Frage an Jan-Christoph Oetjen von Philipp D. bezüglich Medien, Kommunikation und Informationstechnik
Mit Sorge habe ich in letzter Zeit die Gespräche um die EU Resolution verfolgt und bin umso besorgter das angestrebt wird, Verschlüsselung effektiv auszuhebeln. Ich sehe hier mehrere Probleme:
1) Aufhebung von Verschlüsselung: Ein dermaßen wichtiger Schlüssel zum Entschlüsseln aller Kommunikation ist **unmöglich** sicher zu bewahren. Es gibt kein vollkommen sicheres System. Es gibt nur Systeme die mehr Aufwand brauche bis sie geknackt werden, aber ein solcher Schlüssel wäre jeden Aufwand wert. Er wird in die freie Wildbahn gelangen. Das ist nicht eine Frage der Kompetenz der Entwickler, sondern eine Tatsache. Es gibt kein vollkommen sicheres System. Daher ist nicht die Frage "ob" ein solcher Schlüssel geleaked wird, sondern "werden Hacker überhaupt ein paar Jahre brauchen?".
2) Schaden an der Demokratie: Wenn jede Kommunikation einsehbar ist, ist die Kommunikation von Politikern nicht die Ausnahme. Ich will keinem Sicherheitsdienst Mittel an die Hand geben, mittels derer er mit solcher Leichtigkeit meine staatlichen Vertreter unter Druck setzen kann. Keine Organisation ist auf Dauer so vertrauenswürdig das man ihr diese Macht geben dürfte. Ganz zu schweigen von anderen Gruppen die ihn sich vielleicht aneignen (siehe 1) )
3) Unsicherer Nutzen: Wenn ich weiß das normale Kommunikation unsicher ist, verwende ich andere Kommunikationsmittel. Verschlüsselungsservices sind nicht sehr schwer zu erstellen, folglich werden sie existieren und hier wird die Maßnahme nicht wirken. Betroffene sind daher nicht Kriminelle, sondern Menschen die nach den Regeln spielen möchten (Ehrliche Menschen) oder müssen (Menschen in Ämtern).
Aufgrund meiner Sorgen um diese Resolution möchte ich Sie daher fragen, wie Sie zu der Resolution stehen, und was Ihre Position zu verschlüsselter Kommunikation ist. Wie sehen Sie Verschlüsselung im Vergleich zum Briefgeheimnis?
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für die Nachricht. Zuerst einmal bitte ich um Entschuldigung für die viel zu späte Rückmeldung. Aufgrund von technischen Problemen ist unsere damalige Antwort nicht auf der Webseite erschienen. In der Zwischenzeit hat sich einiges in der Thematik getan.
Das Thema beschäftigt uns im Europäischen Parlament immer noch sehr und wird noch einige Zeit aktuell bleiben. Die Berichterstattung hebt oft den guten Willen hervor, ohne die massiven Gefahren der Grundrechtsverletzung zu betonen. Hier ein paar Hintergrundinformationen, die das ganze verdeutlichen sollen:
Am Mittwoch, den 11.05.2021, hat die Europäische Kommission den Gesetzesvorschlag zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Internet vorgelegt. Dem Vorschlag zufolge sollen Anbieter wie Google, Meta (Facebook) und WhatsApp gezwungen werden, die privaten Nachrichten ihrer Nutzer zu überwachen. Der Vorschlag der Kommission sieht in seiner jetzigen Fassung vor, dass die gesamte digitale Kommunikation, d.h. die alle private Nachrichten, Bilder und Videos, nach bestimmten Merkmalen durchsucht werden sollen. Verdächtige Inhalte müssen automatisch an den Staat gemeldet werden. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass jede Familie davon ausgehen müsste, dass Bilder der eigenen Kinder oder Enkelkinder, z.B. aus dem Freibad oder vom Strand, die in der Familien-Chatgruppe geteilt werden, verdächtig eingestuft und an Behörden übermittelt werden können. Dies stellt einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf Vertraulichkeit der privaten Kommunikation dar.
Da die EU-Kommission nicht nur gegen Bild- und Videomaterial vorgehen will, sondern auch gegen das so genannte "Grooming", also das gezielte Anschreiben von Minderjährigen durch Erwachsene im Internet, muss auch der Inhalt jeder einzelnen Textnachricht erfasst werden. Nach Ansicht von Experten gibt es die dafür notwendige Technik heute schlichtweg noch nicht. Zudem wäre diese Praxis faktisch das Ende des digitalen Briefgeheimnisses.
Der Entwurf ist ein schwerer und inakzeptabler Angriff auf wichtige Grundrechte und könnte den Weg für eine Totalüberwachung aller Kommunikationsinhalte ebnen. Ich lehne den Vorschlag der Kommission ganz klar ab und werde mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament für eine grundlegende Änderung des Kommissionsvorschlags kämpfen. Auch unsere Parteikollegen in Berlin werden im Bundestag und in der Bundesregierung diese Position klar verfolgen. Dass wir im Koalitionsvertrag das Recht auf Verschlüsselung beschlossen haben, zeigt die klare Richtung, die von der Bundesregierung verfolgt werden muss.
