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Jan Korte
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Frage von Frank B. •

Frage an Jan Korte von Frank B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Korte,

aus aktuellem Anlass habe ich ein paar Fragen zum Thema Extremismus. Im Internet wird beispielsweise auf Wikipedia der Begriff Extremismus umschrieben, aber leider nicht die Kriterien, die erfüllt sein müssen, um als Einzelperson als Extremist zu gelten.
• Ab wann kann eine Person als Extremist bezeichnet werden?
• Ist man bereits ein Extremist, wenn man für extremistische Webseiten oder Zeitungen schreibt?
• Ist jemand ein Extremist, wenn er sich viel bei anderen Extremisten aufhält?
• Kann man als Extremist gelten, wenn man Andersdenkende bekämpft?
• Ist man automatisch Extremist, wenn man einer vom Verfassungsschutz als extremistischer Organisation angehört?
• Ist man automatisch Extremist, wenn man mit einer vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestufter Organisation gemeinsame Aktionen unternimmt?
• Kann die Aussage, jemand bestimmtes sei ein Extremist als Meinungsäußerung gewertet werden?
• Gelten für alle Bereiche (Rechts, Links, Religion, usw.) die gleichen Voraussetzungen, um als Extremist, bzw. extremistische Organisation eingestuft werden zu können?
• Wie könnte die Beweisführung aussehen, um jemanden des Extremismus zu überführen?

Mir ist klar, dass es sich um ein sehr schwieriges Thema handelt. Leider ist es so, dass sehr schnell ein Extremismusvorwurf ausgesprochen wird. Noch trauriger ist, dass der Extremismusvorwurf von den Strafverfolgungsbehörden, inklusive Polizei und Staatsanwaltschaften, unterschiedlich behandelt werden. Darum möchte ich Sie bitten meine Fragen so genau wie möglich zu beantworten.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Borgmann

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Sehr geehrter Herr Borgmann,

vielen Dank für Ihre Frage, die, wie Sie schon selbst schreiben, nicht ganz einfach zu beantworten ist.

Das Konzept des Extremismus ist generell in der Wissenschaft sehr umstritten und es gibt keine einheitliche Definition. Von zahlreichen Wissenschaftlern wird der Begriff abgelehnt - eben weil er nicht definiert ist und häufig als politischer Kampfbegriff eingesetzt wird. Die Frage, wer als Extremist bezeichnet wird, unterliegt eindeutig politischen Konjunkturen. Galten die Grünen noch zu Beginn ihrer Parteigeschichte als teils extremistisch, so konnte es Joschka Fischer später zum Vizekanzler bringen. Der Politikwissenschaftler Manfred Funke, selbst ein Vertreter des Extremismusansatzes, hat es ganz gut auf den Punkt gebracht:

„Üblicherweise bezeichnet sich kein Extremist als Extremist. Er erhält vielmehr dieses Werturteil zugewiesen von den Inhabern der Definitionsherrschaft über die zentralen Standards einer Gesellschaftsordnung, die ihre Bestandsgefährdung zurückweist, indem sie den vermuteten bzw. erkannten Zerstörer der Basisstabilität als ‘Extremisten’ markiert und ihn damit von jeder unerwünschten Einflussnahme auszugrenzen versucht.“

Was Funke hier deutlich macht, ist, dass es um die Frage der Definitionshoheit geht. Mit der Bezeichnung "Extremist" sollen bestimmte Meinungen aus dem legitimen Spektrum ausgegrenzt werden. Aber das geschieht eben nicht inhaltlich (dann würden wir über Demokratiefeindschaft, Rassismus, Neofaschismus usw. reden), sondern rein formal. Extremist ist, wer jenseits der freiheitlich demokratischen Grundordnung steht. Wer aber definiert nun, was zu dieser Grundordnung gehört? Und ändert sich diese Definition vielleicht ständig?

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Die Forderung nach Ausweitung des Demokratieprinzips auch auf den Bereich der Wirtschaft und damit die Infragestellung der alleinigen Verfügungsgewalt des privaten Eigentümers über die Produktion, wird im Fall der LINKEN als extremistisch bewertet. Das Grundgesetzt lässt aber Eingriffe ins Eigentumsrecht sehr wohl zu und legt keine Wirtschaftsverfassung für die Bundesrepublik fest. Demnach kann eine solche Forderung nicht jenseits der Verfassung sein. Die Definitionsmacht liegt aber bei der Regierung und ihren Organen (Verfassungsschutz). Würde man nach inhaltlichen Kriterien der Verfassung gehen (Würde aller Menschen, Demokratie, keine Benachteiligung aufgrund von Herkunft, Geschlecht usw.) dann würde man feststellen, dass ein größerer Teil der Bundesbürger (und auch der politischen Repräsentanten) als Extremisten bezeichnet werden müssten. Die Thesen von Herrn Sarrazin würden der NPD als Beweis ihres Extremismus ausgelegt. Warum gelten sie bei Sarrazin nicht als "Extremismus"?

Sie sehen, Ihre Fragen können sehr subjektiv beantwortet werden. Schon mehrfach haben Organisationen, die im Verfassungsschutz-Bericht als extremistisch eingestuft wurden, erfolgreich gegen diese Einordnung geklagt.

Nun zu einigen Ihrer konkreten Fragen:

• Ist man bereits ein Extremist, wenn man für extremistische Webseiten oder Zeitungen schreibt?

Generell nein, im Einzelfall sehr wohl. Nicht jeder Artikel einer Zeitschrift wird als extremistisch bewertet, auch wenn die Zeitung generell so eingeschätzt wird.

• Ist jemand ein Extremist, wenn er sich viel bei anderen Extremisten aufhält?

Nein.

• Kann man als Extremist gelten, wenn man Andersdenkende bekämpft?

Nein. Wobei gewaltsame Formen der politischen Auseinandersetzung als extremistisch beurteilt werden.

• Ist man automatisch Extremist, wenn man einer vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisation angehört?

Wenn die Organisation als extremistisch eingestuft wird und Sie Mitglied sind, trifft diese Einschätzung auch Sie. Wobei die Behörden sich auch hier nicht festlegen wollen. Manche Organisationen werden als "in Teilen extremistisch" eingeschätzt. Da bleibt die Frage, ob Sie zu diesem Teil gehören.

• Ist man automatisch Extremist, wenn man mit einer vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisation gemeinsame Aktionen unternimmt?

Nein.

• Kann die Aussage, jemand bestimmtes sei ein Extremist als Meinungsäußerung gewertet werden?

Es handelt sich fast immer um eine Meinungsäußerung. Nur ist die Relevanz größer, wenn sie vom Innenminister getroffen wird.

• Gelten für alle Bereiche (Rechts, Links, Religion, usw.) die gleichen Voraussetzungen, um als Extremist, bzw. extremistische Organisation eingestuft werden zu können?

Prinzipiell ja: Die angebliche Gegnerschaft zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Diese wird jedoch niemals inhaltlich definiert.

• Wie könnte die Beweisführung aussehen, um jemanden des Extremismus zu überführen?

Da der Begriff nicht definiert ist und politisch motivierten dauernden Wandlungen unterliegt, kann er nicht "bewiesen" werden.

Hier noch ein Lesehinweis: www.linksfraktion.de/folder/alles-extremismus-antifaschismus-unterstuetzen-nicht-kriminalisieren/

Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte

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