Frage an Ismail Ertug von Stefan D. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Donhauser,

in der letzten Zeit hat sich einiges getan in Sachen Handelsabkommen, weshalb ich Ihnen jetzt erst –aber dafür etwas ausführlicher- antworten möchte.

Im Februar wurde die 8. Verhandlungsrunde durchgeführt, die 9. Verhandlungsrunde folgt voraussichtlich Ende April. Die Verhandlungen sind sehr schwierig, da sich die USA in vielen wichtigen Punkten nicht bewegen und wegen der Mid-Term-Elections auch eine längere Pause war. Erst Anfang März haben wir Sozialdemokraten im Europäischen Parlament einstimmig ein gemeinsames Positionspapier verabschiedet, welches ganz klar den außergerichtlichen Schiedsstellen eine Absage erteilt. Mit uns Sozialdemokraten sind TTIP, CETA oder TiSA mit ISDS nicht zu machen! Das Positionspapier (bisher nur auf Englisch) finden Sie hier: http://bit.ly/1wI15Aj

Die EU-Kommission muss nun den sozialdemokratischen Standpunkt zur Kenntnis nehmen und dafür sorgen, dass die geplanten privaten Schiedsstellen weder im Handelsabkommen mit den USA (TTIP) Eingang finden, noch im Abkommenstext mit Kanada (CETA) erhalten bleiben. Denn ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments wird es keine Handelsabkommen geben (vor rund drei Jahren ist das bereits fertig ausgehandelte ACTA-Abkommen Europäischen Parlament abgelehnt worden und somit gescheitert).

Ein neuer Vorschlag der SPD für die Abschaffung der außergerichtlichen Schiedsstellen ist die Errichtung eines internationalen Handelsgerichtshofs, der von Staaten legitimiert ist, transparent besetzt wird, grundsätzlich öffentlich verhandelt, einen Berufungsweg hat und bei dem Prozesskosten vom Verlierer zu tragen sind. So schafft man die gleiche Nachvollziehbarkeit wie bei nationalen Gerichten.

Bereits vor längerer Zeit haben wir unsere roten Linien für die Handelsabkommen formuliert: Umwelt-, Arbeits- und Sozialstandards müssen erhalten bleiben, keine ISDS und öffentliche Dienstleistungen müssen ausgeklammert werden.

Hier finden Sie dazu ergänzende Dokumente:

Entwurf der Resolution des Europäischen parlaments zu TTIP (deutsche Übersetzung) Februar 2015: http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/2015/resolutionsentwurf_bernd_lange_deutsch.pdf

Positionspapier zu TTIP: http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/mdep_lange_-_positionspapier_ttip_november_2014.pdf

Sozialdemokratische Fakten zu TTIP: http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/2014-06-06_ttip_-_flyer.pdf

Positionspapier zu CETA: http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/mdep_lange_-_ceta_positionspapier_september_2014_..pdf

Und nun zu Ihren Einzelfragen:

Frage eins: Liegt Ihnen der genaue, gesamte Wortlaut des CETA-Abkommens in Deutsch vor, oder haben Sie Zugang dazu? Kann auch ich an eine deutsche Version herankommen?

Der Vertragstext des Wirtschafts- und Handelsabkommens CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen Kanada und der EU liegt mittlerweile vor (1600 Seiten Vertragstext) und kann hier eingesehen werden: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf .

Momentan erfolgt noch das so genannte "legal scrubbing", also das juristische Feintuning. Bis es also eine juristisch wasserdichte deutsche Version gibt, wird es wohl noch bis Herbst dauern. Leider zieht es sich zeitlich immer etwas hin mit den Übersetzungen, aber das ist zum einen des Umfangs von über 1600 Seiten geschuldet, zum anderen muss der Wortlaut exakt in die anderen EU-Sprachen übersetzt werden und auch juristisch absolut wasserdicht sein. Der Aufwand ist hier sehr groß, deshalb auch die zeitliche Verzögerung.

Frage zwei: Sie als Mitglied des Europäischen Parlaments Zugang zu den Unterlagen und Dokumenten der TTIP-Verhandlungsrunden?

Aufgrund der begründeten Kritik an der mangelnden Transparenz bei den Verhandlungen sind mittlerweile mehr Dokumente auf der Seite der Kommission (DG Trade) öffentlich verfügbar und Abgeordnete können aktuelle Dokumente im Leseraum einsehen.

Frage drei: Was bzw. welche Bereiche soll das geplante TISA-Abkommen regeln, bzw. umfassen?

Die Europäische Kommission hat eine eigene Infoseite zu TISA (genauso wie zu TTIP und CETA), wo Sie diesen Text nachlesen können. Sie finden die Seite hier: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/tisa/index_de.htm . Es gibt sogar eine sehr übersichtliche Zusammenfassung der häufigsten Fragen und Antworten zu TISA: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/tisa/questions-and-answers/index_de.htm

Frage vier: Welche Vorteile für die Mitgliedsstaaten und deren Bürger erhofft sich die EU-Kommission durch das TISA-Abkommen?

Die Europäische Kommission geht davon aus, dass es zu Wachstum und mehr Arbeitsplätzen führen wird. Die EU ist der weltweit größte Exporteur von Dienstleistungen mit europaweit zig Millionen Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor. Die Kommission geht ferner davon aus, dass Wachstum und Arbeitsplätze innerhalb der EUgesichert werden, wenn Unternehmen in der EU ihre Dienstleistungen einfacher in andere Länder exportieren können.

Frage fünf: Wie stehen Sie zu dem TISA-Abkommen?
Da ich mich mit dem Abkommen noch nicht detailliert befassen konnte, konnte ich mir auch noch keinen genauen Standpunkt bilden.

Ich hoffe ich konnte Ihnen für das erste weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Ismail Ertug