Sollte eine Verstaatlichung der Post und Bahn erfolgen? Meiner Meinung nach geht es seit der Verstaatlichung kontinuierlich abwärts.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich muss Ihnen widersprechen: Es ist doch genau umgekehrt. Nicht nur meiner Meinung nach geht es seit der Privatisierung weiter Teile der Daseinsvorsorge - und darunter eben auch von Bahn und Post – fast überall steil bergab. Eine Verstaatlichung - oder besser noch Vergesellschaftung - fand ja in den vergangenen neoliberalen Jahrzehnten gar nicht statt.
So ist die Deutsche Post AG seit fast dreißig Jahren privatisiert und ein börsennotiertes Unternehmen, dessen Aktienanteile sich zu nahezu 80 Prozent in Privatbesitz befinden. Und auch die die Deutsche Bahn AG ist, wie der Name schon sagt, seit ihrer Gründung 1994 ein Aktienunternehmen, das sich zwar im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland befindet, faktisch aber ein profitorientierter Konzern mit weitgehendem Eigenleben ist.
Was hat die Privatisierung gebracht?
Die Deutsche Post hat seit Jahren die Zahl der Filialen verringert. Wurden anfangs nur Postfilialen auf dem Land geschlossen und durch Postagenturen ersetzt, so trifft dies zunehmend auch auf Großstädte und deren Vororte zu. Seit Anfang und Mitte der 2000er-Jahre wurde ebenfalls die Anzahl von Briefkästen und deren Leerungszeiten massiv reduziert. Datenschutzskandale, die Gründung von insgesamt 49 neuen Regionalgesellschaften im Paketgeschäft, deren rund 6.500 Mitarbeiter schlechter bezahlt werden als die Kollegen im Post-Haustarif und miese Arbeitsbedingungen bringen Belegschaft und Kunden seit Jahren in Rage. 2022 erreichte die Zahl der Beschwerden gegen die deutsche Brief- und Paketbranche mit etwa 43.500 einen Höchststand; die meisten Meldungen von verspäteten oder verlorenen Sendungen richteten sich dabei an die Deutsche Post AG.
Und bei der Bahn ist die Lage keinen Deut besser: In der Regel macht das Unternehmen negative Schlagzeilen, an positive kann ich mich jedenfalls kaum erinnern. Berichte über Verspätungen, Zugausfälle und schlechten Kundenservice, über mangelhafte Infrastruktur, massenhaft stillgelegte Strecken, vernagelte und aufgegebene Bahnhöfe und ganze Regionen, die von der Schiene abgehängt wurden, sind sicher auch Ihnen geläufig.
Die Bilanz der neoliberalen Privatisierungsorgie ist verheerend: Höhere Preise und Gebühren, schlechterer Service, rücksichtlose Ausnutzung von Angebotsmonopolen, weniger demokratische Kontrolle und geringere Einnahmen für die öffentlichen Haushalte sowie prekäre Arbeitsverhältnisse sind an der Tagesordnung. Hunderttausende Arbeitsplätze wurden in Europa durch Privatisierungen vernichtet. Die verbliebenen Arbeitsplätze werden schlechter entlohnt, sind unsicher, und der soziale Standard sinkt. Die tägliche Erfahrung zeigt: Die elementare Daseinsvorsorge (Gesundheit, Bildung und Kultur, Energie, Wasser, Busse und Bahnen, Abfallentsorgung, Post, Wohnen) gehört in die öffentliche Hand.
Deshalb will die Fraktion DIE LINKE Privatisierungen stoppen und fordert einen leistungsfähigen öffentlichen Sektor. Angesichts der schlechten Leistungsbilanz privatisierter Betriebe sollte das widerlegte Dogma aufgegeben werden, privat sei stets besser als öffentlich. Stattdessen ist es höchste Eisenbahn für Vergesellschaftung!
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte