Frage an Jan Korte von Ludwig L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Korte,
Sie haben sich bei diese Abstimmung enthalten. Ich verstehe nicht wie dies zur angekündigten Programmatik der Linksfraktion für die gegenwärtige Legislaturperiode laut ihrem Bundeswahlprogramm passt. In dem genannten steht:
• keine Auslandskriegseinsätze der Bundeswehr zulassen – auch nicht unter UN-Mandat: keine Militärberater zur Unterstützung autoritärer Regimes entsenden;
Mir ist nicht klar, wieso dies kein Auslandskriegseinsatz der Bundeswehr ist, bzw wieso im Sudan kein autoritäres Regime existiert.
Bisher war mir eine konsequente Antikriegspolitik der Linkspartei verständlich, doch nun "torpedieren" sie sich selber. Die Linkspartei wurde doch nicht gewählt, um bei wichtigen Entscheidungen im Bundestag sich zu enthalten, uns somit weder eine Position zu beziehen, bzw. ihren Wählern keine klare Stimme zu geben. Das Bundeswahlprogramm gilt doch irgendwie für alle Mitglieder der Fraktion. Warum begeben Sie sich in eine Position, die bestimmt von der Mehrheit derjeniger die sie gewählt haben, aber mehr noch von denen, die Sie persönlich und ihre Partei im Wahlkampf konsequent und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, nämlich ihren Parteigenossen an der Basis nicht mitgetragen werden kann, da diese dann sich und ihre Wahlmotivation verraten würden.
Ich würde mich freuen wenn Sie, auch wenn Sie wahrscheinlich nicht viel Zeit haben, mir antworten würden.
Mit freundlichen Grüßen
aus der Basis in Chemnitz
Ludwig Löwe
Sehr geehrter Herr Löwe,
erst einmal vielen Dank für Ihre Anfrage und entschuldigen Sie bitte, dass die Beantwortung so lange gedauert hat. Irgendwie ist sie bedauerlicherweise im Wust der täglichen Arbeit untergegangen …
Wie Sie wissen beschloss der Deutsche Bundestag am 17. Juni 2010 jeweils mit großer Mehrheit eine Verlängerung der Bundeswehreinsätze im Rahmen der UN-Missionen UNIFIL im Libanon sowie UNMIS und UNAMID im Sudan. Dies geschah in allen drei Fällen gegen die Stimmen der LINKEN. Nur bei UNMIS votierten 25 Abgeordnete der LINKEN mit Enthaltung, während die restlichen 43 der anwesenden LINKEN-MdB mit Nein stimmten. Dies war auch nicht das erste Mal, dass sich linke Abgeordnete bei einer Sudan-Abstimmung enthalten. Und auch nicht das erste Mal, dass es deswegen eine Diskussion gibt.
Worum ging und geht es? Grob gesagt geht es um den Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden des Sudan. Zugleich stand die Abstimmung über die Fortsetzung der UNAMID-Mission von UNO und Afrikanischer Union (AU) an, bei der es um Darfur geht. Bei den Missionen sind derzeit insgesamt 31 deutsche Militärangehörige und 5 Polizisten in dem nordostafrikanischen Land stationiert. Der Konflikt in der Region Darfur zwischen verschiedenen Gruppen und der Regierung in Khartum hat bereits hunderttausende Tote gefordert, Millionen Menschen wurden vertrieben.
Man muss m.E. festhalten, dass
1. UNMIS ein friedenserhaltender Einsatz ist, der auf die Umsetzung eines gültigen Friedensabkommens (CPA aus dem Jahre 2005) gerichtet ist.
2. m.E. kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Mission auf der Grundlage des Völkerrechts erfolgt. UNMIS erfolgt mandatiert nach Kapitel VI der UN- Charta und ist somit eine klassische "Blauhelm-Aufgabe", nicht zuletzt, weil die beiden Konfliktparteien – die NCP-Regierung in Khartoum und die Regierung des Südsudan – der Stationierung ausdrücklich zugestimmt haben.
3. der deutsche Beitrag in der Entsendung unbewaffneter Militärbeobachter besteht, die insbesondere den Auftrag haben, den Entmilitarisierungs- und Abrüstungsteil des Friedensabkommens zu überwachen und zu kontrollieren.
4. im Januar 2011 das Referendum über die weitere Zukunft Südsudans stattfindet und deshalb in den nächsten Monaten eine Eskalation der Spannungen droht, die in einen neuen Krieg münden kann. Dies muss durch energische diplomatische Bemühungen von UN, AU, EU, China und Anderen verhindert werden.
