Frage an Jan Korte von Hartmut Frank M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Korte,
bezüglich der neusten Erkenntnisse in der Abhöraffäre, hätte ich ein paar Fragen an Sie.
Seit es um Frau Merkels Handy geht bzw. über dessen Ausspähung, bekommt die Debatte einen völlig neuen Stil. Ich denke, dass liegt an der Tatsache, dass nun Regierungsmitglieder davon betroffen sind. Wenn Western Union meine Daten sammelt, wird das begattelisiert.
Mich würde interessieren, ob die ganze Sache nicht auch strafrechtlich belangt werden kann? In Deutschland werden selbst jugendliche Schwarzfahrer des öfteren eingesperrt, aber die Verantwortlichen für die Finanzmarktkrisen, Bischöfe die Steuergelder verschwenden oder Auftraggeber für Ausspähungen usw. bleiben meistens verschont? Warum gibt es in keiner Partei eine Debatte darüber, wie man Gerechtigkeit herstellen kann? Meines Erachtens muss das bei der Beendigung der Klassenjustiz anfangen!
Steuerbescheide die im Abfall landen, Sozialdatenmissbrauch, Ärtzte die ihre Schweigepflicht brechen, Lehrer die noch immer mobben und z.T. prügeln, Unterlassene Hilfeleistung ( auch bei mir als ich die 110 anrief und der Telefonist sich weigerte mir einen Rettungswagen zu schicken), Richter die weiter in Amt und Würden bleiben dürfen, obwohl sie Unschuldige ins Gefängnis steckten, sind nur ein paar dieser Beispiele, die für mich Zweifel an unserem Rechtssystem aufkommen lassen.
Warum wird die Justiz ( meines Erachtens auch die Bildung) nicht zentralisiert?
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Frank Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
so lange Ihre Frage auch in den Akten meines Büros verschollen war – an dem Sachverhalt und dem Stand der Aufklärung der geheimdienstlichen Umtriebe von NSA, BND und wie sie alle heißen hat sich seitdem nicht viel geändert. Deshalb möchte ich sie heute trotzdem noch beantworten und bitte um Entschuldigung.
Generalbundesanwalt Harald Range sieht auch derzeit keinen Anlass für neue Ermittlungen wegen der NSA-Spionage gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Regierungsmitglieder, von Ermittlungen wegen der Massenüberwachung der Bevölkerung einmal ganz abgesehen. Weder die erst kürzlich von Wikileaks veröffentlichten Dokumente, die zeigen, wie die NSA die deutsche Regierung ausspähte, noch die schon länger bekannten Snowden-Papiere erscheinen Herrn Range glaubwürdig genug, um einen Anfangsverdacht zu rechtfertigen. Erst wenn geklärt sei, ob die von Wikileaks veröffentlichten Protokolle von Gesprächen Merkels tatsächlich echt seien und von wem sie stammen, könne seine Behörde ermitteln. Da er dabei auf die Hilfe von Behörden wie dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Verfassungsschutz setzt, die allesamt in den NSA-Skandal verstrickt sind, kann man sich ausmalen, was dabei herauskommen wird. Der Generalbundesanwalt hatte bereits seine ersten Ermittlungen wegen der Abhöraffäre Mitte Juni diesen Jahres eingestellt. Gegenüber dem Spiegel erklärte er, dass neue Ermittlungen erst infrage kämen, „wenn wir auch beweiskräftige Dokumente erhielten, vielleicht eine Protokollabschrift eines konkreten Telefongesprächs zwischen Frau Merkel mit irgendjemandem“. Der oberste Ankläger im Staate hätte es in Geheimdienstfragen ganz offensichtlich am liebsten, wenn er nur aktiv werden müsste, sobald sich die Täter freiwillig stellen. Der Chaos Computer Club und andere Bürgerrechtsorganisationen werfen Range deshalb vor, sich schützend vor die Verantwortlichen der Geheimdienstskandale zu stellen und eine ernsthafte Untersuchung der massenhaften Überwachung zu sabotieren.
Zu ihren anderen Fragen und Äußerungen: Auch wenn ich Ihren Ärger über die vielen gesellschaftlichen und persönlichen Ungerechtigkeiten, die tagtäglich passieren, teilen kann, möchte ich Ihnen dennoch insbesondere in Punkto Zentralisierung widersprechen. Die Strafverfolgung ist durch das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung in der Bundesrepublik seit je her bundeseinheitlich geregelt. Zusätzlich dazu stellen die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) ergänzende Verwaltungsvorschriften für Strafverfahren und Bußgeldverfahren in Deutschland dar, um eine weitgehend bundeseinheitliche Sachbehandlung der Verfahren sicherzustellen. Insofern verstehe ich Ihre Frage in diesem Punkt nicht so ganz.
Anders sieht es bei der ebenfalls von Ihnen angesprochenen Bildungspolitik aus. Ziel der LINKEN ist die Sicherung der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen beim Bildungszugang und in Bezug auf die Qualität von Bildung in allen Bundesländern. Das Grundgesetz regelt in Art. 30 GG, dass die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen für die Kultur- und Bildungspolitik in den Händen der Bundesländer liegen. Nur in einigen Bereichen, wie der auswärtigen Kulturpolitik oder dem Verlags- und Urheberrecht, besitzt der Bund ein Mitspracherecht. Die Kulturhoheit der Länder, also die Zuständigkeit für das Schul- und Hochschulwesen und die Kultur, steht oftmals einer Gleichwertigkeit der Bildungsangebote und Bildungsziele und ihrer gegenseitigen Anerkennung entgegen. Meine Partei setzt sich deshalb für die Schaffung von sozialen Rahmenbedingungen, die überall gleichen Bildungszugang, gleiche Bildungschancen und Nachteilsausgleiche garantieren, ein. Nach meiner Meinung muss das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung für alle Bildungsbereiche aufgehoben und stattdessen eine umfassende Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Artikel 91b im Grundgesetz verankert werden. Darüber hinaus bin ich dafür, dass das Kooperationsverbot in Artikel 104b Grundgesetz, d. h. die Beschränkung der Bundesförderung auf Bereiche, in denen der Bund Gesetzgebungskompetenz besitzt, aufgehoben wird, um so alleinige Finanzierungen des Bundes oder gemeinsame Finanzierungen des Bundes und der Länder in den Bereichen von Bildung, Wissenschaft und Forschung zu ermöglichen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort helfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte