffern, wie viel Ausbeutung von Mensch und Natur in allen Sphären der Gesellschaft jeweils steckt, sehr spannend. Dass die Linke „keine Begriffsdefinition von Ausbeutung“ hat ist allerdings nicht richtig. Dank Marx sind wir in der Lage Ausbeutung im weitesten Sinne als jede Situation zu bezeichnen, in der Menschen unentgeltlich zum Nutzen anderer arbeiten. Im engeren Sinne ist Ausbeutung die Produktion eines Mehrprodukts durch die Arbeiter*innen, das von den Besitzern der Produktionsmittel angeeignet wird. Und unter einem technischen Gesichtspunkt lässt sich schließlich die kapitalistische Ausbeutung als Nutzung der Arbeitskraft durch den Kapitalisten definieren, um Mehrwert zu produzieren. Im Kapital III, MEW 25, S. 242 schreibt Marx: „Der Ausbeutungsgrad der Arbeit, die Aneignung von Mehrarbeit und Mehrwert wird erhöht namentlich durch Verlängerung des Arbeitstags und Intensivierung der Arbeit.“ Insofern ist der Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ein wichtiges Puzzlestück im Kampf um soziale Gerechtigkeit.
Da Ausbeutung gleichzeitig ein ökonomisches - die Aneignung des Mehrprodukts - und ein gesellschaftliches Verhältnis ausdrückt - die Teilung in gesellschaftliche Klassen -, kennzeichnet die Ausbeutung jede Gesellschaft, in welcher der Besitz der Produktionsmittel die Menschen in antagonistische Klassen teilt. Wenn auch ihr Inhalt gleich bleibt, entwickeln sich die konkreten Formen der Ausbeutung im Laufe der Geschichte auf unterschiedliche Weise.
Nicht korrekt ist ihre Behauptung, dass in Wahlprogrammen der LINKEN zu Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen die Begriffe Ausbeutung und Umverteilung nicht vorkämen. Ausbeutung wird exakt 19 mal im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 genannt und Umverteilung immerhin fünf mal. Im Wahlprogramm findet sich zudem ein eigenes Kapitel zur Spekulation mit Grund und Boden. Diese „leistungslosen Einkommen“ würde ich wie Sie ebenfalls als Form der Ausbeutung bezeichnen.
Wie gesagt: Es wäre zwar großartig, wenn man das genaue und jeweils konkrete Ausmaß der Ausbeutung exakt beziffern könnte. Das herauszubekommen wäre ggf. mal eine Aufgabe für motivierte kritische Wissenschaftler*innen und politische Ökonomen. Vielleicht lässt sich da auch was mit Hilfe von KI machen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es vorerst auch ohne geht. Denn eigentlich wissen ja alle abhängig Beschäftigten, dass sie ausgebeutet werden, weil nur so der Kapitalismus funktioniert.
Mit besten Grüßen
Jan Korte