5. in diesem Zusammenhang der UN-Militärpräsenz eine wichtige Funktion zukommt: Die UN-Soldaten bilden einen Puffer zwischen den aufgerüsteten und in Stellung gebrachten Truppen des Nordens und des Südens. Das ist eine klassische Blauhelm-Aufgabe. Ein jetziger Abzug der Blauhelme wäre eine Einladung zur Wiederaufnahme der Gewalt.
6. der Rückzug der deutschen Militärbeobachter unmittelbar nur geringe Auswirkungen auf die UN-Mission hätte, die politisch-symbolische Bedeutung jedoch erheblich wäre. In der geschilderten Situation die UNO im Stich zu lassen, halte ich für fahrlässig und unvertretbar.
7. der Abzug der überwiegend aus Indien, Pakistan und Bangladesch kommenden UN-Soldaten alles andere als friedensstiftend wäre. Die Folge könnte eine Militärintervention der USA sein, die auch unter der Obama –Administration keinen Zweifel daran gelassen haben, dass sie militärisch auf der Seite des Süden eingreifen werden, wenn neue Konflikte entstehen.
Gleichwohl kam und kommt eine Zustimmung zu UNMIS für mich und die Abgeordneten der LINKEN aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
- Wieder einmal dient die Entsendung von Soldaten der Beruhigung des Gewissens und der Öffentlichkeit; damit werden nur die eklatanten Versäumnisse der Politik und der Diplomatie vertuscht. Damit kann ich mich nicht abfinden.
- Zu diesem Widersinn gehört, dass die beiden Konfliktparteien nicht zuletzt von Mit-gliedern des UN-Sicherheitsrates weiter aufgerüstet wurden und die Verpflichtungen des Friedensabkommens zur Demobilisierung und Demilitarisierung kaum bis gar nicht umgesetzt wurden. Dagegen gilt es zu protestieren.
- DIE LINKE ist die Fraktion im Bundestag, die immer wieder und entschieden auf zivile Konfliktlösungsstrategien drängt. Das wird auch so bleiben.
Schließlich: Was UNAMID angeht, lagen und liegen die Dinge nach wie vor anders: Es gibt kein umfassendes Friedensabkommen, das die wichtigen Akteure einschließt. Die UN/AU-Truppen laufen eher Gefahr, zur Befestigung des StatusQuo, einschließlich der massenhaften Vertreibungen und der illegalen Landnahme beizutragen. Eine wirkliche Schutzfunktion gegenüber der Zivilbevölkerung ist nicht richtig zu erkennen. Daher habe ich, wie die gesamte Fraktion das neuerliche Mandat abgelehnt.
In den vergangenen Jahren hat die Bundestagsfraktion sowohl die UNMIS-Mission als auch die UNAMID- Mission (Darfur) überwiegend abgelehnt und zugleich gab es, wie gesagt, immer auch Abgeordnete, die sich in der Abstimmung der Stimme enthalten haben. Vielleicht können meine Ausführungen ja dazu beitragen, dass an der Basis ein besseres Verständnis für die persönliche Entscheidung derjenigen entsteht, die sich bei der Abstimmung zu UNMIS enthalten haben.
Gleichzeitig ist es mir aber sehr wichtig an dieser Stelle festzuhalten, dass alle Bundestagsabgeordneten der LINKEN das Bundestagswahlprogramm oder andere gültige Parteibeschlüsse respektieren. Im Bundestagswahlprogramms heißt es: "DIE LINKE steht für ein friedliches und solidarisches Miteinander der Völker und Staaten, für ausschließlich zivile Konfliktlösungen. Dafür setzen wir uns ein, im Deutschen Bundestag und in der Gesellschaft. …
DIE LINKE fordert: deutsche Außenpolitik auf eine Stärkung der UNO orientieren; das Völkerrecht als vertragliche Grundlage der Beziehungen zwischen den Staaten anerkennen, durchsetzen und weiterentwickeln; die UNO demokratisch reformieren; die Instrumentalisierung der UNO für die Mandatierung von Kriegen beenden; Militärbündnisse der UNO unterordnen; der UNO-Vollversammlung mehr Rechte einräumen;…"
Und in den Programmatischen Eckpunkten der Partei DIE LINKE heißt es in Punkt 8.:
„[...] Deutsche und europäische Außenpolitik muss Friedenspolitik werden: Wir bekämpfen den Krieg und lehnen die Militarisierung der deutschen Außenpolitik ab. Die Bundeswehr darf nicht weiter für Militärinterventionen im Ausland eingesetzt werden. Aufgrund vielfältiger Erfahrungen ist die Frage, ob internationale Militäreinsätze im Auftrag und unter Kontrolle der UN - wenn es sich um Kampfeinsätze mit Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta handelt - unter den gegenwärtigen Bedingungen in regionalen Kriegs- und Bürgerkriegskonstellationen zu einer Rückkehr in eine friedliche Entwicklung beitragen, zu verneinen. [...].“
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte