Frage an Jan Korte von Tim I. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Korte!
Ich bin ein gesetzestreuer Bürger dieses Landes, der stets die zivilisatorischen Werte unserer Demokratie verteidigt hat, und ich bin ein Liebhaber und Sammler von frei erwerbbaren Waffen. Bitte hören Sie mich an.
Wie ich erfahren habe, beschäftigt sich der Innenausschuss derzeit mit einer weiteren Verschärfung des Waffengesetzes, die möglichweise auch ein weitreichendes Verbot von „Anscheinswaffen“ umfassen soll, das nicht nur das Führen, sondern auch Handel und Besitz verbieten soll.
Die Argumentation der Befürworter des Verbots lässt erkennen, dass ihr Vorstoß einer Sorge um die innere Sicherheit entspringt. Gerade aus dieser Sorge heraus, die ich ebenfalls teile, möchte ich Sie eindringlich bitten, NICHT für die geplante Verschärfung einzutreten. Ein solches Verbot wäre der Stabilität unserer Demokratie und somit der inneren Sicherheit meiner Einschätzung nach im Gegenteil abträglich, denn: Vertrauen basiert auf Gegenseitigkeit. Wenn die Regierenden ihrem Volk schrittweise das Vertrauen entziehen, indem sie immer restriktivere Gesetze erlassen, wird auch das Vertrauen der Bürger in unsere Demokratie und ihre Institutionen schwinden. Das Verbot von „Anscheinswaffen“ würde hauptsächlich Millionen gesetzestreuer Bürger wie mich treffen, die sich stets an die strengen Auflagen des deutschen Waffengesetzes gehalten haben und das Vertrauen dieser Menschen in den Sachverstand und das Augenmaß der Regierenden zutiefst erschüttern. Wollen Sie all diese Menschen tatsächlich nachträglich kriminalisieren und gegen unsere Demokratie aufbringen? Und das nur, damit einige wenige Kriminelle es in Zukunft ein wenig schwerer haben, an Waffen zu kommen, die auf den ersten Blick wie scharfe Feuerwaffen aussehen, es aber nicht sind?
Bitte, lassen Sie nicht zu, dass diese eklatante Unverhältnismäßigkeit der Mittel ein Gesetz wird und Millionen unbescholtener Bürger kriminalisiert und ihnen das verdiente Vertrauen entzieht.
Hochachtungsvoll,
Tim Ingold
Sehr geehrter Herr Ingold,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die leider in meinem Büro vollständig in Vergessenheit geraten war und auf die ich erst kürzlich wieder aufmerksam geworden bin. Wenn auch mit einer extremen Verspätung, für die ich mich hiermit bei Ihnen entschuldigen möchte, so möchte ich sie jetzt endlich wie folgt beantworten.
Nach den dramatischen Ereignissen in Winnenden hat sich die Bundestagsfraktion DIE LINKE entschieden, eine Neuausrichtung des Waffenrechts anzustreben. Wir haben uns dazu entschlossen, Waffen aus Privathaushalten zu verbannen und ihre zentrale Registrierung zu ermöglichen. Damit ist weder die Illusion verbunden, für alle Zukunft Ereignisse wie in Winnenden garantiert verhindern zu können, noch verstehen wir das als Diskreditierung und Diffamierung von Sportlerinnen und Sportlern, Sammlern oder anderen Waffennutzern.
1. Alle bisherigen Überlegungen zielten auf eine Verschärfung der Bestimmungen des Waffenrechts im Sinne einer besseren Sicherung der Waffen, getrennter Aufbewahrung von Munition und Waffen, Eignungsprüfungen des Käufers/Antragsstellers auf eine Waffe, Verpflichtung zu sicherer und sorgfältiger Registrierung u.v.a.m.
Es ist uns wohl bewusst, dass alle diese Maßnahmen für viele Waffenliebhaber, Sportlerinnen und Sportler und für die, die berufsmäßig Waffen benutzen, wie eine nicht gerechtfertigte Zumutung gewirkt haben. Viele Briefe und Stellungnahmen, die wir erhalten, drücken das oft auch sehr drastisch aus.
Wir stimmen all denjenigen zu, die sagen, dass Tragödien, wie die in Winnenden, Erfurt, Emsdetten und anderswo mit hundertprozentiger Sicherheit nie zu verhindern sein werden. Und wir sind auch der Überzeugung, dass das Waffenrecht eher der kleinere Teil des Problems ist. (Verbesserung der Situation in den Schulen, Computerspiele, Gewaltverherrlichung u.a.).
Doch auch hier muss selbstverständlich über Verbesserungen und Änderungen nachgedacht werden. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass weitere Vorschriften zur Sicherung von Waffen in Privathaushalten oder gar intensive, unangemeldete Kontrollen keine Verbesserung darstellen, bzw. unrealistisch sind.
2. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Waffenbesitz und Waffen-Aufbewahrung in Privathaushalten gleich zu setzen. Nicht Waffen sollen verboten sein, sondern Privatwaffen sollen -- wie viele andere Sportgeräte auch -- in bestimmten Räumen außerhalb der privaten untergebracht und gesichert werden.
Es geht nicht -- wie oft in Briefen beschwörend geschrieben wird -- um ein Waffenverbot. All die Argumente, die gegen Verbote (Prohibition in den USA, Drogen) wegen ihrer faktischen Unwirksamkeit vorgebracht werden, gehen deshalb am Problem vorbei.
Unser Ziel ist es, den spontanen Griff zu einer achtlos liegen gelassenen Waffe so gut es geht unmöglich zu machen.
3. Die von uns vorgeschlagene Regelung bedeutet geringere Eingriffe in individuelle Rechte als beispielsweise unangemeldete Kontrollbesuche mit Wohnungszutrittsrechten, biometrische Sicherungen oder gar Datenverbünde von Schulen, Waffenbesitzern, Jugend- und Ordnungsämtern.
4. Alle die, die uns schreiben, in Sport- und Schützenvereinen wollten sie Kinder und Jugendliche zum Respekt und zum vorsichtigen Umgang mit Waffen erziehen, sollten diese Regelungen mittragen können. Zum sorgfältigen Umgang gehört es auch, dass konsequent unterschieden wird zwischen Waffenfetischismus und Sport, zwischen Verherrlichung und Liebhaberei. Und in diesem Sinne hoffen wir auf Unterstützung einer Wende im Waffenrecht auch aus Ihren Reihen.
Mit freundlichen Grüßen,
Jan Korte