Wieso halten Sie an der Impfpflicht im Gesundheitswesen zum Schutz vulnerabler Gruppen fest, obwohl das RKI sagt, dass die Impfung keinen Fremdschutz bietet? Verschärft das nicht den Pflegenotstand?
Sehr geehrte Frau K.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zum Thema einrichtungsbezogene Impfpflicht. Ich kann Ihre Sorge durchaus nachvollziehen und verstehe auch, dass Sie die Impfpflicht für einen starken Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit der betroffenen Pflegekräfte halten. Deswegen erläutere ich Ihnen nachfolgend gerne, warum ich dennoch davon überzeugt bin, dass wir an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht festhalten sollten.
Ziel dieses Gesetzes ist, dass Menschen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ein besonders hohes Infektionsrisiko und ein besonders hohes Risiko für einen schweren oder sogar tödlichen Krankheitsverlauf haben, besser geschützt werden. Die Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe befinden sich hier in einer besonderen Stellung. Die Menschen, die ihnen zur Behandlung, Versorgung, Pflege oder Betreuung anvertraut sind, können sich zum Teil aus medizinischen oder anderen Gründen nicht impfen lassen. Viele Beschäftigte im Gesundheitsbereich übernehmen deshalb Verantwortung für diese Menschen, auch indem sie sich impfen lassen und ihre Patient:innen so besser schützen.
Zwar berührt die einrichtungsbezogene Impfpflicht das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit und der Berufsfreiheit, dieser Eingriff ist aber in der verfassungsrechtlichen Abwägung verhältnismäßig, da damit das Leben vieler Menschen geschützt werden kann. Diese Abwägung halte ich immer noch für richtig.
Darüber hinaus habe ich auch die verpflichtende Schutzimpfung ab 18 bzw. 60 Jahren befürwortet. Obwohl das entsprechende Gesetz bei der Abstimmungen im Bundestag keine Mehrheit gefunden hat, bin ich immer noch davon überzeugt, dass dies der richtige Weg gewesen wäre, um die Pandemie langfristig einzudämmen und dem für den Herbst zu erwartenden Anstieg der schweren Erkrankungen vorzubeugen.
Denn ich habe mich in diesem Zusammenhang mit Studien auseinandergesetzt, Wissenschaftler:innen, Mediziner:innen und den Ethikrat angehört, mit Bürger:innen Gespräche geführt und das Infektionsgeschehen der letzten Monate beobachtet. Wichtig war mir insbesondere eine sorgfältige Abwägung des Für und Wider eines Impfpflichtnachweises im Hinblick auf das individuelle Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Berufsfreiheit einerseits und den Schutz von Gesundheit und Leben vieler Menschen andererseits. Zwar würden wir durch eine allgemeine Impfpflicht keine Herdenimmunität erreichen, aber einen Herdeneffekt, der das Pandemiegeschehen beherrschbar macht. Denn je mehr Menschen zumindest vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt sind, desto mehr können wir die Krankenhäuser und Intensivstationen entlasten und somit Menschenleben retten. Durch die starke Überlastung mussten viele andere Behandlungen hintangestellt werden, was für die Betroffenen langfristig gefährlich werden kann. Auch die Freiheitsrechte der vielen Menschen, die sich impfen lassen und sich wegen des anhaltend hohen Pandemiegeschehens dennoch weiter einschränken müssen, gilt es zu berücksichtigen.
Sollten Sie sich für weiterführende Informationen zur aktuellen Corona-Lage und Handlungshinweise zum Umgang mit der Corona-Impfung interessieren, finden Sie alles Wichtige auf der Website zusammengegencorona.de, die von der Bundesregierung, dem Robert-Koch-Institut und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bereitgestellt wird.
Ich hoffe, mit dieser Erläuterung konnte ich Ihnen meine Erwägungen nachvollziehbar machen und wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Dieren, MdB