Ich verstehe aber natürlich, dass mehr gegen Kindesmissbrauch getan werden muss. Und es ist richtig, dass die Kommission den Kampf gegen Kindesmissbrauchsmaterial deutlich intensivieren will. Dass die geplanten Überwachungen überzogen sind, zeigt aber sogar die Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zum Gesetzesentwurf. Selbst dieser hält die Chatkontrollen für weder verhältnismäßig noch zielführend.
Statt die abscheulichen Verbrechen des Kindesmissbrauchs mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte aller EU-Bürger zu bekämpfen, wäre mein Vorschlag, deutlich mehr in die Ausstattung der Polizei, der europäischen Polizeibehörde Europol und in die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Behörden zu investieren. Auch die Jugendämter müssen effektiver kooperieren und bei konkreten Verdachtsfällen konsequenter handeln.
Mit freundlichen Grüßen
Jan-Christoph Oetjen
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu Terreg. Zuerst einmal bitte ich um Entschuldigung für die viel zu späte Rückmeldung. Aufgrund von technischen Problemen ist unsere damalige Antwort nicht auf der Webseite erschienen. In der Zwischenzeit hat sich einiges in der Thematik getan.
Das Thema beschäftigt uns im Europäischen Parlament immer noch sehr und wird noch einige Zeit aktuell bleiben. Die Berichterstattung hebt oft den guten Willen hervor, ohne die massiven Gefahren der Grundrechtsverletzung zu betonen. Hier ein paar Hintergrundinformationen, die das ganze verdeutlichen sollen:
Am Mittwoch, den 11.05.2021, hat die Europäische Kommission den Gesetzesvorschlag zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Internet vorgelegt. Dem Vorschlag zufolge sollen Anbieter wie Google, Meta (Facebook) und WhatsApp gezwungen werden, die privaten Nachrichten ihrer Nutzer zu überwachen. Der Vorschlag der Kommission sieht in seiner jetzigen Fassung vor, dass die gesamte digitale Kommunikation, d.h. alle privaten Nachrichten, Bilder und Videos, nach bestimmten Merkmalen durchsucht werden sollen. Verdächtige Inhalte müssen automatisch an den Staat gemeldet werden. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass jede Familie davon ausgehen müsste, dass Bilder der eigenen Kinder oder Enkelkinder, z.B. aus dem Freibad oder vom Strand, die in der Familien-Chatgruppe geteilt werden, verdächtig eingestuft und an Behörden übermittelt werden können. Dies stellt einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf Vertraulichkeit der privaten Kommunikation dar.
Da die EU-Kommission nicht nur gegen Bild- und Videomaterial vorgehen will, sondern auch gegen das so genannte "Grooming", also das gezielte Anschreiben von Minderjährigen durch Erwachsene im Internet, muss auch der Inhalt jeder einzelnen Textnachricht erfasst werden. Nach Ansicht von Experten gibt es die dafür notwendige Technik heute schlichtweg noch nicht. Zudem wäre diese Praxis faktisch das Ende des digitalen Briefgeheimnisses.
Der Entwurf ist ein schwerer und inakzeptabler Angriff auf wichtige Grundrechte und könnte den Weg für eine Totalüberwachung aller Kommunikationsinhalte ebnen. Ich lehne den Vorschlag der Kommission ganz klar ab und werde mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament für eine grundlegende Änderung des Kommissionsvorschlags kämpfen. Auch unsere Parteikollegen in Berlin werden im Bundestag und in der Bundesregierung diese Position klar verfolgen. Dass wir im Koalitionsvertrag das Recht auf Verschlüsselung beschlossen haben, zeigt die klare Richtung, die von der Bundesregierung verfolgt werden muss.
Ich verstehe aber natürlich, dass mehr gegen Kindesmissbrauch getan werden muss. Und es ist richtig, dass die Kommission den Kampf gegen Kindesmissbrauchsmaterial deutlich intensivieren will. Dass die geplanten Überwachungen überzogen sind, zeigt aber sogar die Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zum Gesetzesentwurf. Selbst dieser hält die Chatkontrollen für weder verhältnismäßig noch zielführend.
Statt die abscheulichen Verbrechen des Kindesmissbrauchs mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte aller EU-Bürger zu bekämpfen, wäre mein Vorschlag, deutlich mehr in die Ausstattung der Polizei, der europäischen Polizeibehörde Europol und in die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Behörden zu investieren. Auch die Jugendämter müssen effektiver kooperieren und bei konkreten Verdachtsfällen konsequenter handeln.
Mit freundlichen Grüßen
Jan-Christoph Oetjen