Frage an Jan Korte von Michael P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr MdB Korte,
höflich erlaube ich mir, diese Aussage von Herrn Dr. Gregor Gysi hier zu vertiefen - Zitat: "Ich habe Ihre Schreiben an meinen Stellvertreter, den Abgeordneten Jan Korte, mit der Bitte, eine Initiative einzuleiten, weitergeleitet." - Link: http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_gregor_gysi-778-78153--f443363.html#q443363
Gestatten Sie mir bitte nachstehend wenige Gedanken, Hinweise und Fragen zum NS-Sachverhalt:
Eine Hakenkreuzschmiererei in der Öffentlichkeit ist ein Straftatbestand.
§ 130 (4) StGB normiert: "...in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt."
Herr MdB Korte, im vorliegenden Fall befindet sich genau über dem Altar (!) einer öffentlichen Kirche ein Bleiglasfenster mit Namen, Lebensdaten und Wappen für den Nationalsozialisten und Gauwirtschaftsberater der NSDAP Hennecke von Plessen - vgl. auch hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Hennecke_von_Plessen
Das heißt konkret, die Gläubigen müssen beim Gebet (z.B. für die Opfer der Arisierung) vor dem Bleiglasfenster (m.E. ein faktisches Denkmal) des Gauwirtschaftsberaters der NSDAP auf die Knie gehen.
Der Pfarrer verweist darauf, dass es sich lediglich um ein posthumes "Patronatsfenster" handele; was die offenbar kirchlich als solche erkannten NS-Verbrechen anbelangt, verweist der Pfarrer auf dieses Büchlein eines Historikers: http://thv.de/buch/hennecke-von-plessen
Puttenengel im "Nazi-Himmel" umfassen auf dem Bleiglasfenster den Nazi Hennecke von Plessen ganz lieb - vgl. via Doppeklick auf das mittig/rechte Foto: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/86/Langen_Trechow_Kapelle_Fenster.jpg ...
Meine Frage:
Ist das posthume Bleiglasfenster (faktische Denkmal) für diese NS-Größe nicht geeignet, die Würde der NS-Opfer - insbes. der Opfer der Arisierung - zu verletzen?
Wird es Ihre Initiative deshalb geben, Herr MdB Korte??
MfG
Michael Pfeiffer
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Ihre Feststellung, dass eine Hakenkreuzschmiererei in der Öffentlichkeit ein Straftatbestand ist, teile ich selbstverständlich vollauf. Ihrer Argumentation, wonach das sich über dem Altar einer öffentlichen Kirche befindliche Bleiglasfenster mit dem Namen, Lebensdaten und Wappen des Nationalsozialisten und Gauwirtschaftsberater der NSDAP Hennecke von Plessen einen Straftatbestand nach § 130 (4) StGB darstelle, kann ich jedoch nicht folgen.
Unstrittig ist, dass Hennecke (Henning) von Plessen von 1933 bis 1942 Gauwirtschaftsberater der NSDAP in Mecklenburg war. Als solcher war er unter Gauleiter Friedrich Hildebrandt u.a. maßgeblich für die Arisierung des jüdischen Privateigentums in Mecklenburg mitverantwortlich. Laut Wikipedia soll er unter anderem in den durch massivsten Druck erzwungenen Verkauf des Kaufhauses Kychenthal am Schweriner Markt nach dem 9. November 1938 involviert gewesen sein, in deren Folge Louis Kychenthal, der Senior des Unternehmens, 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurde, wo er achtzigjährig am 6. Juni 1943 ums Leben kam (vgl. http://www.svz.de/mv-uebersicht/kychenthals-rueckkehr-id8198826.html ).
Wie Sie ja bereits der Antwort auf Ihre Anfrage an meinen Kollegen Dietmar Bartsch entnehmen konnten, huldigt die Gemeinde von Pastor Schabow aus meiner Sicht jedoch keineswegs dem Gauwirtschaftsberater der NSDAP in Mecklenburg via Bleiglasfenster. Das Fenster ist nicht mit Geldern des Denkmalschutzes restauriert worden, sondern aus Spenden der Tochter von Hennecke von Plessen und beinhaltet auch keine NS-Symbole oder dergleichen und lässt für mich nicht erkennen, wie dadurch die Würde der Opfer verletzt, die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt wird.
Natürlich kann ich trotzdem verstehen, dass es Bürgerinnen und Bürger wie Sie gibt, die zu Recht monieren, dass es keinen kritischeren Umgang mit der NS-Vergangenheit von Plessens seitens der Kirchengemeinde oder auch der Familie von Plessen gibt. So fehlt beispielsweise, soweit ich dies recherchieren konnte, in den Chroniken und Selbstdarstellungen der Familie jeglicher Hinweis auf die NS-Karriere Hennecke von Plessens oder seine Tätigkeit als Gauwirtschaftsberater (vgl. z.B. http://www.gut-trechow.de/index-20922.html ).
Die Kirchengemeinde, die ja die NS-Vergangenheit von Hennecke von Plessen gar nicht leugnet, sondern, wie Sie ja auch schreiben, auf entsprechende Veröffentlichungen hinweist, hätte selbstverständlich durchaus beides tun können: Die Spenden der Familie für das Patronatsfenster annehmen, aber auch auf einen kritischen Hinweis (z.B. eine Gedenktafel oder eine Gemeindepublikation) zur NS-Vergangenheit von Hennecke von Plessen nicht verzichten. Letzteres ist nicht geschehen, kann aber nachgeholt werden.
Trotzdem ist jedoch der Hinweis von Dietmar Bartsch, dass „es vielleicht einfacher gewesen wäre, wenn Sie vor Ort, etwa bei der Kirchengemeinde oder auch bei der Bürgermeisterin der Gemeinde Bernitt nachgefragt hätten“, nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Eine innerkirchliche Auseinandersetzung und eine Lösungssuche könnten sich in Anbetracht der Position des Pastors aus meiner Sicht durchaus lohnen. Hier böte sich ggf. eine Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Propst oder auch dem Landesbischof an, aber wahrscheinlich haben Sie das ja schon getan.
Dass das entsprechende Fenster entfernt werden könnte, halte ich alles in allem betrachtet jedoch für extrem unwahrscheinlich. Sollten Sie ein Gemeinde- oder Kirchenmitglied sein und sich mit Ihrer Kritik nicht innerhalb der Kirche durchsetzen können, so bliebe Ihnen selbstverständlich als Option der Kirchenaustritt offen.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte