Frage an Jan Korte von Helga M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Korte,
ich erlebte vor einigen Monaten auf dem Erfurter Anger, daß zeitgleich fünf verschiedene Paketdienstleister ihre Transporter abgestellt hatten und die Sendungen in die Häuser brachten- auf einem Areal von etwa 150 Metern-.
Außerdem waren noch zwei verschiedene Fahhradkuriere unterwegs. Wenn ich daran denke, daß ein Postauto auch gereicht hätte um die Sendungen zu verteilen , frage ich mich, ob das Aufteilen in so viele Serviceunternehmen in Zeiten der Klimakrise sinnvoll ist.
Warum mußte die Post zu einer Aktiengesellschaft werden?
Warum stört sich die Politik nicht daran, daß die Versprechen (keine Preiserhöhung durch gesunden Wettbewerb) längst vom Gegenteil überholt wurden?
Warum wird (auch um die Arbeitslosigkeit zu veringern) der öffentliche Dienst nicht nach dem schwedischen Vorbild erhalten und wieder vergrößert?
Was muß in Deutschland passieren, daß die Politik wieder verantwortlich mit ehemaligen Volkseigentum umgeht und nicht weitere Privatisierungen anmahnt?
Freundliche Grüße aus Thüringen von Helga Müller
Sehr geehrte Frau Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Folgen der Privatisierung im Postbereich.
Der Bundestag beschloss 1995 mit der damaligen Mehrheit von CDU/CSU und FDP eine Grundgesetzänderung (Postreform II), wodurch Postdienstleistungen in Deutschland in Zukunft von der Deutschen Post AG und anderen privaten Postdienstleistern erbracht werden sollten.
Die Postreform bestand aus drei Stufen (I-III), dessen Ziel die Privatisierung der Behörde Deutsche Bundespost (DBP) war. Die DBP wurde nach diesem Gesetz neu strukturiert und zuerst in drei öffentliche Unternehmen aufgeteilt, aus denen am Ende die Unternehmen Deutsche Post AG, die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Postbank AG entstanden. Begründet wurde dies damit, dass so Ineffizienzen und Größennachteile vermieden werden könnten.
Damit wurde die endgültige Verabschiedung des Modells der Postdienstleistungen in staatlicher Leistungserstellung als Teil der staatlichen Verwaltung - wie in den Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor - vorgenommen.
Letztendlich sind die aktuellen Vorgänge aus meiner Sicht Folgen der völlig verfehlten Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik im Postbereich. Die Folgen dieser neoliberalen Politik, die von Bundesregierungen verschiedenster Couleur auf europäischer wie nationaler Ebene vorangetrieben wurde, zeigen sich in deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen im Postbereich, einer zunehmenden Verschlechterung der Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger sowie den von Ihnen beschriebenen unökologischen Zuständen.
Wohin der Privatisierungswahn führt, zeigt anschaulich auch das Beispiel der S-Bahn in Berlin. Dort wurde mit dem Verstoß gegen die Auflagen des Eisenbahn-Bundesamtes sogar Schaden für Leib und Leben der Fahrgäste in Kauf genommen, nur um das Betriebsergebnis um ein paar Milliönchen aufzubessern und den Börsengang der Deutschen Bahn nicht zu gefährden. Das alles lässt aus meiner Sicht nur einen Schluss zu: Die Bahn muss in staatlicher Hand bleiben. Nur dann kann gesichert werden, dass in Zukunft wieder der Fahrgast im Mittelpunkt des Fahrbetriebs steht. Unsere Nachbarn sollten uns Vorbild sein: In Großbritannien ist die Privatisierung der Bahn grandios gescheitert, Frankreich und die Schweiz machen nicht die geringsten Anstalten die Bahnen zu privatisieren und dort läuft es prima. Vielmehr als das Dogma des Wettbewerbs interessiert die Bevölkerung, ob die Grundlagen für eine gerechte Gesellschaft - der gleiche Zugang für alle zu den grundlegenden "Lebensmitteln" vom Wasser bis zur Bildung – gesichert sind. Dort wo Daseinsvorsorge in privater Hand betrieben wird, steht nicht mehr die Leistung für die Menschen im Vordergrund, sondern das Streben nach Gewinn.
DIE LINKE setzt sich deshalb auf allen Ebenen für eine bürgernahe, gut bewirtschaftete, transparente öffentliche Daseinsvorsorge ein, die eine sozial gerechte Versorgungssicherheit für alle Menschen gewährleistet. Eine flächendeckende Versorgung in guter Qualität ist auch dann sicherzustellen, wenn sie sich „nicht rechnet“. Dort wo Güter oder Leistungen der Daseinsvorsorge schon privatisiert wurden, setzt sich DIE LINKE dafür ein, diese in die Verantwortung der öffentlichen Hand, vorwiegend der Kommunen zurückzuholen (Rekommunalisierung). Mittel- und langfristig muss natürlich auch über eine Re-Verstaatlichung des Postbereichs nachgedacht werden, so wie das ja vielerorts (z.B. in Berlin) bereits bei Wasserbetrieben oder anderen privatisierten Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge der Fall ist. Um künftig eine Politik zu verhindern, die einseitig nur die Profitinteressen einzelner im Blick hat, muss ein Privatisierungsverbot bei öffentlichen Daseinsvorsorgeeinrichtungen durchgesetzt werden.
Die Fraktion DIE LINKE hatte bereits in der letzten Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips im Grundgesetz vorgelegt (Bundestagsdrucksache 16/12375). Darin machten wir u.a. den Vorschlag, das Artikel 20c GG durch folgende Ergänzung verändert werden solle:
„(1) Die Privatisierung von Aufgaben und Eigentum im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und anderer staatlicher Kernaufgaben ist unzulässig.
(2) Die Privatisierung anderer öffentlicher Aufgaben oder anderen Eigentums der öffentlichen Hand darf nur dann mit Zustimmung der zuständigen gewählten Volksvertretung des Bundes oder der Länder durch Gesetz oder der kommunalen Gebietskörperschaft durch Beschluss erfolgen, wenn sie dem Wohl der Allgemeinheit dient. Die Bindung der Privaten an Gemeinwohlinteressen und die demokratische Kontrolle sind im Falle der Aufgabenprivatisierung sicherzustellen.“
Auch wenn für eine solche Politik im Augenblick die parlamentarischen Mehrheiten fehlen, wird sich meine Partei in und außerhalb des Bundestages auch weiterhin dafür einsetzen, dass die von Ihnen angesprochenen Zustände so nicht hingenommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte