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Jamila Anna Schäfer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Erwin S. •

Wie ist der ökologische Fußabdruck der Digitalisierung?

Sehr geehrte Frau Schäfer,
Milliarden neuer internetfähiger Geräte über­schwemmen den Markt, Sprachsteuerung wird immer ­beliebter. Doch dadurch explodieren die übertragenen Datenmengen und damit der Energieverbrauch. Geht es nach dem Willen der Konzerne, soll die Digitalisierung das Wachstum ankurbeln. Doch wenn aufgrund von immer kürzeren Einsatzzeiten funktionierende Geräte systematisch zu Abfall werden, verseuchen unsere Elektroschrottberge die Küsten und Men­schen in Afrika und Asien.
Die Digitalisierung geschieht auf dem Rücken des Globalen Südens. Der Abbau von Kobalt im ­Kongo für digitale Endgeräte findet unter menschen­rechtsverletzenden Bedingungen statt, häufig sogar von Kindern. Die Rohstoffgewinnung für Seltene Erden in den digitalen Geräten zerstört ganze Landstriche in China. Für die Lithiumgewinnung werden in wasserarmen Gebieten die letzten Süßwasserreserven verbraucht.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Frage. Der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist die Herausforderung unserer Zeit. Ohne den Einsatz neuer Technologien und Innovationen ist dieser kaum zu gewinnen. Digitalen Technologien wie der künstlichen Intelligenz (KI) kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Dazu müssen wir die Digitalisierung als Nachhaltigkeitsmotor ausgestalten.

In allen Sektoren, in der industriellen Produktion, in den Bereichen Mobilität und Logistik, Strom und Wärme oder der Landwirtschaft können digitale Innovationen helfen, die Klimaziele zu erreichen. So könnte der Energieverbrauch der Industrie bis 2030 durch IT-gesteuerte Prozessoptimierung um bis zu 30 Prozent sinken. Autonom fahrende Kleinbusse könnten in vielen Fällen den privaten PKW überflüssig machen. Durch intelligente Steuerung kann KI helfen, den Verkehr in Städten zu reduzieren, weniger Pestizide auf die Felder zu sprühen, den Ressourceneinsatz zu optimieren und durch „smarte“ Stromnetze die Energiewende schneller zu realisieren.

Die digitale Realität sieht heute aber oft völlig anders aus. Die vorhandenen Potenziale werden nicht genutzt, der Strom- und Ressourcenverbrauch der Digitalisierung wächst rapide. Insbesondere Streaming- und Video-Angebote wie Netflix, YouTube & Co. benötigen enorme Strommengen. Auch Zukunftstechnologien wie KI treiben den Stromverbrauch in die Höhe. Dadurch könnte die Digitalisierung 2030 zwischen 20 und 50 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verursachen. Davon geht die französische KI-Strategie aus. Gleichzeitig brauchen IT-Infrastruktur und Endgeräte große Mengen wertvoller und endlicher Rohstoffe, die teilweise unter unhaltbaren ökologischen und sozialen Bedingungen gefördert werden. 

Damit die Digitalisierung nicht zum Klimakiller wird, braucht sie dringend einen ökologischen Ordnungsrahmen. Denn die ökologischen Potenziale der Digitalisierung lassen sich nur realisieren und negative Entwicklungen lassen sich nur vermeiden, wenn die Digitalisierung konsequent an Nachhaltigkeit und Gemeinwohl ausgerichtet wird. Bislang spielt beides in der Digitalpolitik der Bundesregierung keine erkennbare Rolle.

Mit dem Antrag „Digitalisierung ökologisch gestalten" hat die grüne Bundestagsfraktion deshalb eine umfassende Green-IT-Strategie mit dem Ziel der Technologieführerschaft bei nachhaltigen digitalen Geschäftsmodellen, Hard- und Software vorgelegt. Um die Digitalisierung ökologisch zu gestalten, brauchen wir eine verbindliche IT-Ökodesign-Richtlinie, die unter anderem ein Recht auf Reparatur für digitale Endgeräte schafft. Effizientere Kühlsysteme für Rechenzentren und eine konsequente Abwärmenutzung als Vorgabe sind weitere Bausteine. Den Antrag finden Sie bei Interesse hier:
https://dserver.bundestag.de/btd/19/158/1915804.pdf

Ich hoffe ich konnte Ihre Frage beantworten.
Mit freundlichen Grüßen,
Jamila Schäfer

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