Frage an Jan Korte von Peter E. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Korte,
was mir derzeit besonders auffällt, ist die Tatsache, dass immer mehr Müllverbrennungsanlagen in der BRD geplant und gebaut werden und dass sich dagegen, außer einigen kleinen regionalen Initiativen, keinerlei gesellschaftlicher Widerstand formiert. Das stimmt mich aus verschiedenen Gründen nachdenklich:
Gibt es nicht schon heute eine drastische Überkapazität an MVA´s, sodass bereits jetzt Müll teilweise um die halbe Welt gekarrt wird, um in Deutschland verbrannt zu werden? Soll künftig Müll aus der ganzen Welt nach Deutschland geschafft werden, damit er hier verbrannt wird? Befördern nicht sogar die Überkapazitäten einen leichtfertigen Umgang und rechtfertigen ökonomisch das Erzeugen von noch mehr Müll anstatt Kreislaufwirtschaft und Müllvermeidung zu fördern?
Wer kann Garantien darüber abgeben, dass die Stoffe und chemischen Verbindungen, die durch die Verbrennung entstehen, allesamt für die Bevölkerung und die Luft völlig unbedenklich sind? Können die vielfältigen möglichen chemischen Prozesse und Verbindungen überhaupt nachgewiesen/gemessen, kontrolliert bzw. bestimmt werden? Lässt sich eine Schädlichkeit der Emissionen tatsächlich weitgehend ausschließen?
Ist es möglicherweise eine überdurschnittlich starke deutsche Müll-Lobby und eine immense PR-Maschinerie, die hierzulande dafür sorgt, dass das Thema weder in den Medien, noch in der Politik und noch nicht einmal bei Umweltverbänden in Deutschland größere Beachtung findet?
Weshalb gibt es auch seitens der Politik angesichts der jetzt schon vorhanden Überkapazität keinerlei Bestrebungen, diesem Trend endlich Einhalt zu gebieten?
Es wäre nett, wenn Sie Auskunft darüber geben könnten, wie DIE LINKE mit dieser Risikotechnologie umzugehen gedenkt und wie Sie persönlich dazu stehen.
Beste Grüße aus Sachsen-Anhalt,
Peter Engert
Sehr geehrter Herr Engert,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Bitte entschuldigen Sie, dass sich die Antwort etwas verzögert hat.
Die Linksfraktion hat sich in den letzten Jahren genauso wie ehemals die PDS gegen den Neubau von Müllverbrennungsanlagen (MVA) gewandt. In der Abfallpolitik forderten wir stets den Ausschluss von Müllverbrennung als Verwertungsverfahren, die Einführung einer Abfallabgabe sowie die Förderung biologisch-mechanischer Müllbehandlungsverfahren (MBA). Letztere lassen sich dezentraler und kostengünstiger betreiben als MVAs. Sie liefern nach Vorsortierung des Siedlungsabfalls und der Verrottung der organischen Bestandteile des Restmülls ein bodenähnliches Substrat sowie Reststoffe, die einen hohen Heizwert haben.
Für diese so genannte heizwertreiche Fraktion aus den MBAs sowie bestimmte Sonderabfälle ist die Müllverbrennung eine akzeptable Lösung. In der Anlage finden Sie eine Broschüre zum Thema, die zwar etwas älter ist, aber kaum an Aktualität verloren haben dürfte.
Was die Kapazitäten bei der Vorbehandlung von Siedlungsabfällen betrifft, so gibt es gegenwärtig leichte Engpässe bei MBAs und größere bei MVAs. Insbesondere fehlen Kapazitäten zur Verbrennung der eben genanten hochkalorischen Fraktion aus den MBAs. Zahlreiche Zwischenlager zeugen davon. Ich lege Ihnen noch die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage meiner Kollegin Eva Bulling-Schröter bei. Ihr können Sie entnehmen, wie vor zirka einem Jahr die Situation eingeschätzt wurde. Aktuelle Zahlen liegen uns gegenwärtig nicht vor. Rückenwind für die Müllverbrennung kommt leider aus Europa. Die so genannte „politische Einigung“ des Umweltrates am 28. Juni 2007 zur künftigen EU-Abfallrahmenrichtlinie hat einen Passus „Pro-MVA“. Die Verbrennung fester Siedlungsabfälle soll nun als Verwertung statt als Beseitigung eingestuft werden, sofern die Anlage bestimmte Energieeffizienzstandards einhält. Diese Verbrennung ist damit höher in der Abfallhierarchien angesiedelt als bislang vorgesehen und bekommt ein sauberes Image. Vor allem aber wird kommunaler Abfall durch die Neudefinition nun zum Wirtschaftsgut, was den Mülltourismus Tür und Tor öffnen dürfte. Gegen diese Änderung werden wir uns stark machen. Abschließend möchte ich feststellen, dass die Lösung der Probleme im Abfallbereich in erster Linie dadurch erreicht werden muss, dass Abfälle so weit wie möglich vermieden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte